Contracting im Wärmemarkt bis hinunter zu kleinen Einheiten könnte ein Geschäftsmodell für die EVU sein. Foto: Solarcomplex

Umbruch im Wärme­markt – Chance für EVU?

von | 2. Mai 2016

Der Wärme­markt ist im Umbruch. Können die klas­si­schen Ener­gie­ver­sor­ungs­un­ter­nehmen (EVU) davon profi­tieren? Ein Interview mit Birgit Arnold, geschäfts­füh­rende Vize­prä­si­dentin des Verbandes für Wärme­lie­ferung (VfW).

Gibt es bei Ihnen Mitglieder, die aus den Reihen der klas­si­schen EVU kommen und Wärme­con­tracting auch außerhalb des Fern­wär­me­marktes betreiben?

Birgit Arnold. Foto: VfW

Birgit Arnold. Foto: VfW

Die Mitglieder des VfW kommen aus allen Bereichen der Betriebe, die sich mit Ener­gie­ver­sorgung und effi­zi­entem Ener­gie­einsatz beschäf­tigen. Darunter befinden sich auch viele große und kleine Stadt­werke (19% der Mitglieder), die sich mit Contracting neben dem Fern­wär­me­markt ein zweites Standbein in der Ener­gie­lie­ferung aufgebaut haben oder mit diesem Thema in den Wärme­markt einsteigen, ohne über eigene Fern­wär­me­netze zu verfügen. Hierzu zählen insbe­sondere ländliche EVUs, die Contracting äußerst erfolg­reich praktizieren.
Besonders im kommu­nalen Bereich werden Einspar-​Contracting-​Projekte ausge­schrieben. Dies ist eine besondere Form des Contrac­tings, die aufgrund des hohen Planungs­auf­wandes i.d.R. durch große Firmen, häufig aus dem Anla­genbau kommend, angeboten wird. Hier geht es um ein Rundum-​Angebot, das sich nicht auf die Versorgung mit Energie beschränkt. Diese Contrac­toren sind im Arbeits­kreis Einspar-​Contracting aktiv.

Wenn ja, in welchen Märkten sind diese aktiv und wie sehen die Modelle aus?

Contracting, wie der VfW es versteht, ist immer die Lieferung von Energie: Wärme, Kälte, Strom, Druckluft bedarfs­ge­recht und indi­vi­duell aus einer dezen­tralen Anlage, die dem Contractor gehört. Nur auf spezi­ellen Wunsch des Kunden werden auch Pacht oder Betrieb einer Anlage angeboten.

Sehen Sie aus dem aktuellen Umbruch im Wärme­markt durch EnEV und Altkessel-​Labeling neue Geschäfts­chancen für das Contracting?

Da die Aufgaben von Bauherrn und Eigen­tümer immer komplexer beim Neubau und der Gebäu­de­sa­nierung werden, ist die Einschaltung eines Ener­gie­dienst­leisters zunehmend der Fall. Parallel zur Ener­gie­ein­spar­ver­ordnung (EnEV 2014) muss häufig auch das Erneuerbare-​Energien-​Wärmegesetz (EEWärmeG 2011) erfüllt werden. Die EnEV fordert ener­gie­ef­fi­ziente Gebäude durch Beschränkung des Primär­ener­gie­be­darfs sowie des Wärme­ver­lustes der Gebäude. Das EEWärmeG fordert parallel dazu, dass einen Teil der benö­tigten Wärme oder Kälte über erneu­erbare Ener­gie­quellen oder aner­kannte Ersatz­maß­nahmen gedeckt werden muss. Zusätzlich soll die Einführung eines Effi­zi­enz­labels für Heizungs­alt­an­lagen die Moti­vation des Eigen­tümers fördern, alte inef­fi­ziente Heizungs­anlage auszu­tau­schen. Der Ener­gie­dienst­leister kann diese komplexen Aufgaben optimal erfüllen und praktisch umsetzen.

Bereiten Sie Ihre Mitglieder darauf vor?

