Belgien: Täglicher Maxi­mal­preis für das „Dieselland“

von | 7. Januar 2016

Wer den deutschen Mine­ral­öl­markt schon kompli­ziert findet, sollte mal einen Blick zu unseren belgi­schen Nachbarn werfen. Dort wird mittels einer Verein­barung zwischen dem Wirt­schafts­mi­nister sowie der Belgi­schen Petroleum Förde­ration und einer äußerst kompli­zierten Formel ein täglicher Maxi­mal­preis für Heizöl, Diesel, Benzin, Propan, Butan und andere Mine­ral­öl­pro­dukte festgelegt

Der belgische und der deutsche Mine­ral­öl­markt haben eine Reihe von Gemein­sam­keiten. Auch Johan Mattart von der belgi­schen BRAFCO, einem Verband, der die mittel­stän­di­schen Mine­ral­öl­händler im benach­barten König­reich vertritt, muss in seinem Land einen Rückgang der Mine­ral­öl­händler konsta­tieren. Deren Zahl halbierte sich fast von knapp 1.200 im Jahr 1994 auf gut 700 im Jahr 2011. Arbeit hätten diese jedoch genug. 

In Belgien gibt es bei einer Gesamt­be­völ­ke­rungszahl von 9,2 Millionen rund 1,67 Millionen private Ölhei­zungen. Die Zahl der Kraft­fahr­zeuge legte konstant zu, von rund 3,2 Millionen vor 25 Jahren auf heute knapp fünf Millionen. Die Beson­derheit dabei: Belgien wird immer mehr zum Dieselland. Nur noch 20 Prozent aller neu zuge­las­senen Fahrzeuge haben einen Ottomotor. Der Gesamt­anteil der Diesel­fahr­zeuge liegt bei rund 60 Prozent. Tendenz: steigend. Dies ist kein Wunder, sind doch die Verbrauchs­steuern für Benzin 56 Prozent höher als für Diesel.

Bei unseren zwei­spra­chigen Nachbarn gibt es jedoch auch grund­sätzlich anderes. Das für uns Erstaun­lichste ist sicherlich die tägliche Berechnung eines Höchst­preises für alle Ölpro­dukte, die durch könig­liches Dekret verkündet wird. An diesen Preis müssen sich alle Ölhändler halten. Entstanden ist dieses Konstrukt 1974, in Folge der ersten Ölkrise. Damals schlossen Regierung und Mine­ral­öl­in­dustrie den so genannten „Programm-​Kontrakt“.

Sechs Preise für jeden Tag

Der „Programm-​Kontrakt“ legt dabei nach einem kompli­zierten Verfahren drei Preise fest für Standard Heizöl (1000 ppm Schwefel) und drei Preise für Heizöl Extra (schwe­fel­armes Heizöl mit 10 ppm Schwefel), und zwar für die Liefer­mengen (kleiner bzw. größer als 2.000 Liter sowie für Heizöl, das Kunden in Belgien bei Tank­stellen abpumpen können). Preis­be­stand­teile sind die Preise ab Raffi­nerie – hier wird in der Regel der Rotter­damer Preis genommen –, der Kurs Euro /​US-​Dollar, ein Beitrag für APETRA, das dem deutschen Erdöl­be­vor­ra­tungs­verband (EBV) entspricht, Transport- und sonstigen Kosten sowie die Mehrwertsteuer.

In der Praxis führt der Maxi­mum­preis zu vielen Discoun­t­an­ge­boten. „Auch Tank­stellen mischen dabei kräftig mit“, so Mattart. „Für Heizöl werden dabei Mengen­ra­batte angeboten, die zu regel­rechten Massen­käufen führen – getreu dem Motto: high volumes – high discounts.“ So orga­ni­sieren poli­tische Parteien für inter­es­sierte Einwohner in verschie­denen Städten regel­rechte Massen­käufe. Das System der festen Maximum-​Preise sorge für einen Verfall der Margen bei den Händlern, besonders wenn die Preise auf dem inter­na­tio­nalen Markt steigen. Dann beispiels­weise müssen die Ölhändler diese höheren Preise zahlen, können sie aber wegen des Programm-​Kontrakts erst an die Endkunden weiter­geben, wenn der Maximum-​Preis ebenfalls angehoben wird. Gerade in konjunk­turell starken Phasen, wenn die Nachfrage höher ist, möchte jeder Heizöl kaufen, bevor der amtliche Preis justiert ist. Wenn die Preise inter­na­tional jedoch fallen, warteten die Kunden ab, bis der Maximum-​Preis auch tiefer gesetzt ist.

Jeder zahlt für sanierte Tankstellen

Eine äußerst nützliche Einrichtung, die auch auf den Preis wirkt, ist die BOFAS. Sie sorgt dafür, dass die Böden aufge­ge­bener oder umzu­bau­ender Tank­stellen dekon­ta­mi­niert werden. Finan­ziert wird die BOFAS von jedem Auto­fahrer, und zwar mit 0,32 Cent je Liter Benzin und 0,20 Cent je Liter Diesel. So kommen im Jahr 36 Millionen Euro zusammen. Die Sanierung einer einzelnen Tank­stelle ist aller­dings bis zu einem Höchst­betrag von 62.000 Euro gedeckelt Was darüber liegt, muss der Besitzer selbst zahlen. Ausnahme: Die Tank­stelle wird definitiv geschlossen. Dann gibt es keine Begrenzung 

Ebenfalls Teil der Preis­bildung und der staat­lichen Regu­lierung ist die schon erwähnte APETRA. Dahinter verbirgt sich ein Programm, mit dem die Rohöl­be­stände im Land aufgebaut und stabil gehalten werden sollen. Eine Ölkrise wie 1973/​74 will das kleine König­reich so vermeiden. Deswegen gibt es seit 2007 Beiträge, die jedes Quartal angepasst werden. Im dritten Quartal betrugen sie zum Beispiel 9,87 Euro je Kubik­meter Heizöl.

Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel und aktua­li­siert für diesen Blog. Der voll­ständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 08/​2010 zu lesen. Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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