Smart ausgerüstete Heizungen lassen sich per App überwachen. Foto: Loxone

Künst­liche Intel­ligenz im Umfeld von Smart Building

von | 24. Februar 2020

Das Mün­che­ner IGT – Insti­tut für Gebäu­de­tech­no­lo­gie gibt monat­lich Tipps heraus, mit denen Mietern, Ver­wal­tern und TGA-Ver­ant­wort­li­chen die Steue­rung der Haus­tech­nik leicht gemacht werden soll. Im Februar nun geht es um Künst­liche Intel­ligenz (KI) im Umfeld von Smart Building.

Rechen­leistung

Künst­liche Intel­ligenz erfordert eine hohe Rechen­leistung. 1991 hat Ray Kurzweil in seinem Buch „The age of spiritual machines“ die Rechen­leistung des mensch­lichen Gehirns mit der stets wach­senden Rechen­leistung von Computern verglichen. Dabei wird gezeigt, dass sich die Rechen­leistung von Maschinen bereits seit 1900 beginnend mit mecha­ni­schen Rechen-​Maschinen über Röhren-​Computer bis hin zu heutigen IC-​basierten Computern jedes Jahr zunächst alle 3 Jahre, inzwi­schen jedes Jahr, verdoppelt. Diese exponentiell-​ähnliche Leis­tungs­stei­gerung wird laut Kurzweil, hoch­ge­rechnet auf die nächsten Jahre, dazu führen, dass die Rechen­leistung eines gewöhn­lichen Stan­dard­com­puters im Jahre 2020 mit der Rechen­leistung des mensch­lichen Gehirns vergleichbar ist.

Lern­ver­fahren

Die heutige immense Rechen­leistung von Computern nutzt nichts, wenn diese falsch einge­setzt wird. In Bezug auf sinnvolle Verfahren für Künst­liche Intel­ligenz unter­scheidet man wie folgt:

  • Unsu­per­vised Learning (unüber­wachtes Lernen)
  • Super­vised Learning (über­wachtes Lernen)
  • Rein­forcement Learning (Verstär­kungs­lernen)

Das erste Verfahren wird genutzt, um größere Daten­mengen auszu­werten und zu grup­pieren – z.B. um Abhän­gig­keiten aufzu­decken (z.B. Gemein­sam­keiten von Kunden eines bestimmten Produktes).

Beim „Super­vised Learning“ kommt meist ein neuro­nales Netzwerk zum Einsatz. Durch den Program­mierer wird lediglich die Struktur des neuro­nalen Netzes vorge­geben; der eigent­liche Lern­vorgang wird über Trai­nings­phasen ausge­führt. Haupt­manko neuro­naler Netze ist, dass diese nur für ähnliche Aufga­be­stel­lungen wie die der Trai­nings­phase geeignet sind. Und sollten in den Trai­nings­phasen fehler­be­haftete Muster einge­lernt werden, behalten neuronale Netze diese bei und verbessern diese nicht autonom.

Die höchste Form der künst­lichen Intel­ligenz sind Verfahren, die eigen­ständig (d.h. ohne Trai­nings­phase) ermitteln, welche Aktionen in einer Situation ange­messen sind. Solche Verfahren ähneln dem Verhalten vom Menschen, der in unbe­kannten Situa­tionen notfalls auch unter­schied­liche Aktionen auspro­biert (sei es vorsichtig oder mutig) und aufgrund eines Ergeb­nisses rück­wirkend lernt, welches Verhalten am sinn­vollsten war. Anspruchsvoll ist die Lern­aufgabe dann, wenn Feedback sehr spät erfolgt und von weit zurück­lie­genden Aktionen abhängt. Aber das funk­tio­niert bei dem Menschen und inzwi­schen auch bei Computern. Das bekann­teste Verfahren dieser Kategorie ist das Verstär­kungs­lernen (Rein­forcement Learning). Dies ist ein Lern­system, welches rein auf Basis von Beloh­nungen aus der Umwelt lernt und diese zum Opti­mieren des Verhaltens nutzt. Durch Verstär­kungs­lernen wird die Menge der möglichen Aktionen in einer Situation autonom erforscht, d.h. es wird eigen­ständig ermittelt, welche Aktionen in einer Situation ange­messen sind.

Welches Verfahren für eine Aufgabe am sinn­vollsten ist, hängt dabei vom Anspruch und der Komple­xität der konkreten Aufgabe ab – d.h. jedes Verfahren hat seine Existenzberechtigung.

