In neun Jahren, so will es die Bundesregierung, sollen eine Million E‑Mobile auf Deutschlands Straßen kreuzen. Ob diese rein elektrisch oder vorrangig als Hybride unterwegs sind, vermag derzeit niemand zu sagen. Für Tankstellenbetreiber, insbesondere mit angeschlossener Werkstatt, öffnen sich dadurch neue Geschäftsfelder. Ein Beitrag von mir aus dem Jahr 2011 mit vielen aktuellen Bezügen.
Auch wenn E10 der E‑Mobilität als großes Tankstellenthema gerade etwas den Rang abläuft – die alternative Antriebstechnik wird sich über kurz oder lang stärker ausbreiten. Die Bundesregierung träumt von einer Million E‑Mobile in neun Jahren. Experten bezweifeln dies. Wie es auch sei, E‑Mobilität, ob nun als Hybrid oder reines Batteriefahrzeug, ist politisch gewollt, technisch möglich – und im Gegensatz zum ungeliebten E10 von den Verbrauchern gewünscht, wenn sie denn nur nicht viel mehr kosten würde und die Reichweiten stimmen. Deswegen sind Tankstellenbesitzer, insbesondere die mit angeschlossener Werkstatt, gut beraten, sich rechtzeitig darauf einzustellen.
Kein Geschäft mit Stromzapfen, sondern mit Batterien
Dabei wird das große Geschäft mit Sicherheit nicht an den Stromzapfsäulen laufen. So sieht das auch die Agentur für Erneuerbare Energien. Sie schätzt, dass die E‑Mobilität 2020 maximal 3,4 Milliarden kWh Strom verbrauchen wird − 0,5 Prozent der gesamten deutschen Strommenge. Deswegen dürfte das Stromzapfkabel für Tankstellenbetreiber eher ein Mittel zur Kundenbindung sein, nicht jedoch ein Geschäftsmodell, das sich lohnen könnte. Angesichts von 2,50 Euro, die derzeit für eine Komplettladung von 120 Kilometern Reichweite zu zahlen wären, kein Wunder.
„Wir sehen die Tankstellenbranche zwar nicht als die großen Gewinner in diesem Bereich“, so Sigrid Pook, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland. „Wenn die Prognosen der Bundesregierung zutreffen, dann ist jedoch für die Tankstellenbranche Handlungsbedarf angesagt, das heißt den Kunden die Möglichkeit zu geben, den Strom auch an der Tankstelle zu tanken.“
Etwas besser sieht da schon das Geschäftsmodell Batteriewechsel aus. Stromzapfen dauert für die oben angegebene Reichweite normalerweise sechs Stunden, im (technisch noch nicht verfügbaren) Schnelllademodus 30 Minuten. Doch dass selbst die ein Autofahrer an der Tankstelle aufbringt, darf bezweifelt werden. Eine plausible Lösung für reine E‑Mobile heißt deswegen Batteriewechsel. Zwar gibt es derzeit keinen einheitlichen Standard – weder in Deutschland und schon gar nicht in Europa. Sämtliche Versuche, sich darauf zu einigen, sind bisher gescheitert. Dennoch ist ein Schnellwechsel an der Tankstelle eine der Optionen, denen von Experten Chancen auf Realisierbarkeit eingeräumt werden.
Doch was benötigt eine traditionelle Tankstelle, um als Batteriewechselstation bestehen zu können? Ausreichend Lagermöglichkeiten, Batterien und Möglichkeiten für deren Wartung. Die Investitionssummen hier könnten gewaltig sein, da allein schon eine Batterie für einen Kleinwagen mit einem fünfstelligen Budget zu Buche schlägt. Deswegen denken die Hersteller hier über Leasingmodelle für die Stromspeicher nach. Diese wiederum könnten auch die Tankstellenbetreiber nutzen.
Die reine E‑Mobilität wird jedoch im gesamten Verkehrsmix auch in der Zukunft nur eine marginale Rolle spielen. Die Gründe hierfür sind zahlreich. Der entscheidendste liegt in der fehlenden Infrastruktur. Jan Schilling, Projektleiter Elektromobilität beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) schätzte beim EID-KraftstoffForum 2011 in Hamburg ein, dass in neun Jahren bundesweit 1.150.000 Ladestellen installiert werden müssten, rund 230.000 davon im öffentlichen und halböffentlichen Raum.
Ein rechtliches Problem hierbei: Im offenen Raum kann der Parkplatz vor einer Zapfsäule nicht für E‑Mobile reserviert werden. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es rund 14.700 Tankstellen. Da sowohl RWE als auch EON schon wegen mangelnder Ertragsaussichten eine Beteiligung an diesem öffentlichen Stromladenetz abgesagt haben, bliebe nur der Steuerzahler übrig. Doch die Bundesregierung hat (bisher) diesbezüglich keine Pläne. Deswegen wird wohl der reinen E‑Mobilität im Gegensatz zu den Hybriden ein Nischendasein für pendelnde Ballungsraumbewohner beschieden bleiben.
