An der EEX fallen die Großhandelspreise für Erdgas seit Mitte 2015 kontinuierlich. Foto: EEX

Warum sinkt der Gaspreis nicht

von | 13. Januar 2016

Während Heiz­öl­kunden hier­zu­lande sich über 30 Prozent weniger Kosten gegenüber dem Vorjahr freuen, gucken Gasheizer in die Röhre. Die Preise gaben gerade mal um 2 Prozent nach. Warum ist das so?

Gasheizer könnten sich ebenfalls über die gleichen Nachlässe von 30 Prozent mehr freuen. Das Vergleichs­portal Verivox hat errechnet, dass derzeit im Bundes­durch­schnitt 1.279 Euro für 20.000 kWh gezahlt werden. Die regional jeweils güns­tigsten Angebote liegen mit 886 Euro um eben jene 30 Prozent darunter. Die Frage drängt sich geradezu auf: Warum geben die meisten Erdgas­händler ihre deutlich gefal­lenen Einkaufs­kosten nicht an ihre Kunden weiter, so wie es im Heiz­öl­handel der Fall ist?

Dazu ein Blick auf die Preis­ent­wicklung an der Leipziger Ener­gie­börse EEX:

Die Differenz zwischen Oktober 2014 (H‑Gas NCG bei rund 24 Euro je MWh) und Oktober 2015 (19 Euro je MWh) beträgt über 20 Prozent. Folgendes muss jedoch beachtet werden: 20 Prozent dieses Preises werden für Netz­ent­gelte und Gastransport verbraucht, 25 Prozent machen Steuern aus und zwei Prozent werden für Messung und Abrechnung benötigt. Bleiben also etwas mehr als 50 Prozent, die preis­tech­nisch variabel sind.

Ölpreis­bindung? Von wegen.

Ein Grund, der zur Recht­fer­tigung der hohen Preise gern seitens der Versorger zitiert wird, ist die Ölpreis­bindung. Die wurde in den 70er und 80er Jahren seitens der Gaswirt­schaft in Deutschland einge­führt und koppelt die Preise für Erdgas an die Entwicklung der Ölpreise. Gas sollte damit konkur­renz­fähig zum Heizöl gemacht werden. Bisher folgten die Verbrau­cher­preise denn auch mit einer etwa halb­jähr­lichen Verspätung den Ölpreisen – entweder nach oben oder nach unten. Im Januar hatten die Heiz­öl­preise mit 53 Euro je 100 Liter und mit ihnen die Erdgas­preise mit 20 Euro je MWh bereits einen Tiefpunkt wie die Oktober-​Termine erreicht. Demnach hätten die Endver­brau­cher­preise bis Juli um eben jene 20 Prozent zurück­gehen müssen. Das taten sie aber nicht.

Ein Grund ist, dass die reine Ölpreis­bindung vom Bundes­ge­richtshof bereits 2010 untersagt wurde. Der andere liegt in der Verän­derung des Gasmarktes. Alle Import­ge­sell­schaften, also RWE, EON, Wintershall und VNG, kaufen inzwi­schen große Mengen an der EEX in Leipzig ein und beziehen sie nicht mehr direkt von den Produ­zenten, meist in Russland und Norwegen. Diese sind jedoch nach wie vor die größten Liefe­ranten für hier verbrauchtes Erdgas. Doch der Verkauf folgt immer stärker über die Börse – mit dem Effekt fallender Preise. Bei der VNG macht die Börsen-​Menge inzwi­schen 72 Prozent aus. Allein diese Markt­ent­wicklung macht das Gerede von einer Ölpreis­bindung überflüssig. 

Ein weiteres Argument ist die soge­nannte Durch­mi­schung des Preise. Die Versorger, die derzeit Erdgas anbieten, haben die Mengen tatsächlich schon vor Monaten oder Jahren einge­kauft, als die Preise tatsächlich höher lagen. So soll vor allem das eigene Risiko bei schwan­kenden, insbe­sondere nach oben stei­genden Einkaufs­preisen minimiert werden. Zwar ist dieses Argument nicht voll­kommen von der Hand zu weisen. Doch auch hier gilt, dass die Gaspreise schon seit Februar 2014 – abgesehen von einer Plateau­phase im Sommer letzten Jahres, im Sinkflug sind. Die Einspa­rungen hat es also auf jeden Fall schon seit anderthalb Jahren gegeben.

Die Verbrau­cher­zen­tralen rechnen in einer Studie wie folgt: Bei Erdgas seien nicht mal zehn Prozent der Preis­senkung an die Verbraucher weiter­geben worden. Ein Privat­haushalt mit 15.000 Kilo­watt­stunden Jahres­ver­brauch hätte beim Erdgas im Januar – hoch­ge­rechnet aus Import­preisen – eigentlich 13,80 Euro gegenüber dem Vorjah­res­monat sparen können. Tatsächlich seien es nur 1,20 Euro gewesen.

Wohin das Einge­sparte fließt

Fakt ist also, dass die Einkaufs­preise drastisch sanken, die für die Endver­braucher hingegen kaum. Wo landet nun die Differenz? Die auf Ener­gie­fragen spezia­li­sierte Wirt­schafts­be­ratung LBD errechnete aktuell eine durch­schnitt­liche Marge von 196 Euro je Kunde bei einem Jahres­ver­brauch von 20.000 kWh. Bei den errech­neten Gesamt­kosten von 1.499 Euro wären das immerhin 13 Prozent Gewinn. Dennoch: Gasan­bieter ist nicht gleich Gasan­bieter. Und nicht jeder macht die gleichen Gewinne.

Seit mehr als einem Jahr bleibt die durch­schnitt­liche Anzahl der Anbieter pro Post­leitzahl sowohl im Strom als auch im Gas unver­ändert. Markt­ein­tritte und Markt­aus­tritte halten sich die Waage oder aber es gibt keine neuen Markt­teil­nehmer. Dies könnte ein Indiz für das Erreichen einer Markt­sät­tigung sein“, konsta­tieren die LBD-Analysten. 

Zwar seien die Vertriebs­mar­gen­po­ten­ziale in der Grund­ver­sorgung mehr als attraktiv, jedoch müsse man sich in der Kunden­ge­winnung mit den Angreifern, also jenen Unter­nehmen, die neu am Markt sind, messen und diese hätten derzeit schon ohne Boni eine Marge von Nahe Null. Und als Ausblick: „Spannend bleibt, mit welcher Posi­tio­nierung, Diffe­ren­zierung und mit welchen Pricing- und Vertriebs­stra­tegien die Anbieter dem Markt nun begegnen. Eins ist sicher – Verbrau­cher­schutz und Kunden­emp­fehlung gewinnen an Bedeutung.“

Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel. Der voll­ständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 01/​2016 zu lesen. Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
Wärme­wende: Para­de­bei­spiel Dänemark

Wärme­wende: Para­de­bei­spiel Dänemark

In Dänemark werden bereits heute fast zwei Drittel der Wärme aus erneuerbaren Energien bereitgestellt. In Deutschland sind es knapp 14 %. Natürlich sind die Voraussetzungen in beiden Ländern sehr unterschiedlich. Aber es gibt Methoden und Technologien, die auch...

Rückenwind für Mieterstrom?!

Rückenwind für Mieterstrom?!

Die Energiekrise und auch zukünftig mit Sicherheit steigende Preise fossiler Brennstoffe fördern das Interesse an der Eigenversorgung von Immobilien. Denn damit können über Jahrzehnte hinweg insbesondere Strompreise stabil gestaltet werden. Photovoltaikanlagen (PV)...