Chancen und Konse­quenzen für die Gebäudeautomation

Der Betrieb von Gebäuden bzw. ganzen Liegen­schaften wird zunehmend komplexer und somit ist dies ein ausge­zeich­netes Anwen­dungs­gebiet für compu­ter­ge­stützte Auswer­tungen bzw. Opti­mie­rungen von Betriebsabläufen.

Wichtig ist es dabei, den zu erwar­tenden Mehrwert fest­zu­legen – d.h. die soge­nannten „Use cases“ genau zu beschreiben. Das kann die Auswertung von Flächen­nutzung sein, die in heutigen Zeiten von Wech­sel­ar­beits­plätzen zunehmend an Bedeutung gewinnt. Das kann auch die Opti­mierung von Wartungs­in­ter­vallen für Toiletten, Aufzüge und Infra­struktur für das Gebäude sein. Das können auch soge­nannte „location based services“ sein, wie z.B. „Find my workspace“ oder „Find my colleague“.

Aufgrund der erfor­der­lichen Anfor­de­rungen an Rechen­ka­pa­zi­täten sind entspre­chende Algo­rithmen als BMS (Building Management System) in der soge­nannten Management-​Ebene zu finden – sei es als ausführbare Programme im eigenen Rechen­zentrum (z.B. mit Produkten wie Niagara von TRIDUM, Genesis von ICONICS oder B‑Con von ICONAG) oder als Service in der Cloud (z.B. Microsoft Azure, Amazon Web Services oder AppAgile der Deutschen Telekom). Dabei bieten einige dieser Platt­formen bereits vorge­fer­tigte KI-​Module – d.h. diese müssen „nur noch“ einge­setzt werden. Haupt­aspekte zur Umsetzung von KI ist somit nicht ein indi­vi­du­eller Program­mier­aufwand, sondern das Festlegen der Use-​Cases, die sinnvolle Auswahl/​Aufbereitung von Daten (u.a. „Labeln“) und dann die Auswahl vorhan­dener Soft­ware­pro­dukte bzw. –Module.

Der grund­le­gende Gebäu­de­be­trieb bleibt dabei im Verant­wor­tungs­be­reich der Controller (DDC-​Systeme) der Automations-​Ebene. Aber es ist unab­dingbar, dass diese harmo­nisch mit dem BMS-​System zusam­men­ar­beiten (wer ist über­ge­ordnet und wer ist unter­stützend verant­wortlich?). Auch sollte ein modernes Protokoll (wie z.B. BACnet IP, OPC UA, MQTT etc.) zur Kommu­ni­kation zwischen Automations-​Ebene und Management-​Ebene genutzt werden.

In Bezug auf die Feld-​Ebene ist eine gute Inte­gra­ti­ons­fä­higkeit der Kompo­nenten wie Sensoren und Aktoren wichtig. Diese sollten möglichst kommu­ni­kativ ausge­stattet sein – d.h. stan­dar­di­sierte Proto­kolle wie DALI, M‑Bus, RS485, KNX bzw. im Falle von größeren TGA-​Anlagen die zuvor aufge­führten Ethernet-​basierten Proto­kolle unterstützen.

Funk­ba­sierten Sensoren kommt eine besondere Rolle zu. Um die Anzahl der erfor­der­lichen Sensoren in Gebäuden einbinden und diese auch in z.B. Möbel bzw. orts­ver­än­derlich auszu­führen zu können, ist eine entspre­chende Infra­struktur für ein leis­tungs­fä­higes funk­ba­siertes System unab­dingbar. EnOcean ist hier die erste Wahl – aufgrund der Unter­stützung durch viele Controller-​Hersteller sowie der konse­quenten Nutzung von „Energy Harve­sting“ und damit dem wartungs­freien Betrieb.

Fazit

Die Anfor­de­rungen an den „intel­li­genten“ Betrieb von Gebäuden sowie die Auswertung von Daten steigt. Die eigent­liche „Intel­ligenz“ wandert zunehmend in die Management-​Ebene und erfordert eine harmo­nische Arbeits­teilung sowie moderne Proto­kolle zwischen Controllern und BMS (Building Management System). Aber auch die Feldebene ist verschärften Anfor­de­rungen ausge­setzt und muss zunehmend kommu­ni­kativ einge­bunden werden – inklusive Infra­struktur für orts­ver­än­der­liche und wartungs­freie Sensoren.

Mehr dazu hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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