Building Management Systeme als Kernkomponente eines Smart Buildings. Grafik: IGT

Anwen­dungs­fälle für Smart Building

von | 30. März 2020

Das Mün­che­ner IGT – Insti­tut für Gebäu­de­tech­no­lo­gie gibt monat­lich Tipps heraus, mit denen Mietern, Ver­wal­tern und TGA-Ver­ant­wort­li­chen die Steue­rung der Haus­tech­nik leicht gemacht werden soll. Im März nun geht es um Anwen­dungs­fälle für Smart Building.

Normale“ Raum- und Anla­gen­au­to­mation war gestern.

Zusätzlich zum effi­zi­enten Gebäu­de­be­trieb und den damit verbun­denen Ener­gie­ein­spa­rungen gewinnt ein weiterer Aspekt an Bedeutung: Mehr-​wertdienste zur Opti­mierung der Flächen­aus­lastung, prädik­tiver Wartung sowie Erhöhung der Attrak­ti­vität des Arbeits­platzes bzw. Produk­ti­vität der Mitarbeiter.

Dabei ist es in diesem Umfeld besonders wichtig, den zu erwar­tenden Vor-​teil klar zu beschreiben. Dies erfolgt über soge­nannte „use cases“ (Anwen-​dungsfälle). Durch kurze Beschrei­bungen werden diese „greifbar“ und kön-​nen in Bezug auf Sinn­haf­tigkeit und Umsetz­barkeit weiter­ver­ar­beitet wer-den.

Ein Extrakt an solchen „use cases“ ist im folgenden aufgeführt.

Wandel von der klas­si­schen Gebäu­de­au­to­mation zu Mehrwertdiensten

Für oft schon selbst­ver­ständ­liche Anwen­dungen wie Raum­tem­pe­ra­tur­re­gelung, Licht­szenen, bedarfs­ab­hängige Steuerung der Wärme- und Kälte­er­zeuger sowie Moni­toring kommen Sensoren und Aktoren zum Einsatz. Dabei ist es heut­zutage noch meist so, dass diese jeweils für eine An-​wendung verwendet werden. Präsenz­melder werden oft nur dazu verwendet, bei Abwe­senheit das Licht auszu­schalten. Dabei könnten deren Infor­ma­tionen auch für Auswer­tungen der Flächenaus-​lastung verwendet werden.

Mit etwas Zeit und Krea­ti­vität lassen sich für viele oft schon existente Kompo­nenten weitere „use cases“ finden. Oder andersrum: Viele kreative „use cases“ lassen mit schon exis­tenten Sensoren und Aktoren umsetzen.

Der Nutzen der entspre­chenden Dienste gliedert sich in unter­schied­liche Aspekte. Zum einen lassen sich Gebäude ener­gie­ef­fi­zi­enter betreiben und eine Inves­tition amor­ti­siert sich meist innerhalb von wenigen Jahren. Über Strom­ver­brauchs­werte kann auf die „Gesundheit“ von Kompo­nenten geschlossen und somit eine prädiktive Wartung zur Ausfall­re­duktion durch­ge­führt werden.

Zum anderen stellen die viele Anwen­dungs­fälle einen Mehrwert in Bezug auf die Attrak­ti­vität des Arbeits­platzes dar und sind somit ein wichtiger Aspekte bei der Mitar­bei­ter­ge­winnung bzw. –bindung. Aber auch beim exis­tenten Perso­nal­be­stand können diese Anwen­dungs­fälle zu einer höheren Mitar­bei­ter­pro­duk­ti­vität führen – ein Aspekt der monetär schwer zu bewerten ist, aber schnell eine höhere finan­zielle Auswirkung als die des ener­ge­ti­schen Einspar­po­ten­zials haben kann.

Die folgenden exem­pla­ri­schen Anwen­dungs­fälle orien­tieren sich an einer Check­liste des Institut für Gebäu­de­tech­no­logie sowie einer akade­mi­schen Abschluss­arbeit von Herrn Dominik Hüttemann an der Hoch­schule Rosenheim. Dabei wird an dieser Stelle betont, dass die folgenden Anwen­dungs­fälle lediglich ein Extrakt der Möglich­keiten „intel­li­genter“ Gebäude sind. Viele Anwen­dungs­fälle sind derzeit noch in der Entwicklung bzw. setzen sich erst langsam am Markt durch. Somit sind anschließend zumindest dieje­nigen Anwen­dungs­fälle aufge­führt, deren Nutzen schon heute greifbar und deren einfache und stabile Umsetzung schon heute technisch möglich ist.

