Jeder dritte Kubikmeter Erdgas, der in Deutschland verheizt wird, kommt aus Russland. Und dort von Gazprom, da der Staatskonzern das faktische Monopol sowohl über die Gasförderung, den Transport als auch den Vertrieb hat.
Allein die schiere Größe des Unternehmens mit einer Marktkapitalisierung von 110 Milliarden US-Dollar, die von 445.000 Menschen erwirtschaftet wurde, lässt eine Ahnung von endlosem Reichtum aufkommen. Und der könnte allerlei Begehrlichkeiten wecken – seitens der Politik, seitens der neuen Putin-Élite und: der russischen Mafia.
Diese Vermutung versucht Jürgen Roth zu bestätigen, was ihn in seinem gerade erschienen Buch „Gazprom – das unheimliche Imperium. Wie wir Verbraucher betrogen und Staaten erpresst werden“ zu großen Teilen gelingt. Darin zeichnet er den Weg der einstigen Abteilung im sowjetischen Gasministerium nach, die unter Gorbatschow und Jelzin in die Privatisierung geschickt wurde und derer sich später Putin bemächtigte. Der alte und neue Präsident Russlands wiederum benutzte den Konzern quasi als Waffe im internationalen Wirtschaftskampf, insbesondere gegen unbotmäßige Nachbarn wie die Ukraine und Georgien.
Auf diesem Weg blieben nicht nur Jelzin-Weggefährten auf der Strecke, die durch Putin-Getreue ersetzt wurden, sondern es gab, man mag es kaum glauben, Tote. So ein Rechtsanwalt, der einen kritischen, britischen Gazprom-Aktionär betreute und der unter bis heute ungeklärten Umständen in der Haft verstarb. An die von offizieller Seite verkündete Herzinsuffizienz mag man anhand der von Roth vorgelegten Fakten kaum glauben.
Die handeln auch vom Selbstbedienungsladen Gazprom. So vergibt der gern Aufträge zum Leitungsbau an Verwandte oder Freunde des Managements oder des Kreml, auch wenn die dann bis zu viermal teurer sind als die Konkurrenz. Dieser wiederum fehlt eigentlich nur eines: gute Kontakte zum Gazprom-Management und, was noch wichtiger ist, zu Putin.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Gazprom in Deutschland stärker bis hin zum Endverbrauchergeschäft aktiv sein will (mehr hier), dabei jedoch auf ungeahnte Schwierigkeiten trifft (mehr hier und hier) entwickelt Roths Buch eine ungeahnte Brisanz. Kein Wunder, dass Gerhard Schröder, mit seiner Rolle als Aufsichtsrat von Nord Stream indirekt in den Diensten von Gazprom stehend, ebenso sein Fett wegbekommt. So legt Roth nahe, dass Schröder schon vor dem Ende seiner Kanzlerschaft wusste, dass er einen Posten im Gazprom-Reich bekommt. Der Ex-Kanzler bestritt dies immer vehement. Ob Schröder wieder gegen den Autor, wie schon bei dessen Buch „Der Deutschland-Clan“ vorgeht (als Roth vor Gericht unterlag), wäre eine weitere spannende Geschichte, von dem dieses Buch schon jetzt im Überfluss bietet.
Geschrieben für brennstoffspiegel.de
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