Zwar ist Offshore-Wind fast grundlastfähig, weil über dem Wasser immer ein Lüftchen weht. Doch auch hier sind genaue Prognosen der Windstärke und Windrichtung nötig, um die Erträge genau einschätzen zu können. Foto: Urbansky

Ausbau der Erneu­er­baren: Bund contra Länder

von | 18. November 2015

Dass die derzeitige Bundes­re­gierung bei der Ener­gie­wende keine besonders glück­liche Figur macht, ist offen­sichtlich. Zu offen scheint der Einfluss von Lobby­isten, etwa bei der Kapa­zi­täts­re­serve, oder fehlende Infor­ma­tionen zu wesent­lichen Fakten und Daten wie der Sanie­rungs­quote. Dieses Unwissen offenbart sich aktuell in einer Antwort der Regierung auf mehrere Fragen der Linken, die sich um Ausbau­ziele, Umsetzung und Akzeptanz von Wind­kraft­an­lagen drehen.

Dabei wird aufgrund dieses Infor­ma­ti­ons­de­fi­zites auch ein Wider­spruch zwischen Bund und Ländern offen­sichtlich, der die Ausbau­zeile der Erneu­er­baren zum Gegen­stand hat. Die Bundes­länder wollen mehr, der Bund weniger. Die Regierung schreibt:

Die kumu­lierten Ausbau­ziele der Bundes­länder entsprechen nicht den Ausbau­zielen der Bundes­re­gierung. Im Netz­ent­wick­lungsplan 2024 kommt das mittlere Szenario B2024 den Zielen der Bundes­re­gierung am nächsten, während das Szenario C2024 auf den kumu­lierten Ausbau­zielen der Bundes­länder beruht. Die in Szenario C2024 ange­nommene instal­lierte EE-​Erzeugungsleistung im Jahr 2024 über­trifft die entspre­chende Zahl des Szenarios B2024 um insgesamt 37 Gigawatt (GW). Von den genannten 37 GW Erzeu­gungs­leistung entfallen 32 GW auf Windkraft an Land, 3,4 GW auf Windkraft auf See und 2,6 GW auf Photo­voltaik. Die verblei­bende Differenz teilen sich Biomasse, Wasser­kraft und sonstige erneu­erbare Energien.

Anm d. Red.: Das Szenario C2024 ist das wahr­schein­li­chere, weil B2024 auf der Annahme stärker einge­setzter Gaskraft­werke und Rück­gängen bei der Braun­kohle beruht. Dies ist jedoch bei den derzei­tigen Markt­ge­ge­ben­heiten unrealistisch.

Doch damit der Defizite nicht genug. Auf die Frage nach der Höhe der Gesamt­strom­erzeugung und den Gesamt­strom­ver­brauch in Deutschland für die Jahre 2015 bis 2050 antwortet die Regierung: 

Zur künftigen Entwicklung von Strom­erzeugung und ‑verbrauch in Deutschland gibt es eine Reihe von Studien, die ein breites Spektrum von möglichen Entwick­lungen aufzeigen. Die Bundes­re­gierung macht sich diese Prognosen und Szenarien weder zu eigen, noch erstellt sie eigene Prognosen.

Dies ist um so verwun­der­licher, weil für diesen Zeitraum ja Vorgaben der Bundes­re­gierung exis­tieren, die wiederum auf Studien und Prognosen beruhen. Ähnlich schwammig fällt eine Antwort zum Verhältnis von Wind und PV-​Strom im gesamten Strommix aus. 

Dass die Regierung nicht weiß, wie die Naben­höhen und Leis­tungs­ei­gen­schaften zukünf­tiger Windräder ausfallen, mag noch angehen, ebenso, dass sie den Anteil des Repowering am gesamten Wind­kraft­zubau nicht kennt. Dass jedoch Fragen nach Anteilen und damit Zielen der Erneu­er­baren nicht beant­wortet werden, beweist nur einmal mehr das Lavieren dieser Koalition, wenn es um die Ener­gie­wende geht. Kein Wunder, denn Wissen ist die Voraus­setzung für Führung. Und an der mangelt es derzeit.

Vorschaubild: Urbansky

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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