Das Freiburger Baugebiet Gutleutmatten soll mit einem als innovativ angepriesenen Nahwärmekonzept versorgt werden – via Anschlusszwang, der rechtlich zulässig ist. Das wäre nicht weiter zu beanstanden, würden sich die Wärmekosten für die Zwangsbeglückten in etwa bei den 9 Eurocent je kWh liegen, die dafür aktuell und seit einigen Jahren relativ konstant zu zahlen werden. Doch die Bauherren werden mit 21,1 Eurocent zu Kasse gebeten – mehr als das Doppelte. Kein Wunder, dass die Bauherren sich aufregten und immer noch aufregen.
Teure Forschung, die keine ist
Der Trick dabei: das ganze wird als Forschungsvorhaben deklariert. Doch das ist abwegig. „Man forscht hier an einer Technik, die es meines Erachtens schon seit 30 Jahren gibt“, wundert sich der Freiburger SHK-Handwerksmeister Joachim Kreuz zu dem Mix aus einem mit Biogas betriebenen BHKW und dezentralen Solarthermieanlagen auf den Hausdächern mit großen dezentralen Pufferspeichern im Keller, die in das Nahwärmenetz eingebunden sind. Ausgedacht hat sich das der regionale Versorger Badenova. Eine öffentliche Ausschreibung gab es nicht.
Gutachter gibt Bauherren recht
Immerhin, um das aufmüpfige Volk zu beruhigen bestellte die Stadt einen Gutachter. Der untersuchte die verschiedenen Varianten und kam zu ganz ähnlichen Schlüssen wie die künftigen Bewohner:
- Er weist darauf hin, dass das Baugebiet aufgrund der sehr geringen Wärmedichte nicht für ein Nahwärmesystem geeignet ist, was auch schon im ursprünglichen, der Vergabe zugrundeliegenden Gutachten festgestellt wurde. Der gewählte Ansatz mit dezentralen Solarkollektoren verschlimmere dies lediglich.
- Ein Vergleich in Wärmekosten pro Wohnfläche mit Stadtteilen mit sehr viel höherem Wärmebedarf, wie von der Stadt vorgenommen, sei nicht zielführend ist. Vielmehr solle durch die Vergleichsrechnung der Stadt „eine Vergleichbarkeit und ggfs. Akzeptanz suggeriert werden”.
- Der Gutachter stellt fest, dass die Wärmepreise gegenüber der „alten Wohngebiete Vauban und Rieselfeld” um „49 % und 66 %” erhöht sind.
- Er schlägt einen Wärmekostenvergleich mit einem vergleichbaren Nahwärmeversorgungsgebiet in Freiburg vor: Güterbahnhof Nord. Dort seien die Preise weniger als halb so hoch.
- Der Gutachter bemerkt, „dass das nun angedachte Konzept aus heutiger Sicht wohl kaum noch als innovativ bezeichnet werden würde“ oder gar in der gegenwärtigen oder zukünftigen Wärmeversorgung eine Rolle spielen kann.
- Er zeigt alternative Lösungswege mit geringeren Kosten für die Bewohner auf: Als Optimum bezeichnet er eine Insel-Wärmeversorgung durch KWK-Anlagen im Eigentum der Bauherren, die auch von den Bauherren vorgeschlagen wurde.
- Er bemängelt die Verknüpfung von Anschlusszwang und unterlassener Ausschreibung der Anlage.
- Er sieht das geplante System in Kollision mit dem Kartellrecht.
Eine Menge Holz. Der Stadtverwaltung passte dies nicht und verlangte Nacharbeiten. Während sie das Gutachten den städtischen Beratern und der Badenova zur Verfügung stellte, bekamen es die Anwohner nicht zu Gesicht. Erst aufgrund des Antrages auf Akteneinsicht von sechs Gemeinderatsfraktionen wurde dies elf Tage später gewährt.
Wie die Sache nun ausgeht, ist noch offen. Für die Bauherren wäre ein neues Energiekonzept ebenso gut wie für die Umwelt. Denn was ineffizient ist, ist auch ökologisch bedenklich. Und: Die Stadt Freiburg, sich selbst als Ökohauptstadt Deutschlands preisend, hat der Energiewende eine Bärendienst erwiesen.
Einen Beitrag, wie effiziente Wärmenetze in der Zukunft aussehen könnten, haben meine Energieblogger-Kollegen von Ecoquent Positions hier verfasst.
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