Ener­gie­markt Frank­reich: Atom­strom­heizer und Dieselfahrer

von | 6. Januar 2016

Wo der Bauer mit Heizöl über den Acker düsen konnte, liegt unser größtes Nach­barland. Der fran­zö­sische Brenn- und Treib­stoff­markt hat etliches Skurrile zu bieten. Doch die rück­läufige Tendenz im Heiz­öl­handel hat die Heimat von Gitanes und Zidane mit uns gemein.

Nur jeder Sechste heizt mit Öl

Der signi­fi­kan­teste Unter­schied zwischen dem fran­zö­si­schen und dem deutschen Wärme­markt liegt im Ener­gie­trä­germix. In beiden Ländern ist Erdgas zwar der belieb­teste Brenn­stoff, doch Heizöl verbrennt statis­tisch gesehen nur jeder sechste Bewohner unseres größten Nach­bar­landes. Hier­zu­lande ist es fast jeder Dritte. Diese Rolle nimmt in Frank­reich der Strom ein. 32 Prozent der Franzosen heizen damit – eine Errun­gen­schaft eines Strom­mixes, der 80 Prozent aus billig produ­zie­renden Atom­meilern bezieht. Zum Vergleich: Hier­zu­lande heizen gerade einmal 4 Prozent der Bevöl­kerung mit Elektrizität.

Auch bei den Bestell­mengen hinken die Franzosen hinterher. Während zwischen Rhein und Oder durch­schnitt­liche Bestell­menge 2000 bis 2500 Liter beträgt, sind es zwischen Atlantik und Rhein lediglich 1300 bis 1800 Liter. Franzosen sind dabei keineswegs sparsamer oder umwelt­be­wusster. Sie haben einfach kleinere Wohnungen, und zwar 110 Quadrat­meter (gegenüber 140 Quadrat­metern in Deutschland). 

Dies ist einer der Gründe, warum in Frank­reich immer weniger Heizöl verkauft wird. 2010 waren es 12,8 Millionen Tonnen – rund 6 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Und rund 3 Millionen Tonnen oder 21 Prozent weniger als noch 10 Jahre zuvor. „Das alles führt über kurz oder lang dazu, dass sich die Zahl der Heiz­öl­händler bei uns in den nächsten 10 Jahren halbieren wird“, schätzt Elisabeth Charrier vom Fran­zö­si­schen Verband für Brenn­stoffe, Treib­stoffe und Heizung (FF3C), der rund 1.800 Firmen vertritt.

Bis Mai 2011 durften die Bauern Heizöl in Traktoren und andere Land­ma­schinen kippen und damit auf dem Acker rumkurven. Damit ist Schluss. Der Gesetz­geber sorgte aller­dings für einen Ersatz, den soge­nannten Off-​Road-​Diesel, der die bisher gängige Praxis ersetzen soll. Er ist steu­er­be­günstigt, aller­dings etwas teurer als das deutlich weniger besteuerte Heizöl, das man übrigens auch an Tank­stellen im eigenen Kanister zapfen kann. 

Apropos Steuern: Die Mehr­wert­steuer liegt in Frank­reich um 1 Prozent über der in Deutschland. Zudem wird eine Verbrauchs­steuer je Kubik­meter fällig, und zwar in Höhe von 21,90 Euro. Ebenso wie in Deutschland gibt es eine Abgabe für die staat­liche Reserve für Krisen­zeiten in Höhe von 0,3 Cent je Liter HEL. Fällig ist zudem eine CO2-Abgabe auf Heizöl – und zwar seit 2016 in Höhe von 22 Euro je Tonne CO2.

Noch eine Beson­derheit: „Es gibt bei uns ein spezi­elles Ener­gie­ein­spa­rung­pro­gramm, das Certi­ficat d’Eco­nomies d’Energies“, so Charrier. „Die Ener­gie­lie­fe­ranten müssen jedem Ener­gie­be­nutzer helfen, Energie zu sparen, indem sie etwa raten, die Heiz­kessel zu moder­ni­sieren.“ Für alles gebe es einen kWh-​Wert. Erfülle zum Beispiel ein Heizöl­lie­ferant dieses Programm nicht, muss er eine Straf­steuer von 0,24 Euro je Liter zahlen. Erinnern tut das ein wenig an die neue Dienst­leis­tungs­richt­linie in Deutschland.

Diesel dominiert bei Treibstoffen

Eine Tendenz, die sich auch bei uns schon seit einigen Jahren abzeichnet, hat in Frank­reich schon längst den Durch­bruch geschafft: Diesel ist der alles bestim­mende Kraft­stoff – VW-​Krise hin oder her. Davon wurden 2010 immerhin 33,6 Millionen Tonnen verkauft, 2 Prozent mehr als im Jahr zuvor und satte 23 Prozent über dem Niveau zur Jahr­tau­send­wende. Rund 5 Millionen Tonnen davon werden übrigens vom dortigen Heiz­öl­mit­tel­stand trans­por­tiert und vertrieben.

Alle Benzin­sorten zusammen bringen es hingegen nur auf magere 8,2 Millionen Tonnen. Tendenz: sinkend, und zwar um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 24 Prozent weniger als im Jahr 2000. Darunter befindet sich übrigens auch E10 mit rund 1 Million Tonnen, dessen Einführung dort übrigens geräuschlos verlief. Zum besseren Verständnis der Absatz­zahlen: von 2000 bis 2010 stieg der Anteil der Fahrzeuge in Frank­reich um gut 6 Prozent auf heute über 31 Millionen Kfz an.

Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel und aktua­li­siert für diesen Blog. Der voll­ständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 08/​2011 zu lesen. Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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