Aus dem Archiv (aber passt ja jedes Jahr um diese Zeit aufs neue und die meteorologischen Daten wurden angepasst).
Die Gänsebratenspitze geistert alle Jahre wieder kurz vor dem Weihnachtsfest durch die Gazetten – so auch dieses Jahr. Gemeint ist damit der am ersten Weihnachtsfeiertag von 9 bis 12 Uhr zu beobachtende Effekt, nachdem der Stromverbrauch privater Haushalte auf 480 GWh hochschnellt – ein Drittel mehr als sonst üblich. Zugeschrieben wird das den Haushalten, die über einen Elektro-Backofen verfügen und in diesem ihren Weihnachtsbraten, meist eine Gans zubereiten.
Also 160 GWh, die von den Stromproduzenten in diesen drei Stunden bereitgestellt und von den Netzbetreibern verteilt werden müssen. Mein Energieblogger-Kollege Thorsten Zoerner beleuchtet hier schön die wirtschaftlichen Hintergründe des Ganzen und warum dies alles kein Problem ist.
Dennoch springen jedes Jahr Versorger auf diesen Gänsebratenzug auf und verteilen Pressemitteilungen, so in diesem Jahr auch die Bayernwerke. Die warten noch mit einem besonderen Detail auf:
Seit dem Jahr 2010 kommt im Netzgebiet des Bayernwerks am 25. Dezember zunehmend die Photovoltaik ins Spiel, um die Gänse in den Backöfen goldbraun werden zu lassen. Heute speisen knapp 260.000 Photovoltaik-Anlagen in das Netz des Bayernwerks ein. Bei optimalen Wetterbedingungen ist die gesamte Erzeugungsleistung dieser Anlagen immens: Im Jahr 2015 gab es mehrere Tage, an denen die Stromeinspeisung aus diesen Anlagen über 4.000 Megawatt lag. Das entspricht der Leistung von vier Großkraftwerken. Im Jahr 2012 beispielsweise wurde die Gänsebratenspitze im Bayernwerk-Netz nahezu gänzlich durch Photovoltaik abgedeckt. Ein Zuschalten konventioneller Kraftwerksreserven war nahezu nicht erforderlich.
Schön für das solaranlagenreiche Bayern. Doch wie sieht es im Rest der Republik für morgen aus?
Erwartet wird regen- und schneehaftes Wetter, und das von Nordsee bis Alpenrand. Also kann einer Einspeisung ab 9 Uhr, wenn die Gänsebratenspitze losgeht, einiges entgegenstehen. Abgedeckt werden müssen 160 GWh, verteilt auf 3 Stunden, also rund 53 GWh je Stunde. In Deutschland sind gut 53 GW PV-Leistung installiert. Bei wolkenfreien Himmel ist diese gut abrufbar, auch wenn die Leistung im Winter nachlässt, da die Sonne ungünstiger steht. Bei wolkenverhangenem Himmel hingegen kaum. Zudem wird der Schnee die PV-Strom-Produktion behindern.
Zudem hat die immer noch relativ warme Witterung aber auch einen Nachteil: Denn der Ertrag steigt nur bei sinkenden Temperaturen, also um etwa 4 % bei 10 Kelvin weniger. Da die Solaranlagen ihren Peak um 12 Uhr erreicht, wenn die Sonne am höchsten steht (obwohl sie ja übermorgen nicht wirklich hochsteht), geben wir den PV-Modulen mal eine überschlägige Leistungsfähigkeit von 30 %. Hochgerechnet auf die 53 GW würden das 17 GWh je Stunde bedeuten. Der Gänsebraten könnte also nicht mal angegart werden, wenn der Bedarf bei 53 GWh liegt.
Doch auch hier naht Rettung von den Erneuerbaren: Denn morgen herrschen gut 6 Knoten Wind. Das reicht aus, um selbst eine 2,5‑MW-Windkraftanlage zu bewegen. Alle deutschen Windanlagen haben ebenfalls rund 53 GW installierte Leistung aufzubieten – unabhängig von tiefer Sonne, Wolken und anderen Störenfrieden. Unsere Gans könnte also durchaus mit Erneuerbaren gebraten werden. Die Sonne allein schafft dies jedoch nicht.
Vorschaubild: PantherMedia /Andrea Lück
Haben wir jetzt schon 2,5‑GW-Windkraftanlagen?
Die müssten hochgerechnet einen Rotordurchmesser von 3200 Metern haben. Ne, da glaube ich jetzt doch nicht dran.
Danke, kleiner Fehler und schon korrigiert, wäre sonst wirklich etwas groß