Die Aluminiumindustie ist eine der wenigen, die bisher die Möglichkeiten der abschaltbaren Lasten nutzte. Foto: LoKiLeCh / Wikimedia / Lizenz unter CC BY-SA 3.0

Abschaltbare Lasten kaum genutzt – Verordnung soll auslaufen

von | 1. Oktober 2015

Abschaltbare Lasten, ein möglicher Baustein der Ener­gie­wende bei flexibler Strom­pro­duktion durch Erneu­erbare Energien, werden bisher von der Industrie kaum genutzt. Das lag vor allem am mangelnden Bedarf. Die entspre­chende Verordnung über Verein­ba­rungen zu abschalt­baren Lasten (AbLaV), erst 2013 instal­liert, soll nun ersatzlos auslaufen.

Die Bundes­re­gierung stellt in ihrem heute vorge­legten Bericht zur Verordnung über Verein­ba­rungen zu abschalt­baren Lasten fest, dass bisher 6 Rahmen­ver­träge mit 4 Unter­nehmen aus der chemi­schen und der Aluminium-​Industrie abge­schlossen. Die Gesamt­ab­schalt­leistung betrage 465 MW im Bereich sofort abschalt­barer Lasten und 979 MW im Bereich schnell abschalt­barer Lasten. Die mögliche Kontra­hie­rungs­menge würde damit seitens der indus­tri­ellen Anbieter bei weitem nicht ausgeschöpft.

2.500 Euro je MW Fixpreis

Abschalt­baren Lasten sind Verbrauchs­ein­rich­tungen vorrangig in der Industrie, die am Netz der allge­meinen Versorgung oder an einem geschlos­senen Vertei­lernetz mit einer Spannung von mindestens 110 Kilovolt (Hoch­spannung) ange­schlossen sind. Sie nehmen mit großer Leistung nahezu rund um die Uhr Strom ab. Sie sind jedoch in der Lage, ihre Verbrauchs­leistung auf Anfor­derung der Über­tra­gungs­netz­be­treiber redu­zieren zu können. Dafür sind ein fester monat­licher Leis­tungs­preis von 2.500 Euro pro Megawatt und ein variabler Arbeits­preis zwischen 100 und 400 Euro pro Mega­watt­stunde vorge­sehen. Vorge­sehen ist eine maximale Abschalt­leistung von 1.500 Megawatt an sofort abschalt­baren Lasten und maximal 1.500 Megawatt an schnell abschalt­baren Lasten. 

Diese wurden jedoch bei weitem nicht erreicht. Nach der Verordnung wären maximale Vergü­tungen für die Industrie von 320 Millionen Euro möglich gewesen. 2013 wurden davon 9,7.Millionen Euro genutzt, 2014 knapp 19 Millionen Euro und die ersten drei Monate 2015 8,3 Millionen Euro.

Zwischen dem 13. Februar 2014 und dem 26. März 2015 wurden dem Bericht nach an insgesamt 9 Tagen abschaltbare Lasten abgerufen, fast alle in der Regelzone des Über­tra­gungs­netz­be­treibers Amprion, unter anderem auch während der parti­ellen Sonnen­fins­ternis am 20. März 2015, da diese zu einer Redu­zierung der Strom­erzeugung durch Photovoltaik-​Anlagen führte. Nach Angaben des Über­tra­gungs­netz­be­treibers TenneT sei der Einsatz der Lasten „nicht zwingend notwendig” gewesen. Die Mitar­beiter in der Schalt­leitung hätten diese Option jedoch testen wollen. 

BNetzA: „Nicht geeignet”

Die Bundes­netz­agentur empfiehlt, die Verordnung auslaufen zu lassen, da im Berichts­zeitraum kein Bedarf an abschalt­baren Lasten bestand. Weiter schreibt die Agentur: „Die derzeitige Verordnung über Verein­ba­rungen zu abschalt­baren Lasten ist darüber hinaus nicht ausrei­chend geeignet, zusätz­liche Poten­tiale an abschalt­baren Lasten für den Strom- und Regel­en­er­gie­markt zu erschließen. Um die weitere Liqui­dität des Regel­leis­tungs­markts sicher­zu­stellen und eine „Kanni­ba­li­sierung“ des Regel­en­er­gie­marktes durch die AbLaV zu verhindern, sollten abschaltbare Lasten daher ihre Abschalt­leistung regulär am Regel­en­er­gie­markt anbieten.“

Weiter heißt es: „Aufgrund der Wich­tigkeit von Flexi­bi­li­täts­op­tionen für die Funk­ti­ons­tüch­tigkeit des Strom­marktes und die Versor­gungs­si­cherheit müssen besser geeignete Möglich­keiten zur Erschließung von Flexi­bi­li­täts­po­ten­tialen gefunden werden, die ein Last­ma­nagement in dem Maße ermög­lichen, wie es zukünftig durch den Umbau des Erzeu­gungs­systems notwendig werden wird.“

Wieder eines der Projekte der Ener­gie­wende, die theo­re­tisch seitens des Staates so plausibel ausge­dacht waren, aber in der Praxis in Schönheit starben.

Vorschaubild: Die Alumi­ni­um­in­dustie ist eine der wenigen, die bisher die Möglich­keiten der abschalt­baren Lasten nutzte. Foto: LoKiLeCh /​Wikimedia /​Lizenz unter CC BY-​SA 3.0

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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