Da haben sich die Stadtväter und ‑mütter meiner Lieblingsstadt und Wahlheimat mal wieder etwas ganz besonderes ausgedacht: Leipzig ist seit dem 28. Oktober 2015 frackingfreie Kommune! Grüne, SPD und Linke waren dafür, die CDU erinnerte das Ganze an den Faschingsauftakt, der ja in der Pleißemtropole kräftig mit Umzug gefeiert wird und unmittelbar bevorsteht. Und damit liegen die Christdemokraten gar nicht mal so falsch. Denn Fracking ist so oder so in Leipzig nicht möglich.
Dazu muss man sich die besondere Geologie der größten sächsischen Stadt anschauen. Hier befindet sich mit dem 2500 Hektar umfassenden Auwald der größte innerstädtische Wald Deutschlands und einer der größten Auwälder Europas. So was ist natürlich schützenswert – in Gänze als Landschaftsschutzgebiet und im Besonderen durch einzelne Naturschutzgebiete. Fracking wäre selbst bei der alten Gesetzeslage hier nicht möglich gewesen.
Bleiben noch die Gebiete im Norden und Süden der Stadt. Hier wurde einst Braunkohle gefördert. 1990 kam das Ende der auf städtischen Gebiet liegenden Tagebaue. Hier liegt also Braunkohle (und zwar immer noch). Und wo die liegt, findet sich vielleicht eh nicht nutzbares Grubengas, aber in aller Regel kein Erdgas und schon gar kein Erdöl. Fracking wäre hier also komplett sinnlos. Im Westen und Osten hat Leipzig keine nennenswerten freien Flächen, die bergrechtlich genutzt werden könnten. Und wenn, läge darunter auch Braunkohle.
„Was kommt als nächstes“, fragt die CDU. „Eine Querungshilfe für Frösche auf der Karl-Liebknecht-Straße zum Hotel Seeblick?“ (für Nichtleipziger: die hiesige größte Kneipenmeiler mit einer In-Kneipe, von der zwar aus zwar alles, aber kein See zu sehen ist). Die Linke hingegen mahnte eine „interkommunale Solidarität“ an, was immer das auch sein mag. Die FDP wiederum meint, dass der Rat sich zu sehr mit bundes- und landespolitischen Themen befassen würde.
Und da hat sie recht. Wollte der Rat tatsächlich städtische Umweltpolitik machen, die Baustellen wären ohne Ende:
- Da wäre die überproprotional hohe Feinstaubbelastung der Innenstadt – trotz Umweltzone.
- Da wäre der Neubau der B 181 westlich von Leipzig – mit der Gefährdung zahlreicher Brutreviere.
- Da wäre der Rückbau des ÖPNV, gerade vom Rat beschlossen mit Kürzung der Straßenbahnlinie 9, und der damit zwangsläufigen Erzeugung von mehr Individualverkehr.
- Da wäre die unzureichende Ausstattung der niegelnagelneuen S‑Bahn mit funktionierenden Waggons und dem damit verbundenen Frust der ÖPNV-Kunden.
- Da wäre das ungelöste Problem des Fluglärms in Leipzigs Norden – erzeugt durch den 24-h-Betrieb des Flughafens Leipzig-Halle.
- Da wäre die Lärmbelastung durch die Porsche-Testfahrten – ebenfalls im Norden.
- Da wäre … und, und, und.
Aber es ist natürlich bequemer, über Fracking zu debattieren, denn das tut Leipzig nun wirklich nicht weh.
Vorschaubild: Wird wohl nie einen Frackingturm sehen – der Leipziger Auwald. Foto Martin Geisler /Wikimedia /Lizenz unter CC BY-SA 3.0
Nur dumm, dass Landschaftsschutzgebiete nach der Gabrielschen Fracking-Beflügelungs-Regelung wunderbar zu fracken sind. Pech für den Auwald. Und auch Naturschutzgebiete frackt man mit bestehender Regelung ganz ungeniert.
Städtische Bebauung ist ebenso kein Hindernis. Der wenig erfolgreiche Erdwärme-Frac am Sitz der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) in Hannover habe nach Lesart der Bohrfanatiker doch gezeigt, dass sich auch in Urbanem Umfeld Tiefbohrungen durchführen und fracken lassen. Pech dann für Leipzig… Unter kleinstädtlichen und dörflichen Siedlungsflächen wurde mehr als genug gefrackt.
Auch hat das Vorkommen von Kohle überhaupt keine Aussagekraft zum vorhanden sein von Erdgas. Beide Stoffe treten in einer ganzen Reihe geologischer Formationen auf. Bliebe noch die Frage, warum Grubengas eigentlich nicht nutzbar sein soll, das klappt anderenorts durchaus. Und letztlich ist Grubengas und Kohleflözgas sogar im Grunde das Gleiche. Letzteres erschließt man wiederum gerne unter zuhilfenahme von Fracking…
Ein paar Antworten:
Mit dem neuen Fracking-Gesetz ist Fracking in NSG de jure nicht mehr möglich. De facto galt dies auch davor.
Die Bohrung bei der BGR ist ja eben kein Frac, sondern eine Erdwärmebohrung. Davon ist hier nicht die Rede.
In Leipzig, und ich schreibe nur von hier, hat die Braunkohle sehr wohl eine Aussagekraft über das Nichtvorhandensein von Öl und Gas – beide kommen hier tasächlich nicht vor.
Das Kohleflözgas schließlich steckt zwar in der Braunkohle, da diese jedoch im Tagebau abgebaut wird, verflüchtigt sich dies, eine wirtschafltiche Nutzung ist also nicht möglich . Genauso wenig, wie das Fracken von Braunkohle. Das Material ist zu weich und würde die Rückführung des Gases durch Verstopfungen und Verklumpungen verhindern. Sicher wäre das technoloigisch zu lösen. Aber diese Technik gibt es nicht.