Hier gilt es, mit einem Miss­ver­ständnis aufzu­räumen. Gebäu­de­ei­gen­tümer, besonders Vermieter haben kein Interesse an der Sanierung der Heizungs­anlage, da der Mieter die Zeche zahlt. Deshalb gibt es seitens der Politik immer wieder Anreize, Pflichten und andere phan­ta­sie­volle Vorgaben, die die Vermieter dazu bringen sollen, ihre Heizung zu sanieren, obwohl sie noch funktioniert.

Ein Contractor hat eine ganz andere Intention: Er baut seine eigene dezen­trale Erzeu­gungs­anlage für Wärme, Strom, Kälte oder Druckluft. Im Regelfall liefert er diese Energie aus hoch­mo­dernen und hoch­ef­fi­zi­enten Anlagen zum gleichen Preis, wie bei der früheren Versorgung an das Gebäude (Siehe WärmeLV). Er bekommt einen fest­ge­legten Preis, der sich nach den Markt­vor­gaben über die Vertrags­laufzeit verändert. Wenn der Contractor die Energie günstiger erzeugen kann, als vorher kalku­liert generiert er Gewinne, die vorher durch den Schorn­stein jagten, ohne die Mieter zu belasten. Er verdient also am Ener­gie­sparen, am Opti­mieren der Ener­gie­er­zeu­gungs­anlage und an der Ertüch­tigung der Anlage, sofern sie nicht mehr wirt­schaftlich arbeitet. Strafen und Grenz­werte sind hier nicht der Antrieb Die wirt­schaft­liche Effizienz der Anlage ist der Antrieb: Das Energiesparen!

Selbst­ver­ständlich bereitet der VfW darüber hinaus seine Contrac­toren darauf vor, wichtige Neue­rungen und Melde­ver­fahren zu beachten. Darüber hinaus steht der VfW im Dialog mit wichtigen poli­ti­schen und tech­ni­schen Entscheidern und hält engen Kontakt zu Forschung und Lehre, um für seine Mitglieder immer auf dem neusten Stand zu sein. Ein Fort­bil­dungs­an­gebot rund um alle Contracting rele­vanten Themen findet der Inter­es­sierte in der Contracting Akademie des VfW.

Kann zukünf­tiges Contracting auch unterhalb der Ebene der Wohnungs­bau­un­ter­nehmen und Groß­ver­mieter vonstat­ten­gehen – also bis hinunter zur Ebene der Eigen­heim­be­sitzer mit Ein- oder Zweifamilienhäusern?

Aber ja, die Bauträger, Verbände für Verwalter, Haus und Grund­ei­gen­tümer, BFW Bundes­verband Freier Immo­bilien und Stadt­werke führen schon heute

Contrac­ting­lö­sungen durch. Der Markt ist aber erst zu ca. 8 % erschlossen. Am Rande möchte ich erwähnen, dass alle zu behei­zende Gebäude in Deutschland von den Ener­gie­dienst­leistern aus deren eigenen Anlagen versorgt werden können. Es ist dabei uner­heblich, um welche Größe oder Nutzungsart des Gebäudes es sich handelt. Im Miet-​Wohnbereich sind Stan­dar­di­sie­rungen möglich und es gibt das besondere Konstrukt, dass der Vermieter die Neben­kosten umlegen kann. Im Gewerbe- und Indus­trie­be­reich ist das steu­erlich anders, so dass der finan­zielle Anreiz – gerade bei sinkenden Ener­gie­kosten – für Ener­gie­ef­fi­zienz nicht gegeben ist.

Wenn ja, was würde ein solches Contracting-​Modell von bishe­rigen Modellen unter­scheiden und welche Unter­nehmen kämen auf Contractor-​Seite dafür in Frage?

Mehr Verwal­tungs­aufwand, weil kleiner für Eigen­heime. Mehr­fa­mi­li­en­häuser sind schon im Contracting. Evtl. Stadt­werke, die ohnehin den Verwal­tungs­aufwand für Klein­kunden schon haben? Die Stadt­werke rechnen schon immer relativ kleine Beträge (Haus­halts­strom, Gas) mit Mietern ab. Die Logistik steht dort!

