Solarabsorber auf dem Dach ergänzen technisch den Eisspeicher. Foto: Urbansky

Passiv-​Bürohaus mit Eisspeicher und Solarabsorbern

von | 13. Oktober 2016

Für das Unter­nehmen Dr. Thomas & Partner entwi­ckelte die Vollack-​Gruppe das neue Büro­ge­bäude in Stutensee bei Karlsruhe im Passivhaus-Standard. 

Auf 3.600 Quadrat­metern werden dort ab Ende September 2016 rund 120 Mitar­beiter arbeiten, insgesamt bietet das Gebäude Platz für bis zu 150 Arbeitsplätze.

Um dem Wunsch des Bauherrn nach Ener­gie­aut­arkie gerecht zu werden, haben die Planer den Ener­gie­bedarf soweit wie möglich und sinnvoll reduziert, und die vorhan­denen Dach­flächen zur Ener­gie­er­zeugung genutzt. Daraus ergab sich die Kombi­nation aus Passivhaus und Photo­voltaik. Um den Anteil der rege­ne­ra­tiven Energie vor allem für die Kühlung zu steigern, fiel die Entscheidung letztlich auf den Eisspeicher.

Eisspeicher ist Herzstück

Der Eis-​Latentwärmespeicher mit 7 Metern Tiefe und 4 Metern Druch­messer ist das Herzstück des hoch­ef­fi­zi­enten Gebäudes. Dahinter verbirgt sich ein zylin­dri­scher Stahlbeton-​Behälter von etwa vier Metern Höhe und gut sieben Metern Durch­messer. Der Eis-​Latentwärmespeicher heizt das Gebäude im Winter und kühlt es im Sommer – und das energieautark.

Das Grund­prinzip des Eisspei­chers besteht darin, dass das kalte Wasser im Sommer direkt durch das Gebäude gepumpt wird, lediglich mit dem Strom­bedarf einer Umwälz­pumpe. Zusätz­licher Ener­gie­eintrag aus dem umge­benden Erdreich und von den Dach­ab­sorbern des Büro­ge­bäudes, die ebenfalls nach dem Kühl­bedarf dimen­sio­niert sind, bringen das Eis zum Schmelzen. Im Winter dagegen entzieht die Wärme­pumpe Energie und kühlt das Wasser im Speicher ab; Eis bildet sich neu.

Damit stellt der Eisspeicher einen Primär­quel­len­puffer dar, der im Sommer der Kühlung dient und im Winter Energie zum Heizen liefert. Je nach Wetter­si­tuation entscheidet die Steuerung der Anlage mit Hilfe eines spezi­ellen Algo­rithmus, ob als Quelle die Dach­ab­sorber oder der Eisspeicher genutzt werden sollen.

Der Eisspeicher wird seinem Namen nicht ganz gerecht. In ihm befinden sich vor allem unter­kühltes Wasser und – im Kern des Speichers – zeitweise circa 30 % Eis. Der Eisspeicher ist also nicht komplett mit Eis gefüllt. Das Leitungs­system für Kühlung und Heizung ist so an den Beton­zy­linder ange­bunden, dass an seiner Außenwand – der Warmseite – die Energie einge­tragen und in seinem Innern – der Kaltseite – die Energie entzogen wird.

Der Eisspeicher ist beim Neubau von Dr. Thomas & Partner neben dem Gebäude ange­ordnet. Je nach Voraus­setzung und Bauvor­haben kann die Position des Behälters auch unter dem Gebäude sein. Bedingung dafür ist, dass der Behälter für den Eisspeicher in frost­si­cherer Tiefe und direkt ohne Dämmung im Erdreich liegt. Nach der Fertig­stellung des Baus wird der Speicher nicht mehr zu sehen sein.

Kühle und Wärme durch Multi-Level-Bodenkonstruktion

Die eigent­liche Kühlung und Beheizung der Räume erfolgt über eine Multi-​Level-​Bodenkonstruktion. Der Boden besitzt drei Schichten:

  1. Unter dem normalen Belag liegen die Rohre der herkömm­lichen Fußbodenheizung.
  2. Die unterste Schicht nimmt wie üblich die Elek­tro­in­stal­lation auf.
  3. Und zwischen Fußbo­den­heizung und Instal­la­ti­ons­ebene liegt eine Lüftungs­zwi­schen­schicht mit zell­artigem Aufbau, ähnlich der Struktur von Eierkartons.

