Die EU-Kommission hat am Mittwoch die komplette Übernahme des Erdgasgroßhändlers Wingas durch den russischen Staatskonzern Gazprom genehmigt. Bisher war Gazprom an der Wintershall-Tochter bereits mit 50 Prozent beteiligt. Die Kommission hat nach eigener Auskunft festgestellt, dass die Übernahme Gazprom nicht dazu in die Lage versetze, den Zugang zu Abnehmern von Gaslieferungen einzuschränken. Denn diese könnten, so die Argumentation der Kommission, auf dem vorgelagerten Markt auf genügend andere Anbieter ausweichen.
Doch verhält es sich tatsächlich so? Gazprom hat via Wingas und deren Tochter Gascade direkten Zugriff auf die Pipelines NEL (Norddeutsche Erdgasleitung) und OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung). Beide sind direkt an North Stream angeschlossen – jene Ostseepipeline, die maßgeblich unter Führung von Gazprom entstand und die laut Beschluss der EU-Kommission von Gazprom nur zur Hälfte befüllt werden darf. Die andere Hälfte ist anderen Marktteilnehmern vorbehalten. Doch diese haben sich bisher nicht gemeldet.
Zudem betreibt die Wingas via ihre Tochter Astora bei Rehden den mit 4 Milliarden Kubikmetern größten Erdgasspeicher Westeuropas. Ins gewünschte Gazprom-Portfolio passt die Wingas also prächtig. Denn der größte Gaskonzern der Welt leidet unter schrumpfenden Margen (auch aufgrund der fallenden Gaspreise in Europa). Erklärtes Ziel des von Putin-Vertrautem Alexei Miller regierten Unternehmens ist der Durchgriff bis hin zu Endverbrauchern in Europa. Der scheint nun gelungen.
Zwar ist die Argumentation der EU richtig, dass Gaskunden bei den Vorlieferanten auch auf andere Anbieter ausweichen können. Jedoch wird an Gazprom zumindest bei der Leitung und Speicherung in Nord- und Nordwestdeutschland kein Weg vorbeiführen. Die Kunden, die an das dortige Pipelinesystem angeschlossen sind, werden kaum von den tendenziell sinkenden Gaspreisen in Europa profitieren (Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag in der neuesten Energiedepesche: „Warum der Gaspreis stabil ist und bleibt“).
Geschrieben für Bund der Energieverbraucher. Originaltext hier.
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