Wen sehen Sie für das Wärme-​Contracting der Zukunft am besten aufge­stellt – kleinere Wärme­an­bieter oder die klas­si­schen EVU, auch vor dem Hinter­grund der aktuellen Krise bei den großen EVU?

Contracting ist rechtlich komplex und erfordert gutes tech­ni­sches Knowhow, um korrekt durch­ge­führt zu werden. Erfolg­reiche Contrac­toren müssen gut vorbe­reitet sein. Hier spielt nicht die Branche oder die Größe eine Rolle, sondern die Inno­va­ti­ons­kraft. Contracting ist nur dann inter­essant, wenn es wirt­schaftlich betrieben wird. Hier muss jedes Objekt indi­vi­duell betrachtet werden, auch die vertrag­lichen Bedin­gungen müssen pro Projekt indi­vi­duell angepasst werden. Dies erfordert anfangs einen hohen Aufwand. Aller­dings fährt man die Ernte über die Vertrags­laufzeit von 10 und mehr Jahren ein. Diesen Aufwand zu Beginn zu stemmen, das ist die Leistung, die das Unter­nehmen erbringen muss. Es braucht inter­es­sierte, aufge­schlossene und über­zeu­gungs­fähige Mitar­beiter. Sofern der Betrieb dies bietet, spielt es keine Rolle, aus welcher Branche er kommt und wie groß oder klein er ist.

Zukünftig werden für Wohnungs­bau­ge­sell­schaften die Anfor­de­rungen aus den umwelt­po­li­ti­schen, gesetz­lichen und tech­ni­schen Anfor­de­rungen so komplex, dass sie externe Ener­gie­dienst­leister einschalten müssen.

Optimal für den deutschen Markt wäre, wenn das Mix aus mittel­stän­di­schen Contrac­toren, aber auch großen Versorgern weiterhin erhalten bliebe. Nur aus diesem Mitein­ander heraus können die Bedürf­nisse der unter­schied­lichen Markt­teil­nehmer befriedigt werden, soziale Aspekte berück­sichtigt und das demo­kra­tische Prinzip aufrecht­erhalten werden.

Welche Bedin­gungen muss ein Unter­nehmen erfüllen, um erfolg­reiches Contracting zu betreiben? Ist etwa dazu eine eigene Wärme­er­zeugung notwendig?

Da der Contractor als Profi diese Anlagen in der Regel wesentlich effi­zi­enter betreibt als ein Eigen­tümer, muss die Bundes­re­gierung endlich dazu übergehen, die büro­kra­ti­schen Hürden zu senken und das Contracting dem Eigen­be­trieb gleich­stellen. So dürfen Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen, die vom Grund­stücks­ei­gen­tümer durch­ge­führt werden, auf die Kaltmiete umgelegt werden, während für den Contractor, für eine in der Regel weiter­ge­hende Moder­ni­sierung als der Eigen­tümer sie leisten würde, strikte Kosten­neu­tra­lität gefordert wird.
Der im Rahmen der Harmo­ni­sierung des Strom­marktes zu beob­ach­tende Trend, alles und jedes zu erfassen und regeln zu wollen führt dazu, dass KMUs lang­fristig sowohl finan­ziell als auch orga­ni­sa­to­risch mit dem Betrieb kleinerer Anlagen über­fordert sein werden. Wenn es aber politisch gewollt ist, dass Energie gespart und damit die CO2-​Emission reduziert wird und KMUs weiterhin die lebhafte Land­schaft der bundes­re­pu­bli­ka­ni­schen Wirt­schaft prägen, dann muss Büro­kratie abgebaut werden. Baga­tell­grenzen sind immer zu berücksichtigen!

Unter diesen Voraus­set­zungen haben sowohl die Ener­gie­ef­fi­zienz als auch der deutsche Mittel­stand, EVUs und Euro­paweit agierende Contrac­toren eine gute Chance, die deutsche Wirt­schaft auf Jahr­zehnte hinaus positiv zu prägen.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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