Flüssiggas aus den USA könnte nach EU-Willen auch nach Europa kommen. Foto: Shell

Faktoren, die aktuell den Gaspreis prägen

von | 3. Juli 2014

Immer mehr Mine­ral­öl­händler setzen auf den Vertrieb von Gas und Strom. Der Markt ist nicht nur dadurch hart umkämpft. Umso wichtiger für Neuein­steiger wie Etablierte ist es, die wesent­lichen Preis­fak­toren zu kennen. Nur anhand derer kann man die Preis­ent­wicklung für das kommende Jahr einschätzen. Zumindest für den Rest des Jahres 2014 erwarten sowohl Händler als auch Endkunden weit­gehend stabile Preise.

Im Gegensatz zu Heizöl, Flüs­siggas und Pellets ist Erdgas, verglichen mit den letzten vier Jahren, erstaunlich preis­stabil. Die Teuerung betrug hier gerade mal 13,2 Prozent und liegt damit nur knapp über der Inflation. Zum Vergleich: Heizöl legte im gleichen Zeitraum um 32,3 Prozent zu, Pellets um 24,2 Prozent und Wärme­strom sogar um 46,0 Prozent.*

Auch für 2014 ist eine gewisse Stabi­lität zu erwarten. Das hat gleich mehrere Gründe. Der wich­tigste liegt in den in Leipzig gehan­delten Gasbör­sen­preisen. Hier decken sich nicht nur junge Gaslie­fe­ranten wie goldgas oder glücksgas ein, sondern zunehmend auch etablierte Versorger. So bezieht der Erdgas-​Großimporteur VNG aus Leipzig 2013 rund 60 Prozent seines Gases von der Börse – ein Anteil, den früher allein russische Liefe­rungen ausmachten.

Langsamer Abschied von der Ölpreisbindung

Bei den Russen liegt letztlich auch der Grund für die derzeit eher stabilen Preise für Erdgas in Deutschland. Der nach wie vor größte Gasex­porteur für hiesige Gefilde ließ in den letzten beiden Jahren viele Federn. Ursprünglich waren die Preise für russi­sches Gas, das meist und bis letztes Jahr ausschließlich vom größten Gaskonzern der Welt, Gazprom, kam, an den Ölpreis gekoppelt. Die aus den 70er Jahren stammende Regelung bewährte sich, solange es keine anderen Akteure am Markt gab.

Die tauchten jedoch mit der Frack­ing­tech­no­logie seit gut fünf Jahren auf. Insbe­sondere die USA kann sich seitdem gut selbst mit Erdgas versorgen. Die bis dahin dort benö­tigten Mengen, die vor allem von Katar und Algerien gedeckt wurde, kommen nun nach Asien und Europa. Das wiederum macht den russi­schen Preisen Druck, herrscht hier doch nun ein Über­an­gebot vor, mit denen sich die hohen Preise für Gas jenseits des Ural kaum mehr recht­fer­tigen lassen. An diesem Trend wird sich so schnell nichts ändern. „Auf die Erschließung neuer Vorräte zu verzichten hieße, Versor­gungs­eng­pässe, große Preis­tur­bu­lenzen und Wirt­schafts­krisen herauf­zu­be­schwören“, so Shell-​Chef Peter Voser bei einem Gespräch mit der Noten­stein Privatbank in St. Gallen. Seine Firma fördert inzwi­schen mehr Gas als Öl. BP-​Chef Robert Dudley kündigte für seinen Konzern ebenso erhöhte Gasin­ves­ti­tionen an. Das alles wird für ein auskömm­liches bis über­reiches Angebot und damit vor allem für günstiges Börsengas sorgen.

Börsen­preise moderat

Ganz konkret: Während an der Leipziger Ener­gie­börse EEX sehr moderate Preise gehandelt werden, liegen die Gazprom-​Preise aus den Langfrist-​Verträgen deutlich darüber. Der Konzern rechnet für 2013 mit 46,28 Dollar je MWh – das sind 21 Prozent mehr als an der EEX. Ergebnis: Gazprom räumte allen vier großen deutschen Erdgas-​Importeuren (E.ON – vormals ruhrgas – , RWE, VNG und Wintershall) Rabatte ein, damit das Gas überhaupt noch verkäuflich war. E.ON und RWE gingen vor ein Schieds­ge­richt. VNG verhan­delte hart. Wingas kam als einziges Unter­nehmen aus dem Quartett halbwegs unge­schoren und ohne Strei­tig­keiten davon –wenig verwun­derlich bei der Nähe zum Putin-​Reich. Denn die bisherige 50%ige Tochter von Gazprom wird von diesen ab 2014 komplett einverleibt.

Einspei­se­punkte wichtig

Neben dieser finan­zi­ellen Groß­wet­terlage ist für den Gaspreis – übrigens anders als beim Öl – eine regionale Verfüg­barkeit besonders wichtig. Die entsteht an den Einspei­se­punkten. Diese wiederum sind zu drei Markt­ge­bieten zusam­men­ge­fasst. NetConnect Germany (NCG), deckt im Großen und Ganzen Süd- und West­deutschland ab, Gaspool versorgt Ost- und Nord­deutschland sowie das nieder­län­dische TTF. Das letzt­ge­nannte ist insbe­sondere für die erwähnten Gasmengen aus Algerien und teils Katar wichtig, die via Rotterdam in den deutschen Markt strömen. In NCG und Gaspool fließt auch die nicht uner­heb­liche deutsche Eigen­för­derung, die immerhin 12 Prozent des hiesigen Gasbe­darfs deckt.

