Das Münchener IGT – Institut für Gebäudetechnologie gibt monatlich Tipps heraus, mit denen Mietern, Verwaltern und TGA-Verantwortlichen die Steuerung der Haustechnik leicht gemacht werden soll. Im März nun geht es um Anwendungsfälle für Smart Building.
„Normale“ Raum- und Anlagenautomation war gestern.
Zusätzlich zum effizienten Gebäudebetrieb und den damit verbundenen Energieeinsparungen gewinnt ein weiterer Aspekt an Bedeutung: Mehr-wertdienste zur Optimierung der Flächenauslastung, prädiktiver Wartung sowie Erhöhung der Attraktivität des Arbeitsplatzes bzw. Produktivität der Mitarbeiter.
Dabei ist es in diesem Umfeld besonders wichtig, den zu erwartenden Vor-teil klar zu beschreiben. Dies erfolgt über sogenannte „use cases“ (Anwen-dungsfälle). Durch kurze Beschreibungen werden diese „greifbar“ und kön-nen in Bezug auf Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit weiterverarbeitet wer-den.
Ein Extrakt an solchen „use cases“ ist im folgenden aufgeführt.
Wandel von der klassischen Gebäudeautomation zu Mehrwertdiensten
Für oft schon selbstverständliche Anwendungen wie Raumtemperaturregelung, Lichtszenen, bedarfsabhängige Steuerung der Wärme- und Kälteerzeuger sowie Monitoring kommen Sensoren und Aktoren zum Einsatz. Dabei ist es heutzutage noch meist so, dass diese jeweils für eine An-wendung verwendet werden. Präsenzmelder werden oft nur dazu verwendet, bei Abwesenheit das Licht auszuschalten. Dabei könnten deren Informationen auch für Auswertungen der Flächenaus-lastung verwendet werden.
Mit etwas Zeit und Kreativität lassen sich für viele oft schon existente Komponenten weitere „use cases“ finden. Oder andersrum: Viele kreative „use cases“ lassen mit schon existenten Sensoren und Aktoren umsetzen.
Der Nutzen der entsprechenden Dienste gliedert sich in unterschiedliche Aspekte. Zum einen lassen sich Gebäude energieeffizienter betreiben und eine Investition amortisiert sich meist innerhalb von wenigen Jahren. Über Stromverbrauchswerte kann auf die „Gesundheit“ von Komponenten geschlossen und somit eine prädiktive Wartung zur Ausfallreduktion durchgeführt werden.
Zum anderen stellen die viele Anwendungsfälle einen Mehrwert in Bezug auf die Attraktivität des Arbeitsplatzes dar und sind somit ein wichtiger Aspekte bei der Mitarbeitergewinnung bzw. –bindung. Aber auch beim existenten Personalbestand können diese Anwendungsfälle zu einer höheren Mitarbeiterproduktivität führen – ein Aspekt der monetär schwer zu bewerten ist, aber schnell eine höhere finanzielle Auswirkung als die des energetischen Einsparpotenzials haben kann.
Die folgenden exemplarischen Anwendungsfälle orientieren sich an einer Checkliste des Institut für Gebäudetechnologie sowie einer akademischen Abschlussarbeit von Herrn Dominik Hüttemann an der Hochschule Rosenheim. Dabei wird an dieser Stelle betont, dass die folgenden Anwendungsfälle lediglich ein Extrakt der Möglichkeiten „intelligenter“ Gebäude sind. Viele Anwendungsfälle sind derzeit noch in der Entwicklung bzw. setzen sich erst langsam am Markt durch. Somit sind anschließend zumindest diejenigen Anwendungsfälle aufgeführt, deren Nutzen schon heute greifbar und deren einfache und stabile Umsetzung schon heute technisch möglich ist.
