Schema des kalten Wärmenetzes in Berlin-Zehlendorf. Grafik: Geo-En

Kalte Wärme­netze – Ener­gie­ef­fi­ziente Lösung für die Wohnungswirtschaft

von | 12. Juli 2016

Ein kaltes Wärmenetz scheint erst mal ein Wider­spruch in sich. Bei der Fernwärme soll das Netz die Wärme für die Wohnungen direkt liefern. Ein kaltes Netz kann das tatsächlich nicht. Es braucht dafür eine weitere Tech­no­logie – die der Wärmepumpe. 

Beide Kompo­nenten ergeben eine äußerst effi­ziente Heizform für dichte, aber auch weniger dichte Wohn­be­bau­ungen. Erste Inves­toren zeigen, wie es geht. Das spart nicht nur Neben­kosten für die eigenen Kunden, sondern macht unab­hän­giger von großen Ener­gie­ver­sorgern – auch ein Modell für die Wohnungswirtschaft.

Zuerst: Wie funk­tio­niert so eine Heizung aus dem kalten Wärmenetz? Während bei einer konven­tio­nellen Heizung Heiß­wasser, Gas oder Öl zum Gebäude trans­por­tiert werden muss, befördert das Kalte Wärmenetz Umwelt­energie zur Heiz­anlage. Die einzelnen Häuser sind daran mit eigener, meist im Keller instal­lierter Wärme­pumpe ange­schlossen, welche die 10-​Grad-​Umweltwärme auf die gewünschten 30 Grad für die Fußbo­den­heizung oder 60 Grad für das Trink­warm­wasser anhebt.

Aufbau und Montage eines Wärmepumpencontainers. Foto und Grafik: Geo-En

Aufbau und Montage eines Wärme­pum­pen­con­tainers. Foto und Grafik: Geo-En

Die Umwelt­energie kommt aus geother­mische Systeme, etwa Erdsonden oder Grund­was­ser­brunnen, die auch als großer Saiso­nal­speicher dienen, über­schüssige Wärme im Sommer aufnehmen und im Winter zur Verfügung stellen. So können Gebäude preiswert gekühlt oder gewerb­liche Abwärme abgeführt werden. Die Einbindung von Solar­an­lagen ist eine weitere Option, das kalte Nahwär­menetz mit Umwelt­energie zu speisen.

Die große Einsparung gegenüber klas­si­schen Fern­wär­me­netzen liegt in der niedrigen Netz­tem­pe­ratur. Kalte Wärme­netze arbeiten zum Teil mit nur zehn Grad. Hier ist nicht mal eine Isolierung der Leitungen nötig, was wiederum die Inves­ti­ti­ons­kosten mindert. Selbst bei 30 Grad, wie in einigen Netze vorzu­finden, treten kaum Wärme­ver­luste auf, während klas­sische Fern­wär­me­netze im Sommer bis zu 50 Prozent Verteil­ver­luste aufweisen.

Zur Verrin­gerung der Betriebs- und Inves­ti­ti­ons­kosten kann die Kombi­nation mit Spit­zen­last­kessel oder einem Block­heiz­kraftwerk beitragen. Letzteres kann durch seine Motor­ab­wärme effizient die hohen Tempe­ra­turen für das Trink­warm­wasser bereit stellen und zugleich den Strom der Wärme­pumpe erzeugen. So werden aus 1 kWh Gas mehr als 2 kWh Wärme

In Berlin Realität für 22 Neubau-Häuser

Genau diese Variante wurde jetzt im Mai in Berlin Realität. Der Berliner Wärme- und Kälte­spe­zialist Geo-​En bindet dort 22 Neubau-​Häuser, in der Regel Vier­ge­schosser, mit insgesamt 21.000 Quadrat­metern Wohn­fläche in ein solches Projekt ein, die so beheizt und gekühlt werden. Kern der Anlage ist ein 1200 Meter langes kaltes Wärmenetz mit zehn Grad. Aufwändige Rohr­iso­lie­rungen seien deshalb, so Geo-​En-​Mitgründer und Gesell­schafter Michael Vier­nickel, überflüssig.

Für Wärme sorgen 48 Erdwär­me­sonden von knapp 100 Metern Länge, ein Block­heiz­kraftwerk mit 70 kW elek­tri­scher und 104 kW ther­mi­scher Leistung, das die Wärme­pumpen mit Strom beliefert, sowie zwei Gaskessel für die Spit­zenlast und als Back­up­lösung, da die BHKWs hin und wieder gewartet werden müssen. Unter der Straße sind unter­ir­dische Heiz­zen­trale mit den Wärme­pumpen und Speichern instal­liert, die für die nötigen Tempe­ra­turen der ange­schlos­senen Häuser sorgen. Ein eigenes Stromnetz verbindet die Wärme­pumpen mit den Wärme­pumpen, so dass keine Netz­ent­gelte fällig werden. Ein Datennetz ermög­licht die Regelung und das Moni­toring aller betei­ligten Kompo­nenten. Der erreichbare Wärme­preis liegt ohne Abschreibung und kapi­tal­ge­bundene Kosten bei etwa 60 Prozent der Brenn­stoff­kosten für Erdgas, also bei 4 Eurocent je kWh brutto.


Geschrieben für Die Wohnungs­wirt­schaft. Der voll­ständige Beitrag erschien in der Nummer 06/​2016. Er ist auch hier online auf Seite 38 bis 41 zu lesen. Zum Abon­nement der Zeit­schrift Die Wohnungs­wirt­schaft geht es hier.

Ein Beitrag, wie die Zukunft der Wärme­netze aussehen könnte, haben meine Energieblogger-​Kollegen von Ecoquent Positions hier verfasst.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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