Foto: Verlag Westend

Gazprom – der unheim­liche Riese

von | 11. Juni 2012

Jeder dritte Kubik­meter Erdgas, der in Deutschland verheizt wird, kommt aus Russland. Und dort von Gazprom, da der Staats­konzern das faktische Monopol sowohl über die Gasför­derung, den Transport als auch den Vertrieb hat.

Allein die schiere Größe des Unter­nehmens mit einer Markt­ka­pi­ta­li­sierung von 110 Milli­arden US-​Dollar, die von 445.000 Menschen erwirt­schaftet wurde, lässt eine Ahnung von endlosem Reichtum aufkommen. Und der könnte allerlei Begehr­lich­keiten wecken – seitens der Politik, seitens der neuen Putin-​Élite und: der russi­schen Mafia.

Legt sich gern mit den Mächtigen an: Autor Jürgen Roth. - Foto: Verlag Westend

Diese Vermutung versucht Jürgen Roth zu bestä­tigen, was ihn in seinem gerade erschienen Buch „Gazprom – das unheim­liche Imperium. Wie wir Verbraucher betrogen und Staaten erpresst werden“ zu großen Teilen gelingt. Darin zeichnet er den Weg der einstigen Abteilung im sowje­ti­schen Gasmi­nis­terium nach, die unter Gorbat­schow und Jelzin in die Priva­ti­sierung geschickt wurde und derer sich später Putin bemäch­tigte. Der alte und neue Präsident Russlands wiederum benutzte den Konzern quasi als Waffe im inter­na­tio­nalen Wirt­schafts­kampf, insbe­sondere gegen unbot­mäßige Nachbarn wie die Ukraine und Georgien.

Auf diesem Weg blieben nicht nur Jelzin-​Weggefährten auf der Strecke, die durch Putin-​Getreue ersetzt wurden, sondern es gab, man mag es kaum glauben, Tote. So ein Rechts­anwalt, der einen kriti­schen, briti­schen Gazprom-​Aktionär betreute und der unter bis heute unge­klärten Umständen in der Haft verstarb. An die von offi­zi­eller Seite verkündete Herz­in­suf­fi­zienz mag man anhand der von Roth vorge­legten Fakten kaum glauben.

Die handeln auch vom Selbst­be­die­nungs­laden Gazprom. So vergibt der gern Aufträge zum Leitungsbau an Verwandte oder Freunde des Manage­ments oder des Kreml, auch wenn die dann bis zu viermal teurer sind als die Konkurrenz. Dieser wiederum fehlt eigentlich nur eines: gute Kontakte zum Gazprom-​Management und, was noch wichtiger ist, zu Putin.

Insbe­sondere vor dem Hinter­grund, dass Gazprom in Deutschland stärker bis hin zum Endver­brau­cher­ge­schäft aktiv sein will (mehr hier), dabei jedoch auf ungeahnte Schwie­rig­keiten trifft (mehr hier und hier) entwi­ckelt Roths Buch eine ungeahnte Brisanz. Kein Wunder, dass Gerhard Schröder, mit seiner Rolle als Aufsichtsrat von Nord Stream indirekt in den Diensten von Gazprom stehend, ebenso sein Fett wegbe­kommt. So legt Roth nahe, dass Schröder schon vor dem Ende seiner Kanz­ler­schaft wusste, dass er einen Posten im Gazprom-​Reich bekommt. Der Ex-​Kanzler bestritt dies immer vehement. Ob Schröder wieder gegen den Autor, wie schon bei dessen Buch „Der Deutschland-​Clan“ vorgeht (als Roth vor Gericht unterlag), wäre eine weitere spannende Geschichte, von dem dieses Buch schon jetzt im Überfluss bietet.

Geschrieben für brenn​stoff​spiegel​.de

Der Origi­naltext kann hier gelesen werden.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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