Bis zu 60 Prozent ihres Gewinns machen Tankstellen mit Shop und Imbiss. Für diese erfreuliche Entwicklung sorgen vor allem die konstanten und ausgeweiteten Öffnungszeiten. Doch hier zieht der Einzelhandel nach. Eine Bedrohung für dieses Geschäftsfeld? Oder halten die Kunden ihrer „Tanke“ trotzdem die Treue?
Der Shop ist aus der Tankstelle nicht mehr wegzudenken. Er wird auch für die Erlössituation der Tankstellenbetreiber immer wichtiger. In ländlichen Regionen, aus denen sich der Einzelhandel zurückzieht, ist die Tankstelle oft einer der wenigen Anlaufpunkte zur Versorgung mit den kleinen Dingen für den täglichen Bedarf. In den Ballungsräumen wird der Tankstellenshop für den typischen Unterwegsverzehr genutzt, nach Feierabend und an den Wochenenden.
70 Prozent der Kunden, so eine aktuelle Studie der Branchenexperten SymphonyIRI, kaufen gerade wegen der Öffnungszeiten ein. Doch was kann die Tankstelle als Einzelhändler wirklich leisten? Wir fragten in der Branche nach den Chancen und Grenzen des Shopgeschäfts.
Teurer ist gut akzeptiert
Zum „normalen“ Einzelhandel gibt es im Tankstellenshop mehrere entscheidende Unterschiede. Der wichtigste ist der Preis. Ärger haben die Tankstellen-Betreiber damit jedoch kaum. „Die Kunden sind die höheren Kosten gewohnt und akzeptieren dies auch“, so Birgit Kremmer, die im saarländischen Merzig eine mehrfach ausgezeichnete Esso-Station betreibt. Dabei kämen die Preise nicht nur durch den höheren Service wie die Öffnungszeiten – bei ihr 24 Stunden an sieben Tagen die Woche – zustande, sondern ebenso durch die im Gegensatz zum Einzelhandel georderten Kleinstmengen mit mehreren Lieferungen pro Woche, so dass die Logistik einen höheren Aufwand nach sich ziehe.
Für Tankstellen und die Bistros sei der Distributionsweg tief gefächert. Somit verteilen sich die Kosten auf Hersteller, Großhändler und Zwischenhändler. Das führt zu höheren Einkaufs- und ebenso zu höheren Verkaufspreisen. „Die Lieferkette bei uns ist halt lang“, sagt Kremmer lakonisch. Gerade sie ist auf ein gut florierendes Shopgeschäft angewiesen, da die nahe luxemburgische Grenze eine allzu große Verlockung für Billigtanker darstellt und diese schließlich bei der Frequenz fehlen würden.
Über mangelnde Preisakzeptanz beklagt sich auch Matthias Nicolai nicht. „Die Kunden wissen, dass wir länger offen haben als andere. Und in einigen Segmenten, so bei den Bäckerbrötchen, sind wir preislich gar nicht so weit vom Einzelhandel weg“, so der Betreiber einer Eni-Tankstelle in Leipzig.
Die erwähnte Shopperstudie von SymphonyIRI setzt sich auch mit dem Preisniveau auseinander. Die überraschende Erkenntnis: Kunden schätzen die Preise sowohl in der Tankstelle als auch im Lebensmitteeinzelhandel (LEH) höher ein, als sie eigentlich sind. Auch der Preisaufschlag in der Tankstelle gegenüber dem LEH wird mit durchschnittlich 43 Prozent geschätzt. Tatsächlich liegt er unter 20 Prozent. Das jedoch hält kaum jemanden vom Kauf ab.
„Die Kunden kommen trotzdem“, stützt Elisabeth Ammon diese Erkenntnis. Ihre Avia-Tankstelle in der Nürnberger Innenstadt muss sich dabei anderer, ebenfalls hochpreisiger Mitbewerber erwehren. „Wir haben hier den Hauptbahnhof in der Nähe, der ist schon eine ziemliche Konkurrenz“, meint Ammon. Dennoch habe sie in dem stark von Wohnungen geprägten Gebiet rund 70 Prozent Stammkunden. Damit ließe es sich gut leben.