Service-Partner für E‑Mobile*
Hybride, die ihre Alltagstauglichkeit seit nunmehr zehn Jahren beweisen, sind inzwischen auch die Lieblinge der deutschen Autobauer. BMW, Mercedes und VW arbeiten daran. Audi favorisiert gar eine Lösung mit einem gleichmäßig laufenden Wankelmotor als zuschaltbarem Energieerzeuger. Doch was haben die Werkstätten der Tankstellen davon?
Ganz einfach: das Servicegeschäft! Klassische Autohäuser mit angeschlossener Werkstatt müssen kostenintensiv neues Personal schulen und einstellen sowie Reparaturkits anschaffen. Ob sie in der gegenwärtigen Krise die finanzielle Kraft dafür haben, darf stark bezweifelt werden. Ein Viertel aller Händler werde aufgeben, schätzt Deutschlands Autoexperte Nummer eins, Ferdinand Dudenhöffer. Die Autohäuser müssten bei diesen Investitionen, die ein Tankstellenbetreiber auch hätte, jedoch mit einen geringeren Durchsatz an Fahrzeugen leben, da Elektroautos einen deutlich geringeren Wartungsaufwand haben als nur mit Verbrennungsmotoren getriebene Fahrzeuge – sprich, der Umsatz im Reparatur- und Wartungsgeschäft sinkt tendenziell. Die Autohäuser würden zu Servicestationen degradiert – eine Rolle, die auch locker jede bessere Tankstelle mit eigener Werkstatt ausfüllen könnte. Dank des deutlich höheren Durchsatzes wären hier auch die Investitionskosten schneller wieder eingespielt.
Dabei werden sich die Tankstellen auch auf ihre Lieferanten verlassen können. „Die Arals dieser Welt werden in das Geschäft einsteigen“, so Dudenhöffer. Shell-Sprecherin Cornelia Wolber pflichtet bei: „Wir beobachten natürlich, wie sich die Antriebsformen entwickeln werden. Und je nach Richtung der Entwicklung werden wir den Autofahrern auch die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen.“
Tankstelle als Car-Sharer
Die hohen Anschaffungskosten der E‑Mobilität rücken zudem ein weiteres Geschäftsfeld in den Focus der Tankstellen – das Autovermieten, am besten in der Form des Car Sharing. Profitieren könnten davon auch Tankstellenbetreiber, wenn sie sich direkt als Car Sharer positionieren oder mit einem der großen Player wie Sixt oder Carsharing der Bahn arrangieren.
Die Tendenz zur gemeinsamen Nutzung von Fahrzeugen, wie bei Car-Sharern oder Autovermietern, wird durch eine Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little bestätigt. Schon 2009 hat sich das Geschäft mit dem Teilen von Autos, ohne sie selbst zu besitzen, verdreifacht. Autobauer sind auf diesen Trend aufgesprungen, so Daimler mit seinem Projekt „Car2go“ oder Peugeot mit „Mu“, aber auch die Deutsche Bahn mit ihrem Mietwagenprogramm „Flinkster“ – die Vorboten neuer Erlösmodelle. Bei den Carsharern sieht man die derzeitige Diskussion durchaus positiv, denn damit hat „auch der Gedanke des ‚Autoteilens‘ Konjunktur bekommen“, so Willi Loose, Geschäftsführer des Bundesverbandes CarSharing.
Derzeit führt der Verband mit einigen Autoherstellern Verhandlungen, damit die Mitglieder E‑Mobile günstig einkaufen können. „Wir hoffen, dass die CarSharing-Anbieter Teil der ersten Welle sind, denen Elektrofahrzeuge angeboten werden. Und zweitens hoffen wir, dass die finanziellen Konditionen einen Einsatz im Car-Sharing-Betrieb ermöglichen“, so Loose. Warum sollten hier nicht auch die Tankstellen einsteigen? Statt Benzin gibt es so das ganze E‑Auto. Klingt derzeit utopisch, muss es aber nicht bleiben.
* Es wird zwischen drei Arten von Hybrid-Autos unterschieden:
- Mikro-Hybride, bei denen etwa Bremskraft elektrisch zurückgewonnen wird, der Antrieb aber über einen Verbrennungsmotor erfolgt (BMW 1er),
- Mild-Hybride, hier unterstützt der Elektromotor den Verbrennungsmotor hinsichtlich der Leistung direkt (Honda Insight).
- Vollhybrid, hier erfolgt der Antrieb komplett über den Elektromotor. Der Range Extender genannte Verbrennungsmotor, der deutlich kleinere Leistungsmerkmale als bei einem normalen Auto hat, dient lediglich der Energieerzeugung, die wiederum in die Batterie eingespeist wird (Toyota Auris Hybrid).
Geschrieben für Brennstoffspiegel, Heft 5/2011. Der vollständige Beitrag ist nur dort zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
Titelbild: Porsche Panamera als Plugin-Hybrid. Foto: Urbansky
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