Deutschland wird entweder gescholten oder gelobt, manchmal auch belächelt für seine Vorreiterrolle bei der Energiewende. Selbst dieses Wort wird in andere Sprachen übernommen. Auch wenn derzeit scheinbar die Bremser am Drücker sind und wichtige Maßnahmen hin zu einer dekarbonisierten Volkswirtschaft zurücknehmen oder zeitlich strecken, so bleibt die Richtung doch gleich. 2050 soll 80 % aller Energie hierzulande aus regenerativen Quellen stammen. An diesem Zeil rüttelt niemand. Doch der Weg dahin ist kein leichter, kein gerader, sondern eher einer mit vielen Sackgassen und morastigen Wegen.
Mit Rainer Baake hat als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium nun jemand den Hut für dieses Jahrhundertprojekt auf, der sowohl der etablierten und fossil geprägten Energiewirtschaft Paroli bieten kann, aber auch den Erneuerbaren wichtige Vorgaben macht und auf ihre Marktfähigkeit dringt. Bei der gestrigen Veranstaltung der auf Energierecht spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held in Berlin sagte er denn auch unumwunden, dass die Energiewende auch bei den Erneuerbaren Gewinner und Verlierer kennt. Während er Windkraft und Photovoltaik auf der Siegerstraße sieht, geht es für Biogas nur noch bergab.
Energiewende nur europäisch denkbar
Baake gab bei jenem Treffen von Top-Entscheidern der Energiewirtschaft und der energieverbrauchenden Industrie auch einen Einblick und einen Ausblick, wie das Riesenprojekt Energiewende gelingen kann – wenn auch leider beschränkt auf den Strommarkt. Für ihn wichtig ist der europäische Ansatz. Das betrifft vor allem alle Nachbarländer Deutschlands sowie der Ostseeanrainern. Mit jenen hat Deutschland Verträge zur Schaffung eines stabilen Energienetzes. Jüngste Errungenschaft: Ein Stromkabel nach Norwegen, das noch in diesem Jahr fertig werden soll.
Sich selbst stabilisierendes Netz
Baake will ein sich selbst stabilisierendes Netz, das garantiert ohne staatliche Eingriffe auskommt. Diese Stabilität will er in Deutschland vorerst mit einer Kapazitätsreserve, die aus stillgelegten Braunkohlekraftwerken besteht, erkaufen. Doch deren Gebrauch soll nicht zu Kosten des Staates gehen, sondern zu denen des Verursachers. Falls ein Verbraucher die Reserve in Anspruch nimmt, weil er seinen Bedarf, um es vorsichtig zu sagen, schlecht geplant hat oder sich am Markt kein Preis für seinen Bedarf gebildet hat, soll er für die Kosten aufkommen, die nach Baake dann eben nicht 30 Euro je MWh wie derzeit betragen könnten, sondern 20.000 Euro je MWh. Zu beantworten wäre noch die Frage:, wie Endkunden davor geschützt werden können, an diesen Mehrkosten beteiligt zu werden.
Ob die europäischen Nachbarn diesen Sonderweg mitgehen, bleibt abzuwarten. Richtig ist der Ansatz, europaweit zu denken und netzseitig die Nachbarn mit einzubeziehen, allemal. Strom ist nun mal kein Gut, das sich physisch abgegrenzt von A nach B transportieren lässt. Deswegen ist das größtmöglich verfügbare Netz mit seinen Akteuren immer auch Reserve, Speicher und Transporteur in einem.
Vorschaubild: Das Heizkraftwerk Heilbronn der EnBW bleibt mit seinen 125 MW als Reservekraftwerk erhalten. Foto: Daniel Meier-Gerber /EnBW
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