Müllverbrennungsanlage von VF, die auch zur Wärmeauskopplung genutzt wird. Kinamand / Wikimedia / Lizenz unter CC BY-SA 3.0

Dänische Fernwärme: Jetzt geht es Gas an den Kragen

von | 3. August 2016

Wurde mit der kommu­nalen Wärme­planung ab 1980 in Dänemark noch geplant, Heizöl zu verdrängen, rückt jetzt immer mehr Erdgas in den Focus. 

Das berichtet Ralf Radloff, inzwi­schen pensio­nierter Wärmemarkt-​Experte des Minis­terium für Ener­gie­wende, Land­wirt­schaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-​Holstein und Heraus­geber des News­letters Wärmewende-Info.

Im ersten Teil widmete er sich dabei schon dieser Strategie im Großraum Kopen­hagen (mehr hier). Sein neuer News­letter (hier komplett herun­ter­zu­laden) setzt diesen Bericht nun fort.

Fest­gelegt wurden damals Wärme­vor­rang­ge­biete für Fernwärme und Erdgas. Seit 2008 und nochmals 2012 wurde in verschie­denen Verord­nungen die sukzessive Stei­gerung des Anteils erneu­er­barer Energien bei der Wärme­ver­sorgung vorge­sehen. Diese münden nun in der Verdrängung von Erdgas.

Ein Beispiel dafür ist der Varmeplan Hoved­staden. Ende 2014 wurden verschiedene Szenarien für den Ziel­ho­rizont 2035 vorge­stellt. Nach Angaben von Flemming Andersen, Tech­ni­scher Direktor des Versorgers VEKS, verfolgen die Kommunen zwar das Ziel, bis 2025 CO2-​neutral zu sein. Die Unter­nehmen orien­tieren sich aber insofern auch am Jahr 2035, weil dann die Betriebszeit der meisten bestehenden KWK-​Anlagen beendet sein wird und entschieden werden muss, welche Tech­no­logie ihre Kapazität ersetzen wird. Konzen­triert wird der Ausbau der Fern­wär­me­ver­sorgung in bishe­rigen Erdgas­ge­bieten auf Wärme aus Müll­heiz­kraft­werken und Erneu­erbare Energie-​Anlagen. Fossile Ener­gie­träger wie Erdgas spielen dann keine Rolle mehr.

Das in den poten­ti­ellen Erwei­te­rungs­ge­bieten tätige Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen (HMN) daraufhin den Erdgas­preis für Einfamilien-​Kunden gesenkt, womit die Wärme­ver­sorgung auf Basis Erdgas wieder wett­be­werbs­fähig war. „In Dänemark“ so Radloff, „wird also auch um Absatz­ge­biete gerungen. Das geschieht aber vergleichs­weise friedlich, weil es sich auf beiden Seiten um Non-​Profit-​Unternehmen handelt und ansonsten die Ener­gie­auf­sicht eingreifen würde, um die Höhe der Entschä­di­gungs­zah­lungen fest­zu­setzen.“ Eine Entschä­digung für die Verdrängten gibt es also auch.

Das ganze Modell ist in der auf Profit orien­tierten deutschen Ener­gie­wirt­schaft, zu denen auch die Stadt­werke mit ihren Abfüh­rungs­ver­trägen gehören, kaum vorstellbar.

Radloff sieht folgende Erfolgsfaktoren:

  • Die verbind­liche kommunale Wärme­planung, mit der früh­zeitig eine effi­zi­enz­ori­en­tierte Wärme­ver­sor­gungs­in­fra­struktur aufgebaut worden ist.
  • Der weit­ge­hende gesell­schaft­liche Konsens über die Energie- und Klima­schutz­po­litik, so dass im Ergebnis vieles nicht gesetzlich sondern über „Ener­gie­ver­ein­ba­rungen“ geregelt wird (vgl. z.B. sukzes­sives „Verbot fossiler Brennstoffe“).
  • Die vergleichs­weise hohe Besteuerung fossiler Ener­gie­träger (3,8 Ct./kWh) – auf deren Grundlage wesent­liche Entwick­lungen markt­ge­steuert ohne Förderung mit öffent­lichen Mitteln reali­siert werden.
  • Die Orga­ni­sation der dänischen Energieunter-​nehmen, die weit­gehend non-​profit-​Unternehmen sind.
  • Die prag­ma­tische Haltung und die Anpas­sungs­fä­higkeit der dänischen Akteure: 
    • Beispiel Kohle­ver­drängung: Kurz­fris­tiger groß-​volumiger Einsatz von Holz­pellets in den Kohle­kesseln, bis spätestens bis 2035 die Technik grund­legend erneuert sein muss.
    • Beispiel Saiso­nal­speicher (in DK kostet er etwa 2030 €/​m3, in D rund 600 €/​m3 und mehr ).

Einen Überblick über die Markt­ent­wicklung bei Solar­thermie, die auch in der dänischen Fern­wär­me­ver­sorgung eine große Rolle spielt, gibt Energieblogger-​Kollege Björn Katz hier auf seinem Blog Strom­aus­kunft.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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