Die Sanktionen gegen Russland kochten vor gut einem Jahr das Thema Versorgungssicherheit wieder hoch. Liefern die Russen weiter pünktlich Gas und Öl, bei dem sie immerhin jeweils rund ein Drittel des hiesigen Bedarfs decken?
Fällt die Ukraine als Transitland aus? Und tatsächlich kam es im Februar 2012 zu Engpässen insbesondere in Süddeutschland. Schuld waren hier aber nicht der mangelnde Lieferwille der Russen, sondern das unzureichend ausgebaute Verteilnetz.
Vorbild Erdölbevorratungsverband
Seitens der Regierung wurde insbesondere mit dem Aufkommen des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland mehr als nur laut über eine Strategische Erdgasreserve nachgedacht. Insbesondere die damalige Bundeswirtschaftsministerin Ilse Aigner preschte hervor und empfahl ein System analog dem des Erdölbevorratungsverbandes (EBV). Bei dem ist schon seit den Ölkrisen der 70er Jahre vorgeschrieben, wie viel an Rohöl und Mineralölprodukten einzulagern sind. Diese müssen für 90 Tage einer Vollversorgung, also auch bei verstärktem Heizölbedarf im Winter, reichen. Orientiert wird sich dabei an den täglichen Nettoeinfuhren im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre. Zwar hat die Gasbranche eine Eigenverpflichtung. Doch die erstreckt sich nur über 30 Tage – zu wenig für einen kalten und langen Winter.
Nun hat das BMWi eine Studie veröffentlicht, die sich genau diesem Thema widmet. Erstellt wurde sie von der auf Energiethemen spezialisierten Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) sowie der TU Berlin. Generell gehen die Autoren davon aus, dass Deutschland eine hohe Versorgungssicherheit bei Erdgas hat.
Mehrkosten für Kunden eher gering
Dennoch wurden mehrere Möglichkeiten für Versorgungsengpässe simuliert, darunter auch der komplette Ausfall der russischen Gaslieferungen. Dabei wurde auch untersucht, inwieweit eine Bevorratung staatlich gesteuerte Bevorratung analog EBV sinnvoll ist. Diese strategische Reserve würde je nach Ausformung 1 bis 1,6 Mrd. Euro pro Jahr kosten und die Endkunden mit 0,6 bis 2,4 % Mehrkosten, bezogen auf den Gaspreis, belasten.
Eine weitere Maßnahme, die in der Studie empfohlen wird, ist die Speicherverpflichtung. Dabei wird den Marktteilnehmern die Pflicht auferlegt, eine bestimmte Menge Gas zu einem oder mehreren spezifischen Zeitpunkten einzuspeichern oder schon zu lagern. „Dadurch soll sichergestellt werden, dass stets ausreichend Gas zur Krisenvorsorge eingespeichert ist. Die Speicherverpflichtung wirkt damit – anders als eine strategische Reserve – im Vorfeld einer Krise“, so die Autoren.
Zudem emfpehlen sie noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die die Versorgung absichern können:
- Anpassung von § 53a EnWG hinsichtlich des geschützten Kundenkreises oder die Aufnahme einer
- Nachweispflicht, in welcher Weise die Verpflichtung erfüllt wird. Empfohlen wird dabei ein einheitliches Vorgehen auf europäischer Ebene.
- Systemsicherheit und Eingriffsmöglichkeiten der Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber in §§ 16, 16a EnWG sollten konkretisiert und geschärft werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Kostenanerkennung einer „marktbasierten Maßnahme“, die Zugriffsmöglichkeiten auf Speichermengen sowie die Klarstellung der Haftungsfreistellung bei Notfallmaßnahmen.
- Stärkung des Demand-Side-Management. Marktteilnehmer sollten in die Lage versetzt werden, eine Lastreduzierung gegen die Zahlung einer Prämie verbindlich anzubieten.
- Überarbeitung des Systems der Bilanzkreisabrechnung für zusätzliche Anreize,den Bilanzkreis ausgeglichen zu halten und damit mittelbar die Versorgungssicherheit zu stärken.
- Kosten von Flüssigerdgas (LNG) als Vorsorgeoption besser einschätzen, da mit vielen Unbekannten behaftet.
- Fernleitungsnetzbetreiber verpflichten, innerhalb des Netzentwicklungsplans Gas verschiedene Versorgungssicherheitsszenarien zu modellieren und zu berechnen.
Ob nun eine strategische Reserve analog dem EBV kommt, liegt letztlich am Wirtschaftsministerium. Doch eine Entscheidung pro Reserve wird auf breiten Widerstand der Gasbranche stoßen. Denn die zeigte sich bisher nur wenig begeistert von einem weiteren staatlichen Eingriff in den Gasmarkt.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden.
Vorschaubild: Gasuntergrundspeicher sind das Kernstück einer strategischen Reserve, wie hier in Jemgum an der Ems Foto: SteKrueBe /Wikimedia /Lizenz unter CC BY-SA 3.0
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