Urlaubszeit – Archivzeit
Wenn der Diesel im Winter stottert, denkt mancher wehmütig an alte Zeiten zurück: Einen Schuss Benzin in den Tank und weiter geht’s! Moderne Hochleistungsmotoren spielen da jedoch nicht mit. Umgekehrt gilt das Gleiche. Doch wie gefährlich eine Vermischung von Benzin und Diesel tatsächlich?
Die Situation ist vielen Tankwarten wohlbekannt und kommt häufiger vor, als man vermutet: Ein Kunde (und es muss keine Kundin sein) merkt an der Zapfsäule, oder erst an der Kasse beim Bezahlen, dass er den falschen Sprit getankt hat. An dieser Stelle ist guter Rat noch nicht ganz so teuer (siehe unten). Böse wird es erst, wenn das Auto mit dem falschen Treibstoff mehrere Kilometer unterwegs ist. Sofern das überhaupt geht.
Doch warum ist die Vermischung von Diesel und Benzin im Tank so verheerend? Früher war doch zumindest im Winter die geringe Beimischung von Benzin ein probates Mittel, um seinen Diesel am Laufen zu halten.
Oktan gegen Cetan
Entscheidend für die drohenden Schäden sind die unterschiedlichen Verbrennungs-Eigenschaften. Deswegen ein kurzer Exkurs in die Zusammensetzung der beiden Kraftstoffsorten.
Bei Benzin dreht sich alles um die Oktan-Zahl, beim Diesel um deren Pendant Cetan. Ihren Namen haben sie von den Kohlenwasserstoffverbindungen, die im jeweiligen Kraftstoff vorherrschen (mindestens acht Kohlenstoffatome je Molekül für Oktan, sechzehn für Cetan). Sie geben beim Dieselkraftstoff die Zündwilligkeit an. Zudem beschreiben sie die Klopffestigkeit bei Ottokraftstoffen. Je höher diese ist, umso weniger unkontrollierte Zündvorgänge gibt es.
Für Diesel ist laut DIN-Norm 590 mindestens eine Cetanzahl von 51 vorgeschrieben. Diese Zahl definiert den Anteil von Cetanverbindungen im Dieselgemisch in Volumenprozenten). Fällt der Cetananteil höher aus, verringert sich der Zündverzug, also die Zeit zwischen dem Beginn der Einspritzung und der Zündung. High-Performance-Diesel werden aus diesem Zweck additiviert und erreichen bis 56 Cetan. Deutsche Motorenhersteller streben sogar 58 Cetan an. Eine Vermischung mit Benzin würde diese so mühsam erreichten Effekte komplett neutralisieren, bei normalem Diesel sogar für Fehlverbrennungen, Leistungsabfall und Mehrverbrauch sorgen.
Gleiches gilt für Ottokraftstoff. Hier ist schon an den Kraftstoffsorten entsprechend der DIN-Norm 228 die Oktanzahl zu erkennen. 91er Benzin ist die kaum noch gehandelte Normalvariante, 95er entspricht E10 und dem normalen Super, hinter dem sich ein E5 verbirgt. Dabei sorgt allein schon der Ethanolanteil für eine höhere Oktanzahl. Die wiederum gleicht den durch die geringere Energiedichte bedingten Mehrverbrauch durch bessere Verbrennungseigenschaften teilweise aus. Und 98er ist Superplus. …
Je höher Cetan- und Oktananteil, umso besser, sprich leistungsfähiger sind Treibstoff und Motor. Werden Diesel und Benzin vermischt, bewirken sie beim Gegenüber das Gegenteil, sprich: Diesel setzt die Oktanzahl im Benzin herab und Benzin im Diesel senkt dessen Cetanzahl.
Bei einer Vermischung direkt an der Zapfsäule werden in der Regel sehr hohe Anteile am falschen Kraftstoff erreicht. Sollte ein Anfahren glücken, drohen schwerste Motorschäden. Bei Dieselfahrzeugen mit Common-Rail-Pumpe oder einem Pumpe-Düse-Triebwerk werden diese nicht ausreichend geschmiert. Bei Vermischungsgrad von nur fünf Prozent sind schon schwerwiegende Schäden an diesen Hochdruckeinspritzanlagen möglich. Und das könnte letztlich zur totalen Zerstörung des Motors führen. Alte Diesel hingegen, etwa die kaum noch zu sehenden Golf I und II, vertragen bis zu 30 Prozent Anteil an Ottokraftstoffen.
Im umgekehrten Fall reichen ebenfalls fünf Prozent Diesel-Beimischung aus, um den Katalysator und auch den Benzin-Motor in Mitleidenschaft zu ziehen.
Vermischung schon in der Lieferkette?
Durch umfangreiche Qualitätssicherungsmaßnahmen wird verhindert, dass es durch Restmengen von Vorladungen in Eisenbahnkesselwagen, Schiffen oder Straßentankfahrzeugen zu Qualitätsminderungen der einzelnen Produkte kommt. So gibt es z.B. für den Transport per Bahn und Schiff umfangreiche Vorladungslisten, in denen Maßnahmen bei Produktwechsel beschrieben sind.
Dabei ist zu beachten, dass schon ein Prozent Otto- im Dieselkraftstoff dessen Flammpunkt um ca. 20 Grad senkt. In der Lieferantenkette kann man zumindest in Deutschland Vermischungen in die Motoren gefährdender Höhe ausschließen. Und das Dank des umfangreichen Qualitätsmanagements und der zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen bis hin zur Selbsterkennung des Tkw-Schlauches beim Befüllen eines Tankstellen-Tanks.
Tipp: Wenn ein Kunden rechtzeitigt bemerkt, dass er falsch getankt hat, sollte der Tankwart ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Falls er eine Werkstatt führt, über geeignete Abpumptechnik verfügt und in der Lage ist, die Kraftstoffleitungen zu säubern, kann er schnell helfen. Ansonsten sollte man die Gelben Engel rufen. Das abgepumpte Gemisch ist auf jeden Fall als Gefahrgut zu behandeln und entsprechend zu entsorgen.
Was tun, wenn versehentlich Diesel in einen Benziner getankt wurde?
- Tank entleeren
- Zündkerze säubern
- Auswechseln des Motorenöls
- Reinigen des gesamten Kraftstoffsystems
Was tun, wenn Benzin in einen Dieseltank gerät?
- Nicht starten! Sofort Kraftstoffsystem entleeren und reinigen!
Was tun, wenn man versehentlich E85 in einen „normalen“ Benziner tankt?
- Durch die geringere Energiedichte von bis zu 40 Prozent könnten moderne Otto-Motoren zu mager laufen und dabei Schaden nehmen.
- Bei mehr als 10 Prozent sollte man den Tank komplett entleeren.
Geschrieben für Brennstoffspiegel und aktualisiert für diesen Blog. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 03/2013 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
Vorschaubild: Wird häufiger verwechselt als man denkt: Zapfpistolen von Diesel- und Ottokraftstoff. Foto: Urbansky
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