An der Tankstelle Kundenbindungsmaßnahme Nr. 1: Die Öffnungszeiten, auch nachts. Foto: Kremmer

Tankstellen-​Shop als Nahver­sorger – funk­tio­niert das?

von | 12. April 2016

Bis zu 60 Prozent ihres Gewinns machen Tank­stellen mit Shop und Imbiss. Für diese erfreu­liche Entwicklung sorgen vor allem die konstanten und ausge­wei­teten Öffnungs­zeiten. Doch hier zieht der Einzel­handel nach. Eine Bedrohung für dieses Geschäftsfeld? Oder halten die Kunden ihrer „Tanke“ trotzdem die Treue? 
Der Shop ist aus der Tank­stelle nicht mehr wegzu­denken. Er wird auch für die Erlös­si­tuation der Tank­stel­len­be­treiber immer wichtiger. In länd­lichen Regionen, aus denen sich der Einzel­handel zurück­zieht, ist die Tank­stelle oft einer der wenigen Anlauf­punkte zur Versorgung mit den kleinen Dingen für den täglichen Bedarf. In den Ballungs­räumen wird der Tank­stel­lenshop für den typischen Unter­wegs­verzehr genutzt, nach Feier­abend und an den Wochenenden.

70 Prozent der Kunden, so eine aktuelle Studie der Bran­chen­ex­perten SymphonyIRI, kaufen gerade wegen der Öffnungs­zeiten ein. Doch was kann die Tank­stelle als Einzel­händler wirklich leisten? Wir fragten in der Branche nach den Chancen und Grenzen des Shopgeschäfts.

Teurer ist gut akzeptiert

Zum „normalen“ Einzel­handel gibt es im Tank­stel­lenshop mehrere entschei­dende Unter­schiede. Der wich­tigste ist der Preis. Ärger haben die Tankstellen-​Betreiber damit jedoch kaum. „Die Kunden sind die höheren Kosten gewohnt und akzep­tieren dies auch“, so Birgit Kremmer, die im saar­län­di­schen Merzig eine mehrfach ausge­zeichnete Esso-​Station betreibt. Dabei kämen die Preise nicht nur durch den höheren Service wie die Öffnungs­zeiten – bei ihr 24 Stunden an sieben Tagen die Woche – zustande, sondern ebenso durch die im Gegensatz zum Einzel­handel geor­derten Kleinst­mengen mit mehreren Liefe­rungen pro Woche, so dass die Logistik einen höheren Aufwand nach sich ziehe.

Für Tank­stellen und die Bistros sei der Distri­bu­ti­onsweg tief gefächert. Somit verteilen sich die Kosten auf Hersteller, Groß­händler und Zwischen­händler. Das führt zu höheren Einkaufs- und ebenso zu höheren Verkaufs­preisen. „Die Liefer­kette bei uns ist halt lang“, sagt Kremmer lakonisch. Gerade sie ist auf ein gut florie­rendes Shop­ge­schäft ange­wiesen, da die nahe luxem­bur­gische Grenze eine allzu große Verlo­ckung für Billig­tanker darstellt und diese schließlich bei der Frequenz fehlen würden.

Über mangelnde Preis­ak­zeptanz beklagt sich auch Matthias Nicolai nicht. „Die Kunden wissen, dass wir länger offen haben als andere. Und in einigen Segmenten, so bei den Bäcker­brötchen, sind wir preislich gar nicht so weit vom Einzel­handel weg“, so der Betreiber einer Eni-​Tankstelle in Leipzig.

Die erwähnte Shop­per­studie von SymphonyIRI setzt sich auch mit dem Preis­niveau ausein­ander. Die über­ra­schende Erkenntnis: Kunden schätzen die Preise sowohl in der Tank­stelle als auch im Lebens­mit­teein­zel­handel (LEH) höher ein, als sie eigentlich sind. Auch der Preis­auf­schlag in der Tank­stelle gegenüber dem LEH wird mit durch­schnittlich 43 Prozent geschätzt. Tatsächlich liegt er unter 20 Prozent. Das jedoch hält kaum jemanden vom Kauf ab.

Die Kunden kommen trotzdem“, stützt Elisabeth Ammon diese Erkenntnis. Ihre Avia-​Tankstelle in der Nürn­berger Innen­stadt muss sich dabei anderer, ebenfalls hoch­prei­siger Mitbe­werber erwehren. „Wir haben hier den Haupt­bahnhof in der Nähe, der ist schon eine ziemliche Konkurrenz“, meint Ammon. Dennoch habe sie in dem stark von Wohnungen geprägten Gebiet rund 70 Prozent Stamm­kunden. Damit ließe es sich gut leben.

