Spannend wie ein Krimi: Schweizer als weltweite Ölhändler Nr. 1

von | 11. Mai 2017

Urlaubszeit – Archivzeit

Wenn man vom Ölhandel spricht, denkt man in erster Linie an die New Yorker NYMEX oder die Londoner ICE. Den male­ri­schen Genfer See hat dabei fast niemand vor Augen. Dabei wird dort jedes dritte Fass Rohöl gehandelt, das irgend wo auf der Welt gefördert wird – deutlich mehr als in den genannten Finanz­me­tro­polen, deutlich mehr auch als in jeder anderen Region dieser Welt.

Dabei ist die Schweiz nicht gerade präde­sti­niert für Rohöl. Weder gibt es Vorkommen noch verfügt das Land über größere Raffi­nerien. So sieht der übergroße Teil der gehan­delten Barrels niemals die Eidge­nos­sen­schaft. Vielmehr wird von hier aus ein feines Netz gesponnen von den Produ­zente hin zu den Verbrau­chern. Das Netz wird durch den Handel gehalten. Die Schweizer Unter­nehmen sind denn auch vor allem Logis­tiker. Doch einige von ihnen reden bei der gesamten Wert­schöp­fungs­kette Up- und Down­stream ein entschei­dendes Wörtchen mit.

Wie es zu dieser Erfolgs­ge­schichte kam, die der eh schon sehr wohl­ha­benden Schweiz Prospe­rität bringt, jedoch Armut in den Förder­ländern zemen­tiert, beschreibt das Buch „Rohstoff – Das gefähr­liche Geschäft der Schweiz“. Heraus­ge­geben wurde es von der Nicht-​Regierungs-​Organisation „Erklärung von Bern“, deren inzwi­schen 20.000 Mitglieder sich seit 1968 für eine gerechte Globa­li­sierung einsetzen und die heimische Bevöl­kerung über das Treiben der Rohstoff­gi­ganten aufklären. Denn deren Geschäft ist ein verschwiegenes.

Und so sind die Großen der Branche, die allesamt in den Top Ten der größten Rohstoff­händler weltweit als auch der größten schwei­ze­ri­schen Firmen zu finden sind, denn auch nur Insidern bekannt, allen voran Vitol, Glencore oder Trafigura. Deren zum Teil erst wenige Jahre andau­ernder Aufstieg an die Welt­spitze wird in dem Buch spannend erzählt wie ein Krimi. Erstaunlich dabei: Es genügt wissen­schaft­lichen Standards und hält sich an die Fakten, die in über­sicht­lichen Grafiken gut doku­men­tiert sind.

Der Rich-​Boy

Da ist zum Beispiel die Geschichte von Marc Rich. Der begann einst als Rohstoff-​Trader beim Tradi­ti­onshaus Phibro, gründete in jungen Jahren sein eigenes, nach ihm benanntes Unter­nehmen und fädelte schon Ende der 70er Jahre des vergan­genen Jahr­hun­derts mit den Mullahs in Teheran erste Öldeals ein. Das Dumme daran: Rich war Ameri­kaner. Und seine Lands­leute sahen das nicht gern. Fortan wurde Rich mit inter­na­tio­nalem Haft­befehl gesucht. Gut, dass er sein Domizil in der Schweiz hatte. Hier wurde nicht so genau hinge­schaut und schon gar nicht ausge­liefert. Erst US-​Präsident Bill Clinton hob an seinem letzten Amtstag den Haft­befehl gegen Rich auf. Doch da war sein Stern, auch wenn inzwi­schen milli­ar­den­schwer, längst gesunken. Andere Manager drängten ihn aus der eigenen Firma, die sie von nun an Glencore nannten – und die der heute der welt­größte Rohstoff­händler ist. Alles, was an den einstigen Gründer erinnerte, wurde getilgt.

Verschwie­genheit ist Trumpf

Richs Erfolg ist die Blaupause auch für andere Handels­häuser, die sich aus eben jenen Gründen in der Schweiz ansie­delten: günstige Steuern, Bank­ge­heimnis, gut geschützte Firmen- und Privat­sphäre sowie eine extrem unter­neh­mens­freund­liche Politik. So gab es mit dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union den nächsten großen Schub für den Rohstoff­handel in der Schweiz. Die Russen mussten neue Absatz­kanäle aufbauen und möglichst inter­na­tionale Preise erzielen, da ihr Öl deutlich teurer produ­ziert wurde als zum Beispiel in den Golf­staaten. In der Schweiz fanden sich hierfür die Finan­ziers und kundige Händler.

Drei Firmen, Gunvor, Litasco und Mercuria, entstanden erst in den 90er Jahren und machen heute zusammen einen Umsatz von insgesamt rund 150 Milli­arden Dollar im Jahr. Man darf nicht vergessen – alle drei Unter­nehmen sind nur wenig mehr als 10 Jahre alt. Möglich wurde diese erneute Erfolgs­ge­schichte nur durch die enge Verbandlung von Handel und Politik, die hier von Genf bis in den Kreml und zurück reicht.

Nichts ist span­nender als die Wirt­schaft – so warb ein Magazin dereinst. Dieses Buch beweist es aufs Neue.

Das Buch kann hier bestellt werden.

Zuerst veröf­fent­licht auf brenn​stoff​spiegel​.de

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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