Immer mehr Mineralölhändler setzen auf den Vertrieb von Gas und Strom. Der Markt ist nicht nur dadurch hart umkämpft. Umso wichtiger für Neueinsteiger wie Etablierte ist es, die wesentlichen Preisfaktoren zu kennen. Nur anhand derer kann man die Preisentwicklung für das kommende Jahr einschätzen. Zumindest für den Rest des Jahres 2014 erwarten sowohl Händler als auch Endkunden weitgehend stabile Preise.
Im Gegensatz zu Heizöl, Flüssiggas und Pellets ist Erdgas, verglichen mit den letzten vier Jahren, erstaunlich preisstabil. Die Teuerung betrug hier gerade mal 13,2 Prozent und liegt damit nur knapp über der Inflation. Zum Vergleich: Heizöl legte im gleichen Zeitraum um 32,3 Prozent zu, Pellets um 24,2 Prozent und Wärmestrom sogar um 46,0 Prozent.*
Auch für 2014 ist eine gewisse Stabilität zu erwarten. Das hat gleich mehrere Gründe. Der wichtigste liegt in den in Leipzig gehandelten Gasbörsenpreisen. Hier decken sich nicht nur junge Gaslieferanten wie goldgas oder glücksgas ein, sondern zunehmend auch etablierte Versorger. So bezieht der Erdgas-Großimporteur VNG aus Leipzig 2013 rund 60 Prozent seines Gases von der Börse – ein Anteil, den früher allein russische Lieferungen ausmachten.
Langsamer Abschied von der Ölpreisbindung
Bei den Russen liegt letztlich auch der Grund für die derzeit eher stabilen Preise für Erdgas in Deutschland. Der nach wie vor größte Gasexporteur für hiesige Gefilde ließ in den letzten beiden Jahren viele Federn. Ursprünglich waren die Preise für russisches Gas, das meist und bis letztes Jahr ausschließlich vom größten Gaskonzern der Welt, Gazprom, kam, an den Ölpreis gekoppelt. Die aus den 70er Jahren stammende Regelung bewährte sich, solange es keine anderen Akteure am Markt gab.
Die tauchten jedoch mit der Frackingtechnologie seit gut fünf Jahren auf. Insbesondere die USA kann sich seitdem gut selbst mit Erdgas versorgen. Die bis dahin dort benötigten Mengen, die vor allem von Katar und Algerien gedeckt wurde, kommen nun nach Asien und Europa. Das wiederum macht den russischen Preisen Druck, herrscht hier doch nun ein Überangebot vor, mit denen sich die hohen Preise für Gas jenseits des Ural kaum mehr rechtfertigen lassen. An diesem Trend wird sich so schnell nichts ändern. „Auf die Erschließung neuer Vorräte zu verzichten hieße, Versorgungsengpässe, große Preisturbulenzen und Wirtschaftskrisen heraufzubeschwören“, so Shell-Chef Peter Voser bei einem Gespräch mit der Notenstein Privatbank in St. Gallen. Seine Firma fördert inzwischen mehr Gas als Öl. BP-Chef Robert Dudley kündigte für seinen Konzern ebenso erhöhte Gasinvestitionen an. Das alles wird für ein auskömmliches bis überreiches Angebot und damit vor allem für günstiges Börsengas sorgen.
Börsenpreise moderat
Ganz konkret: Während an der Leipziger Energiebörse EEX sehr moderate Preise gehandelt werden, liegen die Gazprom-Preise aus den Langfrist-Verträgen deutlich darüber. Der Konzern rechnet für 2013 mit 46,28 Dollar je MWh – das sind 21 Prozent mehr als an der EEX. Ergebnis: Gazprom räumte allen vier großen deutschen Erdgas-Importeuren (E.ON – vormals ruhrgas – , RWE, VNG und Wintershall) Rabatte ein, damit das Gas überhaupt noch verkäuflich war. E.ON und RWE gingen vor ein Schiedsgericht. VNG verhandelte hart. Wingas kam als einziges Unternehmen aus dem Quartett halbwegs ungeschoren und ohne Streitigkeiten davon –wenig verwunderlich bei der Nähe zum Putin-Reich. Denn die bisherige 50%ige Tochter von Gazprom wird von diesen ab 2014 komplett einverleibt.
Einspeisepunkte wichtig
Neben dieser finanziellen Großwetterlage ist für den Gaspreis – übrigens anders als beim Öl – eine regionale Verfügbarkeit besonders wichtig. Die entsteht an den Einspeisepunkten. Diese wiederum sind zu drei Marktgebieten zusammengefasst. NetConnect Germany (NCG), deckt im Großen und Ganzen Süd- und Westdeutschland ab, Gaspool versorgt Ost- und Norddeutschland sowie das niederländische TTF. Das letztgenannte ist insbesondere für die erwähnten Gasmengen aus Algerien und teils Katar wichtig, die via Rotterdam in den deutschen Markt strömen. In NCG und Gaspool fließt auch die nicht unerhebliche deutsche Eigenförderung, die immerhin 12 Prozent des hiesigen Gasbedarfs deckt.
