Wer den deutschen Mineralölmarkt schon kompliziert findet, sollte mal einen Blick zu unseren belgischen Nachbarn werfen. Dort wird mittels einer Vereinbarung zwischen dem Wirtschaftsminister sowie der Belgischen Petroleum Förderation und einer äußerst komplizierten Formel ein täglicher Maximalpreis für Heizöl, Diesel, Benzin, Propan, Butan und andere Mineralölprodukte festgelegt
Der belgische und der deutsche Mineralölmarkt haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Auch Johan Mattart von der belgischen BRAFCO, einem Verband, der die mittelständischen Mineralölhändler im benachbarten Königreich vertritt, muss in seinem Land einen Rückgang der Mineralölhändler konstatieren. Deren Zahl halbierte sich fast von knapp 1.200 im Jahr 1994 auf gut 700 im Jahr 2011. Arbeit hätten diese jedoch genug.
In Belgien gibt es bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 9,2 Millionen rund 1,67 Millionen private Ölheizungen. Die Zahl der Kraftfahrzeuge legte konstant zu, von rund 3,2 Millionen vor 25 Jahren auf heute knapp fünf Millionen. Die Besonderheit dabei: Belgien wird immer mehr zum Dieselland. Nur noch 20 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge haben einen Ottomotor. Der Gesamtanteil der Dieselfahrzeuge liegt bei rund 60 Prozent. Tendenz: steigend. Dies ist kein Wunder, sind doch die Verbrauchssteuern für Benzin 56 Prozent höher als für Diesel.
Bei unseren zweisprachigen Nachbarn gibt es jedoch auch grundsätzlich anderes. Das für uns Erstaunlichste ist sicherlich die tägliche Berechnung eines Höchstpreises für alle Ölprodukte, die durch königliches Dekret verkündet wird. An diesen Preis müssen sich alle Ölhändler halten. Entstanden ist dieses Konstrukt 1974, in Folge der ersten Ölkrise. Damals schlossen Regierung und Mineralölindustrie den so genannten „Programm-Kontrakt“.
Sechs Preise für jeden Tag
Der „Programm-Kontrakt“ legt dabei nach einem komplizierten Verfahren drei Preise fest für Standard Heizöl (1000 ppm Schwefel) und drei Preise für Heizöl Extra (schwefelarmes Heizöl mit 10 ppm Schwefel), und zwar für die Liefermengen (kleiner bzw. größer als 2.000 Liter sowie für Heizöl, das Kunden in Belgien bei Tankstellen abpumpen können). Preisbestandteile sind die Preise ab Raffinerie – hier wird in der Regel der Rotterdamer Preis genommen –, der Kurs Euro /US-Dollar, ein Beitrag für APETRA, das dem deutschen Erdölbevorratungsverband (EBV) entspricht, Transport- und sonstigen Kosten sowie die Mehrwertsteuer.
In der Praxis führt der Maximumpreis zu vielen Discountangeboten. „Auch Tankstellen mischen dabei kräftig mit“, so Mattart. „Für Heizöl werden dabei Mengenrabatte angeboten, die zu regelrechten Massenkäufen führen – getreu dem Motto: high volumes – high discounts.“ So organisieren politische Parteien für interessierte Einwohner in verschiedenen Städten regelrechte Massenkäufe. Das System der festen Maximum-Preise sorge für einen Verfall der Margen bei den Händlern, besonders wenn die Preise auf dem internationalen Markt steigen. Dann beispielsweise müssen die Ölhändler diese höheren Preise zahlen, können sie aber wegen des Programm-Kontrakts erst an die Endkunden weitergeben, wenn der Maximum-Preis ebenfalls angehoben wird. Gerade in konjunkturell starken Phasen, wenn die Nachfrage höher ist, möchte jeder Heizöl kaufen, bevor der amtliche Preis justiert ist. Wenn die Preise international jedoch fallen, warteten die Kunden ab, bis der Maximum-Preis auch tiefer gesetzt ist.
Jeder zahlt für sanierte Tankstellen
Eine äußerst nützliche Einrichtung, die auch auf den Preis wirkt, ist die BOFAS. Sie sorgt dafür, dass die Böden aufgegebener oder umzubauender Tankstellen dekontaminiert werden. Finanziert wird die BOFAS von jedem Autofahrer, und zwar mit 0,32 Cent je Liter Benzin und 0,20 Cent je Liter Diesel. So kommen im Jahr 36 Millionen Euro zusammen. Die Sanierung einer einzelnen Tankstelle ist allerdings bis zu einem Höchstbetrag von 62.000 Euro gedeckelt Was darüber liegt, muss der Besitzer selbst zahlen. Ausnahme: Die Tankstelle wird definitiv geschlossen. Dann gibt es keine Begrenzung
Ebenfalls Teil der Preisbildung und der staatlichen Regulierung ist die schon erwähnte APETRA. Dahinter verbirgt sich ein Programm, mit dem die Rohölbestände im Land aufgebaut und stabil gehalten werden sollen. Eine Ölkrise wie 1973/74 will das kleine Königreich so vermeiden. Deswegen gibt es seit 2007 Beiträge, die jedes Quartal angepasst werden. Im dritten Quartal betrugen sie zum Beispiel 9,87 Euro je Kubikmeter Heizöl.
Geschrieben für Brennstoffspiegel und aktualisiert für diesen Blog. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 08/2010 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
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