Die durch­strö­mende Luft wird von der ersten Ebene entspre­chend erwärmt oder gekühlt. Durch diese Lüftungs­schicht reagiert der Raum wesentlich rascher und damit ener­gie­ef­fi­zi­enter auf Erwärmung und Kühlung als eine klassisch betriebene Fußbo­den­heizung, die starke Verzö­ge­rungs­ef­fekte hat.

Das neue Büro­ge­bäude unter­schreitet mit einem Wärme­bedarf von elf Kilo­watt­stunden pro Quadrat­meter und Jahr sogar deutlich die Kriterien für Passiv­häuser (15 kWh/​m2a).
Gleich­zeitig trägt die Abwärme der Menschen, die im Büro­ge­bäude arbeiten, laut Berechnung eine Wärme­en­ergie von bis zu 17 Kilo­watt­stunden pro Quadrat­meter und Jahr bei. „An diesen Zahlen­werten erkennen wir, dass die Kühlung die anspruchs­vollere haus­tech­nische Aufgabe ist“, erklärt Ingo Höffle, von der Vollack Gruppe.

PV-​Anlage und Solarabsorber

Zum ener­gie­ef­fi­zi­enten Gesamt­konzept des Gebäudes zählt eine 40-​Kilowatt-​Peak-​Photovoltaik-​Anlage, die die Dach­hälfte einnimmt, die nicht von den Absorbern genutzt wird. Der von ihr erzeugte Solar­strom reicht für den Betrieb von Heizung und Kühlung aus – Heizen und Kühlen erfolgen somit energieautark.

Gleich beim Bau wurden bereits die Kontakt­punkte vorbe­reitet, um in einem zweiten Ausbau­schritt die Dach­ab­sorber mit einer Photovoltaik-​Anlage zu überbauen. Diese Anlage wird den zusätzlich benö­tigten Lüftungs­strom erzeugen. Zu diesem Zeitpunkt wäre dann die gesamte Haus­technik energieautark.

Weitere Maßnahmen zum Strom­sparen beinhalten LED-​Beleuchtung, Arbeits­plätze mit Präsenz­steuerung sowie eine von CO2-​Sensoren gesteuerte Lüftung für Bespre­chungs­räume und Jalousien. Deren Licht-​Lenklamellen im obersten Drittel des Fensters sind so einge­stellt, dass der Raum beschattet ist und trotzdem Licht für eine optimale, natür­liche Beleuchtung an die Decke reflek­tiert wird.

Berech­nungen zufolge haben sich die Mehr­kosten für den ener­gie­ef­fi­zi­enten Neubau im Vergleich zu einem Gebäude, das nur die gesetz­lichen Mindest­stan­dards der Ener­gie­ein­spar­ver­ordnung EnEV erfüllt, schon innerhalb von sieben Jahren amor­ti­siert. Und das ohne Berück­sich­tigung von Förder­mitteln. Grundlage dieser Berechnung war die frühere EnEV 2009. Mit der neuen, noch stren­geren EnEV 2016 sei die Amor­ti­sation sogar noch früher gegeben.

Von außen prägt ein Mate­ri­almix aus anthra­zit­far­benem Putz­körper und weißer Vorhang­fassade das Gebäude. Im Inneren setzen sichtbare Beton­ober­flächen mit fugen­losen Holz­fenstern und grünen Akus­tik­mo­dulen innen­ar­chi­tek­to­nische Akzente. Funk­ti­ons­kuben für Archiv,- Technik- und Service­räume lockern die Büro­struktur auf.


Fun­dierte Beiträge zum Thema Ener­gie­ef­fi­zienz, zu dem ja auch das Passivhaus zählt, bietet Energieblogger-​Kollege Andreas Kühl hier auf seinem Blog Energynet.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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