Diese nur virtuell exis­tie­renden Märkte verfügen über Leitungen und Einspei­se­punkte der verschie­densten Anbieter, die mitein­ander verbunden sind. Deswegen kann nur hier aufgrund der Verfüg­barkeit und der Nachfrage ein Preis ermittelt werden.

Preis­be­stimmend sind sowohl die Mengen seitens der Anbieter von verflüs­sigtem Erdgas als auch der etablierten Expor­teure nach Deutschland, allen voran Statoil undGazprom. Auch diese verkaufen ihr Gas via die drei Markt­ge­biete und die Leipziger EEX – insbe­sondere Über­mengen sowie Gas aus Take-​or-​pay-​Verträgen, denen wiederum die Ölpreis­bindung zugrunde liegt. Dies betrifft Gasmengen, die bereits via Lang­frist­vertrag gehandelt, vom Besteller aber nicht abge­nommen wurden. Da bereits ganz oder teilweise bezahlt, kann dieses Gas ebenfalls günstig angeboten werden.

Kunden sind vor allem Groß­ab­nehmer wie Stadt­werke oder Indus­trie­firmen mit erheb­lichen Ener­gie­bedarf. Jedes Markt­gebiet bildet dabei einheit­liche Preise sowohl für das Erdgas (eben jener an der EEX ermit­telte) als auch für die Netzgebühren.

Kein Preis­verfall wie in den USA

Die derzeitige Situation führt in Europa zu einer Über­ver­sorgung. Diese kann nur durch eine größere Nachfrage insbe­sondere bei der Strom­erzeugung durch Erdgas abge­schöpft werden „Gas ist bei der Strom­ge­winnung deutlich klima­freund­licher als Kohle und kann auch im Trans­port­be­reich zusätz­liche Verwendung finden“, skizziert Voser künftige neue Märkte. In Deutschland ist das jedoch Zukunfts­musik, da sich hier aufgrund der Preis­struktur die Verstromung von Gas nicht lohnt

Einen Preis­verfall wie in den USA, wo Gas derzeit nur noch etwa 35 Prozent dessen kostet, was noch 2009 verlangt wurde, ist dennoch nicht zu erwarten. Dafür steht zum einen Asien, das einen Großteil der über­schüs­sigen Mengen aus Algerien und Katar aufnimmt (und so für die Hersteller bessere Preise zu erzielen sind), als auch die immer noch recht hohen Preise für norwe­gi­sches und russi­sches Erdgas, das zwar seine markt­be­stim­mende Bedeutung immer mehr verliert, aber eben nicht jetzt und heute. In diesem Span­nungsfeld wird der Gaspreis hier­zu­lande stabil bleiben. Das denken auch die Händler an der EEX. Kostete Mitte Dezember 2013 dort die Mega­watt­stunde Gas im Durch­schnitt 27,55 Euro, so liegen die Futures für das kommende Jahr gut 1,2 Cent darunter.

Ein weiteres Indiz für die Preis­sta­bi­lität: Im Vertrieb ist beim Gas derzeit für die Groß­kon­zerne nicht viel zu gewinnen. „Die Produ­zenten verkaufen künftig direkt in die Märkte“, so Wintershall-​Vorstandschef Rainer Seele. Und: „Die Marge wandert zum Bohrloch.“

Was bedeutet das für Energiehändler

Ener­gie­händler, die auch Erdgas in ihr Portfolio aufnehmen möchten, können also von einem recht stabilen Preis zumindest mittel­fristig ausgehen. Das wiederum schafft mehr Planungs­si­cherheit, da ein Preis­verfall auch die Margen ruinieren würde. Sehr wichtig in diesem Zusam­menhang ist es, sich vom Wett­bewerb abzu­setzen. In jeder Gegend Deutsch­lands kann ein Kunde unter mehreren, zum Teil bis zu 60 Anbietern wählen. Gas ist ebenso generisch wie Heizöl. Mit Service kann man also nur bedingt punkten. Lukrativ wäre es, regionale Groß­kunden zu gewinnen. Zu denen zählen auch Kirchen, Schulen und andere öffent­liche Einrich­tungen. Hier kann man die zu erwar­tende, stabile Marge mit regio­naler Nähe verknüpfen. Brenn­stoff­spiegel wird in einer seiner nächsten Ausgaben dazu mehrere Projekte vorstellen.

* Oktober 2009 bis Oktober 2013. Der Zeitraum wurde gewählt, weil der 5‑Jahres-​Vergleich in das Rekordjahr 2008 mit seinen Rekord-​Preisen quer durch alle Ener­gie­träger gegangen wäre. Dies hätte eine realis­tische Einschätzung unmöglich gemacht. Daten nach den monat­lichen Erhe­bungen des Ener­gie­markt­trends des Fach­ma­gazins Brennstoffspiegel.

Titelfoto: Shell

Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel.

Der komplette Beitrag ist nur in der Print­ausgabe zu lesen.

Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Der Smart Meter Rollout soll helfen Strom zu sparen und Lasten zu kappen. Das könnte Mietern und Verwaltern deutliche finanzielle Vorteile bringen. Doch der Ausbau geht nur schleppend voran. Zudem wären bei einer Einbindung der Wärmeversorgung in den Rollout die...