75 Prozent weniger Umsatz

Weniger gut leben kann sie aber mit der zuneh­menden Konkurrenz der Lebensmittel-​Discounter. „Seit die ihre Öffnungs­zeiten ausge­weitet haben, ging bei uns der Umsatz etwa Samstag ab 14 Uhr oder die Woche über nach 18 Uhr um bis zu 75 Prozent zurück“, so die Nürnbergerin.

Die verlän­gerten Öffnungs­zeiten der Discounter machen sich auch bei uns bemerkbar. Die dort zunehmend vorhan­denen Back­au­to­maten sehe ich jedoch mehr im Zusam­menhang mit dem wöchent­lichen Einkauf. Sie sind eher eine Konkurrenz zu den Bäcke­reien als zu uns“, so Kremmer. Die Wett­be­werber einer Tank­stelle seien schließlich sehr heterogen und reichten eben vom Aldi um die Ecke bis hin zu Getränke-​Fachhandel und Bäcke­reien. „Unser Vorteil ist jedoch, dass wir alles aus einer Hand bieten und der Kunde neben dem Tanken ein One-​stop-​Shopping hat, so die Saar­län­derin. In der erwähnten Studie war diese Bequem­lichkeit immerhin für 60 Prozent der Befragten ein Grund, in der Tankestelle einzukaufen.

Klas­sische Umsatz­bringer und Regionales

Für die Tank­stel­len­kunden muss der Warenmix bei dem begrenzten Sortiment absolut stimmen. Im Shop am meisten über die Theke geht – wenig verwun­derlich – der Tabak. Inzwi­schen wird jede vierte Zigarette in Deutschland an Tank­stellen verkauft. Mit dem Rückgang der Tabak­au­to­maten und deren drohendem Verbot wird dieses Geschäft wohl noch zunehmen.

Danach folgen bei mir Bistro und Getränke“, rechnet Nicolai in Leipzig vor. Was im Gegensatz zum Einzel­handel gut funk­tio­niere, sind Dosen. „Die werden vor allem von Jüngeren genommen, ebenso wie Alkopops“, so der diplo­mierte Leichtathletik-​Trainer, der seit 1992 in der Branche arbeitet. Dabei geht er auch auf Waren­wünsche seiner Kunden ein, etwa bei Droge­rie­ar­tikeln wie Zahnpasta oder Rasier­schaum. Einmal habe er Futter für Hunde und Katzen aus seinen Regalen verbannt. Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten. Inzwi­schen finden die Kunden die Lecke­reien für Bello und Mietz wieder in seiner Station.

Die Tank­stelle profi­tiert vom schnellen, bequemen Einkauf. Der ist nicht mehr möglich, wenn das Sortiment mit dem Einzel­handel in Umfang und Menge über­ein­stimmt“ setzt auch Kremmer auf Diffe­ren­zierung. Hierfür nutzt sie typische regionale Lebens­mittel sowie Spiri­tuosen saar­län­di­scher Brennereien.
Dem normalen Einzel­handel will auch Nicolai nicht nach­eifern. Er lebe von seiner Stamm­kund­schaft in einem für den Leipziger Raum sozial starken, sehr kauf­kräf­tigen Gebiet. Dazu gehören bei ihm auch italie­nische Weine in der gesamten Preis­spanne – passend zum Ciao-​Image von Eni. Ein weiterer Umsatz­bringer: Nach aktuell erfolgtem Umbau der Station wurde auch das Bistro um zahl­reiche Kaffee­spe­zia­li­täten und ein monatlich wech­selndes Menü­an­gebot berei­chert. Die ersten Kunden seien damit sehr zufrieden.

Backshop bringt‘s

Bei allen befragten Tank­stellen nimmt der Backshop eine immer größere Rolle als Umsatz­bringer ein. Den bevorzugt vor allem der typische Sonn­tags­kunde. „Morgens: Brötchen, Baguette, Bild am Sonntag und alles, was beim Wochenend-​Einkauf vergessen wurde“, beschreibt Kremmer. Dabei muss sie, ähnlich wie Nicolai, gegen gleich dreier Bäcker oder Tank­stellen mit Backshops in der näheren Umgebung antreten. Nicolai setzt dabei auf ein breites Sortiment von zehn verschie­denen Bröt­chen­sorten. Mehr habe ein durch­schnitt­licher Bäcker auch nicht. Nur Ammon hat es hier gut. An ihrem Standort gibt es, vom Bahnhof abgesehen, keinen Bäcker.


Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel und für diesen Blog aktua­li­siert. Der voll­ständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 05/​2013 zu lesen. Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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