Anwen­dungsfall
Bespre­chungs­räume können per Smart­phone dynamisch gebucht und wieder frei­ge­geben werden. Dabei kann ein vorzei­tiges Ende von Bespre­chungen erkannt werden, welches wiederum einen noch gebuchten Raum wieder freigibt. Das gemäß Raum­bu­chung anste­hende Ende eines Termins wird angezeigt.
In einem Groß­raumbüro können einzelne Arbeits­plätze gebucht werden; ebenso werden Nicht-​Belegungen erkannt und führen zur Freigabe des gebuchten Arbeitsplatzes.
Sensoren zur Erkennung von Anwe­senheit von Personen ermög­lichen Nutzungs­ana­lysen von Bespre­chungs­räumen, Erkennung von Ressourcenauslastung/​Nutzung, dem Aufzeichnen von No-​shows in Bespre­chungs­räumen, der Verwaltung von Raum­aus­las­tungen sowie der Verwaltung von z.B. Catering- Dienste.
Durch die Analyse von Auslas­tungs­mustern können Mitar­beitern bestimmte Arbeits­plätze zuge­wiesen werden. Die unge­nutzten Gebäu­de­be­reiche können anschließend in einen Ener­gie­spar­modus versetzt werden. Kosten für Heizung, Kühlung und Elek­tri­zität werden dadurch verringert.
Die Belegung im Gebäude kann graphisch über „Heat Maps” oder „Moving Trails” angezeigt werden. So kann ermittelt werden, wie viele Personen sich wo aufhalten. Das Verständnis dazu hilft bei der Flächen­planung (z.B. Raum­größen, Position von Bespre­chungs­zonen etc.).
Licht­farben können tages­ab­hängig geregelt werden, um den Biorhythmus der Mitar­beiter zu unter­stützen (Human Centric Lighting – HCL). Manuell kann dies jederzeit über­steuert werden – d.h. über Licht­sze­nen­taster oder Smart­phone können zu jeder Zeit Licht­in­ten­sität und ‑farbe verändert werden.
Mitar­beiter und Gäste können durch das Gebäude navigiert werden. Das kann genutzt werden, um schneller zu einem gewünschten Bespre­chungsraum etc. zu finden, was bei wech­selnden Stand­orten hilfreich ist. Oder es können projekt­be­zogene Teams zusam­men­ge­führt werden bzw. Stock­werke stück­weise belegt werden (um andere Teile des Gebäudes ungenutzt zu lassen und diese nicht kondi­tio­nieren zu müssen). Nutzer können Präfe­renzen eingeben (z.B. Nähe zu Trep­penhaus, Kollegen, Bespre­chungs­ecken oder barrie­re­freier Zugang).
Die Kanti­nen­aus­lastung (d.h. voraus­sicht­liche Wartezeit bei der Essens­ausgabe) wird erfasst und kann vom Arbeits­platz aus einge­sehen werden.
Die Nutzungs­in­ten­sität von Toiletten wird erfasst, um die Reini­gungs­in­ter­valle anzupassen.
Aufzüge, Kaffee­ma­schinen etc. melden Ihre Nutzungs­daten bzw. Betriebs­zu­stände, um Service­in­ter­valle anzupassen.
Sensor­daten in der Gebäu­de­technik (wie Pumpen, Kehr­ma­schinen, Heizungs­an­lagen und Aufzüge) über­wachen das Verhalten und melden Unre­gel­mä­ßig­keiten. Dadurch wird die Genau­igkeit bei der Fehler­suche verbessert und Störungs­wahr­schein­lich­keiten können vorher­gesagt werden.
Beweg­liche Gegen­stände werden überwacht und bei Änderung des Zustandes/​der Lage erkannt. Im Falle von Diebstahl kann dies direkt an das Personal des Gebäudes gemeldet werden.
Rettungs­kräfte erhalten im Fall von erfor­der­lichen Evaku­ie­rungen (z.B. Brand) die Infor­mation, wo sich noch Personen im Gebäude aufhalten.

Konse­quenz für die Planung

In Bezug auf die Planung von Gebäuden sollte man sich auf jeden Fall die möglichen Anwen-​dungsfälle vor Augen führen. Es spricht nichts dagegen, vieles davon auszu­schließen oder abzu­lehnen. Aber das sollte als bewusste Aktion erfolgen und nicht nach dem Verdrängungsprinzip.

Zudem ist es möglich, dass man nicht alles ausschließt sondern doch den Nutzen von dem einen oder anderen Anwen­dungsfall erkennt. Genau diese Anwen­dungs­fälle können dann festgeschrie-​ben und in Bezug auf Aufwand und Nutzen gegen­über­ge­stellt werden.

Trend von der GLT (Gebäu­de­leit­technik) zum BMS (Building Management System)

In Bezug auf die Umsetzung von Mehr­wert­diensten ist zu beachten, dass die eigent­liche „Intel­ligenz“ zur Umsetzung von der Auto­ma­ti­ons­ebene in die Manage­ment­ebene verlagert wird. Dass die Controller der Auto­ma­ti­ons­ebene weiter die grund­le­genden Raum- und Anlagenautomations-​funktionen umsetzen, ist absolut OK. In Bezug auf die Mehr­wert­dienste ist es aber in fast allen Fäl-​len besser, das über ein entspre­chendes BMS durchzuführen.
Welches System als BMS in Frage kommt, hängt vom Umfang und der Komple­xität der gewählten Anwen­dungs­fälle ab. Ganz allgemein sei hier aufge­führt, dass es sowohl funk­ti­ons­reiche cloudba-​sierte Lösungen als auch Software zur Instal­lation im eigenen Rechen­zentrum gibt. Das konkret geeignete System hängt somit vom indi­vi­du­ellen Projekt ab.

Fazit

Ergänzend zu „klas­si­schen“ Raum- und Anla­gen­au­to­ma­ti­ons­funk­tionen etabliert sich der Trend zu Mehr­wert­funk­tionen im Interesse von ganz­heitlich effi­zi­enter Gebäu­de­nutzung sowie Erhöhung von Arbeits­platz­at­trak­ti­vität bzw. Mitar­bei­ter­pro­duk­ti­vität. Zur Umsetzung muss ein Teil der „Intel­ligenz“ in ein über­ge­ord­netes BMS-​System verlagert werden – zur Umsetzung stehen bereits heute so-​wohl cloud­ba­sierte Systeme als auch Software für das eigene Rechen­zentrum zur Verfügung.

Mehr dazu hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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