Will Erneuerbare Energien lustvoll verschwenden: Timo Leukefeld. Foto: Urbansky

Ist die Ener­gie­wende nicht sexy genug?

von | 5. September 2016

Diese provo­kante Frage stellte Timo Leukefeld auf dem 5. Ostdeut­schen Ener­gie­forum. Und recht hat er – ohne Zweifel. Was sind die Rundungen eines Puffer­spei­chers schon gegen die Rundungen einer Frau? 

Und auch Strom­trassen und Elek­tro­mo­toren machen wenig her. Obwohl – ein Tesla sieht schon ganz schmuck aus.

Der Ener­gie­bot­schafter der Bundes­re­gierung und einstige Solar­un­ter­nehmer brachte einen inter­es­santen Vergleich: Ein 90jähriger würde kaum mehr chine­sisch lernen können – es sei denn, er hätte eine 40 Jahre alte Chinesin zur Freundin. Für die würde er die nötige Begeis­terung aufbringen. Leukefeld vermisst genau diese Begeis­terung bei der Energiewende.

Intel­li­gentes Verschwenden

Er selbst wohnt in einem ener­gie­aut­arken Gebäude, das sogar noch ein E‑Auto laden kann. Wenn er die Heizung aufdrehe oder Auto fahre habe er nun ein gutes Gewissen. Für ihn intel­li­gentes Verschwenden. Sein Gegensatz dazu ist das blöde Sparen, das letztlich Inves­ti­tionen verhindere.

Doch im Sparen liegt einer der Schlüssel der Ener­gie­wende. Denn die Effizienz ist letztlich nichts anderes, als Energie einzu­sparen, die man dann natürlich nicht extra erst erzeugen müsste. Sparen hat gleich Null Sexapeal.

Wenn schon recht­liche Normen das Sparen im Namen tragen (Ener­gie­Ein­spar­Ver­ordnung) oder auf einen Zwang zum Einkoppeln Erneu­er­barer Energien abheben (Erneur­ba­re­s­Ener­gien­Wär­me­Gesetz) kommt man kaum auf Gedanken von Luxus, Verschwendung und ähnlich lust­vollen Dingen. Schon eher kommt einem da das Bild eines armen Studenten in den Sinn, der mittels Kerze versucht, ein geplatztes Kondom zu vulka­ni­sieren – um mal beim Thema Lust zu bleiben.

Ziele zwingen zum Sparen

Und doch liegt Leukefeld auch falsch. Im eigenen Heim bei autarker Versorgung mag seine lustvolle Verschwendung gut funk­tio­nieren (und ist dort auch für die Moti­vation der Bewohner pro Ener­gie­wende wünschenswert), im volks­wirt­schaft­lichen Maßstab eher nicht. Dazu ein paar Zahlen der Arbeits­ge­mein­schaft Ener­gie­bi­lanzen.

Im Zuge der Ener­gie­wende sollen alle drei großen Ener­gie­sek­toren Strom, Wärme und Verkehr auf Erneu­erbare Energien umge­stellt werden. Vorrangig wird die verwendete Ener­gieform Strom sein.

Die Primär­ener­gie­ge­winnung aus Erneu­er­baren Energien im Strom­markt lag in Deutschland 2015 bei 1.702 PJ. Damit deckten sie hier gut 40 % ab. 2050 soll sich dieser Anteil auf 80 % verdoppeln, so die Bundes­re­gierung. Gleich­zeitig soll die Ener­gie­ffi­zienz, also eben jenes unge­liebte Sparen oder durch verbes­serte Tech­no­logien zu errei­chende Redu­zie­rungen, um 50 % (bezogen auf die Ener­gie­ver­brauch 2008) steigen. Der lag damals bei 14.380 PJ. Nötig wären 2050 also Erzeu­gungs­ka­pa­zi­täten in Höhe der Hälfte davon, also gut 7.190 PJ.

Erneu­erbare sind knapp

Das aber ist die vierfache Menge dessen, was aktuell an Erneu­er­baren Energien produ­ziert wird. Selbst durch diese Verdopplung der Erzeug­er­ka­pa­zi­täten (von der wir aber durch die aktuelle Gesetz­gebung weit entfernt sind) ergibt sich immer noch eine Lücke von rund 3.400 PJ. Steigt die Effizienz nicht wie gewünscht oder würde der Strom­ver­brauch auf gleichem Niveau verharren wie derzeit zu beob­achten, würde die achtfache (!) Menge an Erneu­er­barer Energie benötigt. Es bedarf wenig Phantasie zu erkennen, dass dies unmöglich ist, jeden­falls ohne Sparen, ohne Effizienz. Zur gleichen Schluss­fol­gerung kommt Volker Quaschnig in seiner Sektor­kopp­lungs­studie.

Dennoch – die Ener­gie­wende könnte deutlich mehr Begeis­terung vertragen. Im Idealfall schließt sie das unge­liebte Thema Ener­gie­ef­fi­zienz mit ein. Und so gesehen hat Timo Leukefeld natürlich recht.


Viele wirklich fundierte Beiträge zum Thema Ener­gie­ef­fi­zienz bietet Energieblogger-​Kollege Andreas Kühl hier auf seinem Blog Energynet.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Der Smart Meter Rollout soll helfen Strom zu sparen und Lasten zu kappen. Das könnte Mietern und Verwaltern deutliche finanzielle Vorteile bringen. Doch der Ausbau geht nur schleppend voran. Zudem wären bei einer Einbindung der Wärmeversorgung in den Rollout die...