Anwendungsfall |
Besprechungsräume können per Smartphone dynamisch gebucht und wieder freigegeben werden. Dabei kann ein vorzeitiges Ende von Besprechungen erkannt werden, welches wiederum einen noch gebuchten Raum wieder freigibt. Das gemäß Raumbuchung anstehende Ende eines Termins wird angezeigt. |
In einem Großraumbüro können einzelne Arbeitsplätze gebucht werden; ebenso werden Nicht-Belegungen erkannt und führen zur Freigabe des gebuchten Arbeitsplatzes. |
Sensoren zur Erkennung von Anwesenheit von Personen ermöglichen Nutzungsanalysen von Besprechungsräumen, Erkennung von Ressourcenauslastung/Nutzung, dem Aufzeichnen von No-shows in Besprechungsräumen, der Verwaltung von Raumauslastungen sowie der Verwaltung von z.B. Catering- Dienste. |
Durch die Analyse von Auslastungsmustern können Mitarbeitern bestimmte Arbeitsplätze zugewiesen werden. Die ungenutzten Gebäudebereiche können anschließend in einen Energiesparmodus versetzt werden. Kosten für Heizung, Kühlung und Elektrizität werden dadurch verringert. |
Die Belegung im Gebäude kann graphisch über „Heat Maps” oder „Moving Trails” angezeigt werden. So kann ermittelt werden, wie viele Personen sich wo aufhalten. Das Verständnis dazu hilft bei der Flächenplanung (z.B. Raumgrößen, Position von Besprechungszonen etc.). |
Lichtfarben können tagesabhängig geregelt werden, um den Biorhythmus der Mitarbeiter zu unterstützen (Human Centric Lighting – HCL). Manuell kann dies jederzeit übersteuert werden – d.h. über Lichtszenentaster oder Smartphone können zu jeder Zeit Lichtintensität und ‑farbe verändert werden. |
Mitarbeiter und Gäste können durch das Gebäude navigiert werden. Das kann genutzt werden, um schneller zu einem gewünschten Besprechungsraum etc. zu finden, was bei wechselnden Standorten hilfreich ist. Oder es können projektbezogene Teams zusammengeführt werden bzw. Stockwerke stückweise belegt werden (um andere Teile des Gebäudes ungenutzt zu lassen und diese nicht konditionieren zu müssen). Nutzer können Präferenzen eingeben (z.B. Nähe zu Treppenhaus, Kollegen, Besprechungsecken oder barrierefreier Zugang). |
Die Kantinenauslastung (d.h. voraussichtliche Wartezeit bei der Essensausgabe) wird erfasst und kann vom Arbeitsplatz aus eingesehen werden. |
Die Nutzungsintensität von Toiletten wird erfasst, um die Reinigungsintervalle anzupassen. |
Aufzüge, Kaffeemaschinen etc. melden Ihre Nutzungsdaten bzw. Betriebszustände, um Serviceintervalle anzupassen. |
Sensordaten in der Gebäudetechnik (wie Pumpen, Kehrmaschinen, Heizungsanlagen und Aufzüge) überwachen das Verhalten und melden Unregelmäßigkeiten. Dadurch wird die Genauigkeit bei der Fehlersuche verbessert und Störungswahrscheinlichkeiten können vorhergesagt werden. |
Bewegliche Gegenstände werden überwacht und bei Änderung des Zustandes/der Lage erkannt. Im Falle von Diebstahl kann dies direkt an das Personal des Gebäudes gemeldet werden. |
Rettungskräfte erhalten im Fall von erforderlichen Evakuierungen (z.B. Brand) die Information, wo sich noch Personen im Gebäude aufhalten. |
Konsequenz für die Planung
In Bezug auf die Planung von Gebäuden sollte man sich auf jeden Fall die möglichen Anwen-dungsfälle vor Augen führen. Es spricht nichts dagegen, vieles davon auszuschließen oder abzulehnen. Aber das sollte als bewusste Aktion erfolgen und nicht nach dem Verdrängungsprinzip.
Zudem ist es möglich, dass man nicht alles ausschließt sondern doch den Nutzen von dem einen oder anderen Anwendungsfall erkennt. Genau diese Anwendungsfälle können dann festgeschrie-ben und in Bezug auf Aufwand und Nutzen gegenübergestellt werden.
Trend von der GLT (Gebäudeleittechnik) zum BMS (Building Management System)
In Bezug auf die Umsetzung von Mehrwertdiensten ist zu beachten, dass die eigentliche „Intelligenz“ zur Umsetzung von der Automationsebene in die Managementebene verlagert wird. Dass die Controller der Automationsebene weiter die grundlegenden Raum- und Anlagenautomations-funktionen umsetzen, ist absolut OK. In Bezug auf die Mehrwertdienste ist es aber in fast allen Fäl-len besser, das über ein entsprechendes BMS durchzuführen.
Welches System als BMS in Frage kommt, hängt vom Umfang und der Komplexität der gewählten Anwendungsfälle ab. Ganz allgemein sei hier aufgeführt, dass es sowohl funktionsreiche cloudba-sierte Lösungen als auch Software zur Installation im eigenen Rechenzentrum gibt. Das konkret geeignete System hängt somit vom individuellen Projekt ab.
Fazit
Ergänzend zu „klassischen“ Raum- und Anlagenautomationsfunktionen etabliert sich der Trend zu Mehrwertfunktionen im Interesse von ganzheitlich effizienter Gebäudenutzung sowie Erhöhung von Arbeitsplatzattraktivität bzw. Mitarbeiterproduktivität. Zur Umsetzung muss ein Teil der „Intelligenz“ in ein übergeordnetes BMS-System verlagert werden – zur Umsetzung stehen bereits heute so-wohl cloudbasierte Systeme als auch Software für das eigene Rechenzentrum zur Verfügung.
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