Diese nur virtuell existierenden Märkte verfügen über Leitungen und Einspeisepunkte der verschiedensten Anbieter, die miteinander verbunden sind. Deswegen kann nur hier aufgrund der Verfügbarkeit und der Nachfrage ein Preis ermittelt werden.
Preisbestimmend sind sowohl die Mengen seitens der Anbieter von verflüssigtem Erdgas als auch der etablierten Exporteure nach Deutschland, allen voran Statoil undGazprom. Auch diese verkaufen ihr Gas via die drei Marktgebiete und die Leipziger EEX – insbesondere Übermengen sowie Gas aus Take-or-pay-Verträgen, denen wiederum die Ölpreisbindung zugrunde liegt. Dies betrifft Gasmengen, die bereits via Langfristvertrag gehandelt, vom Besteller aber nicht abgenommen wurden. Da bereits ganz oder teilweise bezahlt, kann dieses Gas ebenfalls günstig angeboten werden.
Kunden sind vor allem Großabnehmer wie Stadtwerke oder Industriefirmen mit erheblichen Energiebedarf. Jedes Marktgebiet bildet dabei einheitliche Preise sowohl für das Erdgas (eben jener an der EEX ermittelte) als auch für die Netzgebühren.
Kein Preisverfall wie in den USA
Die derzeitige Situation führt in Europa zu einer Überversorgung. Diese kann nur durch eine größere Nachfrage insbesondere bei der Stromerzeugung durch Erdgas abgeschöpft werden „Gas ist bei der Stromgewinnung deutlich klimafreundlicher als Kohle und kann auch im Transportbereich zusätzliche Verwendung finden“, skizziert Voser künftige neue Märkte. In Deutschland ist das jedoch Zukunftsmusik, da sich hier aufgrund der Preisstruktur die Verstromung von Gas nicht lohnt
Einen Preisverfall wie in den USA, wo Gas derzeit nur noch etwa 35 Prozent dessen kostet, was noch 2009 verlangt wurde, ist dennoch nicht zu erwarten. Dafür steht zum einen Asien, das einen Großteil der überschüssigen Mengen aus Algerien und Katar aufnimmt (und so für die Hersteller bessere Preise zu erzielen sind), als auch die immer noch recht hohen Preise für norwegisches und russisches Erdgas, das zwar seine marktbestimmende Bedeutung immer mehr verliert, aber eben nicht jetzt und heute. In diesem Spannungsfeld wird der Gaspreis hierzulande stabil bleiben. Das denken auch die Händler an der EEX. Kostete Mitte Dezember 2013 dort die Megawattstunde Gas im Durchschnitt 27,55 Euro, so liegen die Futures für das kommende Jahr gut 1,2 Cent darunter.
Ein weiteres Indiz für die Preisstabilität: Im Vertrieb ist beim Gas derzeit für die Großkonzerne nicht viel zu gewinnen. „Die Produzenten verkaufen künftig direkt in die Märkte“, so Wintershall-Vorstandschef Rainer Seele. Und: „Die Marge wandert zum Bohrloch.“
Was bedeutet das für Energiehändler
Energiehändler, die auch Erdgas in ihr Portfolio aufnehmen möchten, können also von einem recht stabilen Preis zumindest mittelfristig ausgehen. Das wiederum schafft mehr Planungssicherheit, da ein Preisverfall auch die Margen ruinieren würde. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist es, sich vom Wettbewerb abzusetzen. In jeder Gegend Deutschlands kann ein Kunde unter mehreren, zum Teil bis zu 60 Anbietern wählen. Gas ist ebenso generisch wie Heizöl. Mit Service kann man also nur bedingt punkten. Lukrativ wäre es, regionale Großkunden zu gewinnen. Zu denen zählen auch Kirchen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen. Hier kann man die zu erwartende, stabile Marge mit regionaler Nähe verknüpfen. Brennstoffspiegel wird in einer seiner nächsten Ausgaben dazu mehrere Projekte vorstellen.
* Oktober 2009 bis Oktober 2013. Der Zeitraum wurde gewählt, weil der 5‑Jahres-Vergleich in das Rekordjahr 2008 mit seinen Rekord-Preisen quer durch alle Energieträger gegangen wäre. Dies hätte eine realistische Einschätzung unmöglich gemacht. Daten nach den monatlichen Erhebungen des Energiemarkttrends des Fachmagazins Brennstoffspiegel.
Titelfoto: Shell
Geschrieben für Brennstoffspiegel.
Der komplette Beitrag ist nur in der Printausgabe zu lesen.
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