Wird wohl nie einen Frackingturm sehen - der Leipziger Auwald. Foto Martin Geisler / Wikimedia / Lizenz unter CC BY-SA 3.0

Leipzig ist frack­ingfrei – na toll!

von | 5. November 2015

Da haben sich die Stadt­väter und ‑mütter meiner Lieb­lings­stadt und Wahl­heimat mal wieder etwas ganz beson­deres ausge­dacht: Leipzig ist seit dem 28. Oktober 2015 frack­ing­freie Kommune! Grüne, SPD und Linke waren dafür, die CDU erinnerte das Ganze an den Faschings­auftakt, der ja in der Plei­ßem­tropole kräftig mit Umzug gefeiert wird und unmit­telbar bevor­steht. Und damit liegen die Christ­de­mo­kraten gar nicht mal so falsch. Denn Fracking ist so oder so in Leipzig nicht möglich.

Dazu muss man sich die besondere Geologie der größten säch­si­schen Stadt anschauen. Hier befindet sich mit dem 2500 Hektar umfas­senden Auwald der größte inner­städ­tische Wald Deutsch­lands und einer der größten Auwälder Europas. So was ist natürlich schüt­zenswert – in Gänze als Land­schafts­schutz­gebiet und im Beson­deren durch einzelne Natur­schutz­ge­biete. Fracking wäre selbst bei der alten Geset­zeslage hier nicht möglich gewesen.

Bleiben noch die Gebiete im Norden und Süden der Stadt. Hier wurde einst Braun­kohle gefördert. 1990 kam das Ende der auf städ­ti­schen Gebiet liegenden Tagebaue. Hier liegt also Braun­kohle (und zwar immer noch). Und wo die liegt, findet sich viel­leicht eh nicht nutzbares Grubengas, aber in aller Regel kein Erdgas und schon gar kein Erdöl. Fracking wäre hier also komplett sinnlos. Im Westen und Osten hat Leipzig keine nennens­werten freien Flächen, die berg­rechtlich genutzt werden könnten. Und wenn, läge darunter auch Braunkohle.

Was kommt als nächstes“, fragt die CDU. „Eine Querungs­hilfe für Frösche auf der Karl-​Liebknecht-​Straße zum Hotel Seeblick?“ (für Nicht­leip­ziger: die hiesige größte Knei­pen­meiler mit einer In-​Kneipe, von der zwar aus zwar alles, aber kein See zu sehen ist). Die Linke hingegen mahnte eine „inter­kom­munale Soli­da­rität“ an, was immer das auch sein mag. Die FDP wiederum meint, dass der Rat sich zu sehr mit bundes- und landes­po­li­ti­schen Themen befassen würde. 

Und da hat sie recht. Wollte der Rat tatsächlich städ­tische Umwelt­po­litik machen, die Baustellen wären ohne Ende:

  • Da wäre die über­pro­pro­tional hohe Fein­staub­be­lastung der Innen­stadt – trotz Umweltzone. 
  • Da wäre der Neubau der B 181 westlich von Leipzig – mit der Gefährdung zahl­reicher Brutreviere.
  • Da wäre der Rückbau des ÖPNV, gerade vom Rat beschlossen mit Kürzung der Stra­ßen­bahn­linie 9, und der damit zwangs­läu­figen Erzeugung von mehr Individualverkehr.
  • Da wäre die unzu­rei­chende Ausstattung der niegel­na­gel­neuen S‑Bahn mit funk­tio­nie­renden Waggons und dem damit verbun­denen Frust der ÖPNV-Kunden.
  • Da wäre das ungelöste Problem des Fluglärms in Leipzigs Norden – erzeugt durch den 24-​h-​Betrieb des Flug­hafens Leipzig-Halle.
  • Da wäre die Lärm­be­lastung durch die Porsche-​Testfahrten – ebenfalls im Norden.
  • Da wäre … und, und, und.

Aber es ist natürlich bequemer, über Fracking zu debat­tieren, denn das tut Leipzig nun wirklich nicht weh.

Vorschaubild: Wird wohl nie einen Frack­ingturm sehen – der Leipziger Auwald. Foto Martin Geisler /​Wikimedia /​Lizenz unter CC BY-​SA 3.0

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

2 Kommentare

  1. GasGerd

    Nur dumm, dass Land­schafts­schutz­ge­biete nach der Gabri­el­schen Fracking-​Beflügelungs-​Regelung wunderbar zu fracken sind. Pech für den Auwald. Und auch Natur­schutz­ge­biete frackt man mit bestehender Regelung ganz ungeniert.
    Städ­tische Bebauung ist ebenso kein Hindernis. Der wenig erfolg­reiche Erdwärme-​Frac am Sitz der Bundes­an­stalt für Geologie und Rohstoffe (BGR) in Hannover habe nach Lesart der Bohr­fa­na­tiker doch gezeigt, dass sich auch in Urbanem Umfeld Tief­boh­rungen durch­führen und fracken lassen. Pech dann für Leipzig… Unter klein­städt­lichen und dörf­lichen Sied­lungs­flächen wurde mehr als genug gefrackt.
    Auch hat das Vorkommen von Kohle überhaupt keine Aussa­ge­kraft zum vorhanden sein von Erdgas. Beide Stoffe treten in einer ganzen Reihe geolo­gi­scher Forma­tionen auf. Bliebe noch die Frage, warum Grubengas eigentlich nicht nutzbar sein soll, das klappt ande­renorts durchaus. Und letztlich ist Grubengas und Kohle­flözgas sogar im Grunde das Gleiche. Letzteres erschließt man wiederum gerne unter zuhil­fe­nahme von Fracking…

    • Frank Urbansky

      Ein paar Antworten:
      Mit dem neuen Fracking-​Gesetz ist Fracking in NSG de jure nicht mehr möglich. De facto galt dies auch davor.
      Die Bohrung bei der BGR ist ja eben kein Frac, sondern eine Erdwär­me­bohrung. Davon ist hier nicht die Rede.
      In Leipzig, und ich schreibe nur von hier, hat die Braun­kohle sehr wohl eine Aussa­ge­kraft über das Nicht­vor­han­densein von Öl und Gas – beide kommen hier tasächlich nicht vor.
      Das Kohle­flözgas schließlich steckt zwar in der Braun­kohle, da diese jedoch im Tagebau abgebaut wird, verflüchtigt sich dies, eine wirt­schafl­tiche Nutzung ist also nicht möglich . Genauso wenig, wie das Fracken von Braun­kohle. Das Material ist zu weich und würde die Rück­führung des Gases durch Verstop­fungen und Verklum­pungen verhindern. Sicher wäre das tech­no­loi­gisch zu lösen. Aber diese Technik gibt es nicht.

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