Aus gegebenen Anlass: Anbei ein (gekürzter Beitrag von mir, den ich vor zwei Jahren zum Thema Winterdiesel schrieb (könnte bald aufgrund der aktuellen Temperaturentwicklung wieder sehr interessant werden).
Liegengebliebene Diesel-Pkw, verspätete Heizöllieferungen – dieser Winter (2011÷2012), so kurz er mit zwei Wochen Dauerfrost auch war, hatte es in sich. Die Beschwerden von Kunden fing oft, zu oft, der Handel ab. Zu Unrecht. Eine kleine Argumentationshilfe. Denn der nächste Winter kommt bestimmt.
Die Zauberworte dieses Winters hießen Cloud Point (kurz CP) und Cold Filter Plugging Point (CFPP). Sie sorgten für Verdruss bei Autofahrern, die einen Dieselmotor ihr Eigen nennen, und bei Heizölkunden mit leeren Tanks. Der CP bezeichnet nichts weiter als die Temperatur bei der eine sichtbare Ausflockung von Paraffinen auftritt. Bei Heizöl liegt er bei +3 °C. An sich noch kein Beinbruch, jedoch ein Warnsignal. Schlimmer ist es mit dem CFPP. Wenn der bei ‑12 °C eintritt, geht gar nichts mehr. Doch war er nicht immer schuld, wenn in den zwei extrem kalten Wochen von Ende Januar bis Mitte Februar mal die Säge klemmte.
Am Treibstoff liegt es nicht
Der Gesetzgeber in Deutschland verlangt beim Diesel einen CFPP (Filtrierbarkeit) von maximal ‑20 °C. „Der Diesel unserer Unternehmen ist sogar bis ‑22 °C, die Premiumsorten bis ‑24 °C kältestabil“, so Dr. Karin Retzlaff vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV). Das sollte eigentlich reichen. Dennoch blieben die Fahrzeuge reihenweise liegen – schon bei etwas wärmeren Temperaturen. Und dann waren die Gelben Engel im Dauereinsatz.

Ob dieser Diesel noch anspringt? Die Schlagworte Cloud Point (CP) und Cold Filter Plugging Point (CFPP) gewinnen im Winter an Bedeutung.
Foto: UK Government /Wikimedia , Public Domain
Schuld daran war in den wenigsten Fällen ausparaffinierter Diesel, sondern das Wetter mit einem sehr regenreichen, warmen Januar. „Feuchte Luft konnte sich so auch in den kraftstoffführenden Systemen von Fahrzeugen ausbreiten, in Leitungen sowie Filtern gefrieren und Probleme bereiten“, erklärt Wolfgang Dörmer von der Aral den Effekt. So fordert denn auch der Dienstherr der Rettungsengel, der ADAC: „Fahrzeuge ab Werk müssen so ausgerüstet sein, dass sie mit normgerechten Kraftstoffen auch bei niedrigsten Temperaturen (mindestens minus 25 °C) betriebsbereit bleiben. Das kann beispielsweise mit einer leistungsfähigen Filterheizung problemlos erreicht werden.“
Additive schaffen es nicht alleine
Was den Diesel bei Frost funktionsfähig hält, sind Additive, die bereits in der Raffinerie dem Dieselkraftstoff zugegeben werden. „Die Kristallisationsgröße wird durch die Zugabe sogenannten ‚Fließverbesserer‘ möglichst klein gehalten“, erläutert Dr. Martin Müller vom Additiv-Spezialisten ERC. „Gegen ein Absetzen der Paraffinkristalle, die immer bereits beim Cloudpoint auftreten, setzt man häufig, aber nicht immer, sogenannte ‚Wachs-Anti-Settling-Additive‘ (WASAs) ein. Die sorgen dafür, dass die Kristalle selbst sich nicht auch noch zusammenballen.“
„Dies bedeutet aber auch, dass ein Dieselkraftstoff mit einem gemessenen Labor-CFPP von ‑22°C zwar innerhalb der Norm liegt, der Kraftstoff aber sehr viel viskoser oder dickflüssiger ist und für die ‚Operability‘ Einschränkungen mit sich bringt“, ergänzt Christian Uerkwitz vom Fließverbesserer-Hersteller Innospec. Der Additiv-Experte sieht zudem noch ein weiteres Problemfeld, dem auch mit Additiven kaum beizukommen ist: „Bei einem Fahrzeug, das bei gemessenen ‑20°C längere Zeit auf freier Fläche im Wind steht, kühlt der Diesel im Tank schneller aus als bei einem Fahrzeug, das bei ‑20°C windgeschützt abgestellt wird. Die Paraffinausscheidung im Diesel erfolgt dementsprechend schneller und dies macht sich in der wahrgenommenen Kaltfahrbarkeit deutlich bemerkbar.“
Uerkwitz gibt einen weiteren Fakt zu bedenken: Moderne Dieselmotoren haben einen deutlich feineren Kraftstofffilter (5−10 μm) als der bei der genormten Bestimmung des CFPP genutzte (45 μm). Das bestätigt der ADAC: „Filter, mit denen im Prüflabor die Filtrierbarkeit von Dieselkraftstoff und damit auch die Funktionsfähigkeit des Kraftstoffs bei Minusgraden ermittelt werden, sind viel zu grobmaschig.“ Darum blieben Paraffinkristalle, die sich bei niedrigen Temperaturen im Dieselkraftstoff bilden, in den modernen, feineren Filtern hängen. Dem ist laut ADAC mit einem gemeinsamen Prüfstandard zu begegnen.
Einer weiteren Forderung des Autofahrerverbandes erteilt die Branche aber eine Absage. Eine Dieselbeständigkeit bis ‑25 °C müsse her, so die Münchener. In Österreich und Skandinavien sei das jetzt schon üblich. „Diese Forderung kommt jedes Jahr, wenn es etwas kälter wird“, so Dr. Retzlaff. Allerdings gäbe es seitens der Politik und der Normungsausschüsse keine Bestrebungen, am Status Quo etwas zu ändern. Auch Aral-Spezialist Dörmer sieht den Kraftstoff auf der guten Seite, dessen Beständigkeit reiche aus. „Wer die bestehende Dieselqualität verbessern will oder auf dem Weg in kältere Regionen ist, sollte mit Hilfe von Zusatz-Additivierung vorbeugen, die eine zusätzliche CFPP-Absenkung von ca. 10 °C erzielen kann“, rät Dr. Müller. Uerkwitz sieht zudem einen ganz einfachen wirtschaftlichen Faktor: „Dies würde eine radikale Veränderung der Produktströme mit sich bringen. Polardiesel wird nicht ausschließlich durch die Zugabe von Additiven hergestellt, sondern durch Blending mit anderen, paraffinreduzierten oder ‑freien, Komponenten.“ Ergo: Der Diesel würde deutlich teurer. …
Geschrieben für Brennstoffspiegel und Mineralölrundschau.Kompletter Text erschienen in der Ausgabe 3/2012
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