75 Prozent weniger Umsatz
Weniger gut leben kann sie aber mit der zunehmenden Konkurrenz der Lebensmittel-Discounter. „Seit die ihre Öffnungszeiten ausgeweitet haben, ging bei uns der Umsatz etwa Samstag ab 14 Uhr oder die Woche über nach 18 Uhr um bis zu 75 Prozent zurück“, so die Nürnbergerin.
„Die verlängerten Öffnungszeiten der Discounter machen sich auch bei uns bemerkbar. Die dort zunehmend vorhandenen Backautomaten sehe ich jedoch mehr im Zusammenhang mit dem wöchentlichen Einkauf. Sie sind eher eine Konkurrenz zu den Bäckereien als zu uns“, so Kremmer. Die Wettbewerber einer Tankstelle seien schließlich sehr heterogen und reichten eben vom Aldi um die Ecke bis hin zu Getränke-Fachhandel und Bäckereien. „Unser Vorteil ist jedoch, dass wir alles aus einer Hand bieten und der Kunde neben dem Tanken ein One-stop-Shopping hat, so die Saarländerin. In der erwähnten Studie war diese Bequemlichkeit immerhin für 60 Prozent der Befragten ein Grund, in der Tankestelle einzukaufen.
Klassische Umsatzbringer und Regionales
Für die Tankstellenkunden muss der Warenmix bei dem begrenzten Sortiment absolut stimmen. Im Shop am meisten über die Theke geht – wenig verwunderlich – der Tabak. Inzwischen wird jede vierte Zigarette in Deutschland an Tankstellen verkauft. Mit dem Rückgang der Tabakautomaten und deren drohendem Verbot wird dieses Geschäft wohl noch zunehmen.
„Danach folgen bei mir Bistro und Getränke“, rechnet Nicolai in Leipzig vor. Was im Gegensatz zum Einzelhandel gut funktioniere, sind Dosen. „Die werden vor allem von Jüngeren genommen, ebenso wie Alkopops“, so der diplomierte Leichtathletik-Trainer, der seit 1992 in der Branche arbeitet. Dabei geht er auch auf Warenwünsche seiner Kunden ein, etwa bei Drogerieartikeln wie Zahnpasta oder Rasierschaum. Einmal habe er Futter für Hunde und Katzen aus seinen Regalen verbannt. Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten. Inzwischen finden die Kunden die Leckereien für Bello und Mietz wieder in seiner Station.
„Die Tankstelle profitiert vom schnellen, bequemen Einkauf. Der ist nicht mehr möglich, wenn das Sortiment mit dem Einzelhandel in Umfang und Menge übereinstimmt“ setzt auch Kremmer auf Differenzierung. Hierfür nutzt sie typische regionale Lebensmittel sowie Spirituosen saarländischer Brennereien.
Dem normalen Einzelhandel will auch Nicolai nicht nacheifern. Er lebe von seiner Stammkundschaft in einem für den Leipziger Raum sozial starken, sehr kaufkräftigen Gebiet. Dazu gehören bei ihm auch italienische Weine in der gesamten Preisspanne – passend zum Ciao-Image von Eni. Ein weiterer Umsatzbringer: Nach aktuell erfolgtem Umbau der Station wurde auch das Bistro um zahlreiche Kaffeespezialitäten und ein monatlich wechselndes Menüangebot bereichert. Die ersten Kunden seien damit sehr zufrieden.
Backshop bringt‘s
Bei allen befragten Tankstellen nimmt der Backshop eine immer größere Rolle als Umsatzbringer ein. Den bevorzugt vor allem der typische Sonntagskunde. „Morgens: Brötchen, Baguette, Bild am Sonntag und alles, was beim Wochenend-Einkauf vergessen wurde“, beschreibt Kremmer. Dabei muss sie, ähnlich wie Nicolai, gegen gleich dreier Bäcker oder Tankstellen mit Backshops in der näheren Umgebung antreten. Nicolai setzt dabei auf ein breites Sortiment von zehn verschiedenen Brötchensorten. Mehr habe ein durchschnittlicher Bäcker auch nicht. Nur Ammon hat es hier gut. An ihrem Standort gibt es, vom Bahnhof abgesehen, keinen Bäcker.
Geschrieben für Brennstoffspiegel und für diesen Blog aktualisiert. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 05/2013 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
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