Vorschaubild: LNG-Tanker. Foto: Pline / Wikimedia unter Lizenz CC BY-SA 3.0

Gasmarkt zwischen Effizienz und Globalisierung

von | 9. Juni 2015

Der Gasmarkt steht vor großen Umbrüchen. Das wurde zuletzt auf der Welt­gas­kon­ferenz vergangene Woche in Paris deutlich. Die Mine­ral­öl­kon­zerne inten­si­vieren ihr Enga­gement in Gas zuun­gunsten von Öl. Shell zum Beispiel förderte bereits seit 2012 mehr Gas als Öl. BP plant dies ebenfalls.

Die Rechnung ist eine einfache, wenn auch eine teure: Gas ist aufgrund gerin­gerer Emis­sionen der politisch gewolltere fossile Brenn­stoff. Das wurde auch zum G7-​Gipfel wieder deutlich. Dabei könnte gerade in der Strom­ver­sorgung ein Ersatz der Kohle­kraft­werke durch Gaskraft­werke ein große Rolle spielen. Aufgrund der derzei­tigen Preise aber funk­tio­niert dies zumindest in Deutschland nicht.

Öl wird einschlä­gigen Szenarien zufolge in Zukunft nur noch in der Mobilität eine wesent­liche Rolle spielen. Zumindest in Europa wird es im Wärme­markt über kurz oder lang verschwinden. Länder wie Dänemark haben bereits ein Heiz­öl­verbot einge­führt. Im Strom­markt spielt es auf dem alten Kontinent sowieso keine Rolle.

Doch der Ölmarkt hat dem Gasmarkt etwa voraus – die Globa­lität. Öl wird weltweit gehandelt. Das nivel­liert die Preise, macht sie vergleichbar. Gas wird besten­falls konti­nental gehandelt – mit einem entspre­chenden Preis­ge­fälle (günstig in den USA, mittel in Europa, teuer in Asien). Europa verbraucht euro­päi­sches Gas aus der Nordsee oder aus Russland (auch wenn Sibirien in Asien liegt). Nord­amerika verbrauch nord­ame­ri­ka­ni­sches Gas, Ostasien braucht Importe und so weiter. 

Eine Globa­li­sierung ist um so wichtiger, weil sich Pipelines ab rund 5000 Kilo­metern Länge nicht mehr rechnen. Der Transport von Sibirien nach Europa ist also die Grenze des Machbaren oder Profitablen.

Gas statt Öl

Deswegen kann der globale Erdgas-​Weg nur über die Verflüs­sigung und den Transport per Schiff gehen. Shell hat bereits die welt­größte Verflüs­si­gungs­anlage in Katar gebaut. In den USA sind ebenfalls die ersten Terminals fertig­ge­stellt. In Europa gibt es keine nennens­werten Verflüssigungs-​Kapazitäten außer in Norwegen. 

In Rotterdam wird reichlich LNG ange­landet und dort auch gehandelt oder direkt um Einsatz im Verkehr gebraucht. Deutschland plant (oder eher nicht) seit den 80er Jahren einen LNG-​Terminal in Wilhelms­haven zu errichten. Und Russland hinkt voll­kommen hinterher. Gazprom und Novatek verließen sich auf ihre Pipelines und inves­tierten darin viel Geld, zuletzt in den Ostsee­strang North Stream und, wenn auch vorerst vergeblich, in South Stream. Eine Leitung nach China wir dgerade gebaut. Doch aufgrund der aktuellen poli­ti­schen Aktionen dämmert auch den Russen, dass eine Diver­si­fi­zierung in andere Regionen als die per Pipeline zu errei­chenden in Europa oder Ostsasien nicht die dümmste Idee wäre. So ist ein LNG-​Terminal nahe St. Petersburg geplant. Doch wann der fertig wird, ist voll­kommen offen.

All dies wird dazu führen, dass nach Schät­zungen von BP etwa 2030 mehr Gas per Schiff als per Pipeline trans­por­tiert wird (Folie 58 des BP Energy Outlook).

Die Inves­ti­tionen in die LNG Technik sind immens. Und hier offenbart sich ein Wider­spruch. Zwar gehen einschlägige Szenarien von einem konti­nu­ier­lichen Wachstum des Gasab­satzes aus. Doch zumindest in der Region mit dem höchsten Gasver­brauch weltweit, Europa, sieht es eben genau anders aus. Hier stagniert der Absatz oder geht sogar leicht zurück. Gas fließt hier zum Großteil in den Wärme­markt. Allein die warmen Winter der letzten beiden Jahre ließen den Gasabsatz regel­recht einbrechen. Hinzu kommen Effi­zi­enz­maß­nahmen. Zwar freut sich die Branche in Deutschland, dass hier­zu­lande auch im Neubau Erdgas die erste Geige spielt. Doch das fließt in hoch­ge­dämmte Häuser mit geringem Verbrauch. Andere Effi­zi­enz­maß­nahmen im Bestand sind politisch gewollt und staatlich gefördert und führen ebenfalls zu weniger Verbrauch.

Kein fester Planungs­grund für Milliardeninvestitionen

Deswegen sucht die Branche nach Produkt­di­ver­si­fi­zie­rungen. Eine Möglichkeit wäre die Mobilität. Dich die kommt beim Erdgas­mobil nicht von der Stelle. Die Zahlen der Erdgas­fahr­zeuge ist in Deutschland nahezu konstant bei 85.000, ebenso die Anzahl der Tank­stellen mit etwas über 900. Hier werden sogar die ersten Stationen zurück­gebaut. Kein Wunder – bei Inves­ti­ti­ons­kosten von rund 250.000 Euro bräuchte es schon einen sehr hohen Durchsatz an Erdgas­tankern. Doch der ist mangels Masse nicht zu sehen.

Die Gasbranche steht also vor dem Dilemma, die Globa­li­sierung milli­ar­den­schwer zu wagen, und das vor dem Hinter­grund poten­tiell sinkender Absätze. Ein Ritt auf der Rasierklinge.

Vorschaubild: LNG-​Tanker. Foto: Pline /​Wikimedia unter Lizenz CC BY-​SA 3.0

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...