Das Münchener IGT – Institut für Gebäudetechnologie gibt monatlich Tipps heraus, mit denen Mietern, Verwaltern und TGA-Verantwortlichen die Steuerung der Haustechnik leicht gemacht werden soll. Im Oktober nun geht es um den Vergleich der Funkprotokolle im Umfeld von Smart Buildings.
Im Umfeld der Raumautomation kommen zunehmend funkbasierte Über-tragungsprotokolle zum Einsatz. Dabei steht eine Vielzahl an Protokollen zur Auswahl und es drängt sich die Frage nach einem Eignungsvergleich auf. D.h. wie gut oder schlecht ist ein Funkprotokoll im Vergleich zu den anderen?
Dabei ist es für den Vergleich ausgesprochen wichtig, die Anwendungs-fälle vorab zu klären, welche für die funkbasierten Protokolle eingesetzt werden. Nur so lassen sich die Anforderungen festschreiben, gegen die die Eigenschaften der Protokolle verglichen werden.
Anwendungsfälle in modernen Gebäuden
Grundlage für die Eignungsbewertung von funkbasierten Übertragungsprotokollen sind die abzudeckenden Anwendungsfälle (use cases). Denn erst, wenn man festlegt, was zu automatisieren ist, kann bewertet werden, wie angemessen oder nicht die möglichen Protokolle sind.
Im Bereich der klassischen Raum- und Anlagenautomation sind das u.a. die Folgenden:
- Die Raumtemperatur wird raumindividuell unter Berücksichtigung von Präsenz sowie Fens-terzuständen geregelt.
- Die Lüftung und Kühlung wird raumindividuell unter Berücksichtigung von Lufttemperatur, Luftqualität (CO2 und/oder VOC) und Luftfeuchte geregelt.
- Die Beleuchtung wird raumindividuell gedimmt. Taster zur Bedienung steuern je nach Be-darf einzelne Leuchten oder komplette Lichtszenen für mehrere Leuchten. Zusätzlich kann für die Beleuchtungsstärke die Präsenz bzw. die vorhandene Tageslichthelligkeit berück-sichtigt werden.
- Die Rollläden/Jalousien fahren in Abhängigkeit der Raumtemperatur (sommerlicher Wär-meschutz).
- Die Position von Tastern für die Beleuchtung und Verschattung ist ortsveränderlich, um die-se bei Veränderungen von z.B. Trennwänden oder Möbeln entsprechend anpassen zu können. Zudem sind einige Taster auch als Handsender verfügbar.
- Die Wärmeversorgung der Heizkreise bzw. Kälteversorgung der Kältekreise erfolgt bedarfsabhängig und unter Berücksichtigung zukünftiger Lasten (inklusive Aspekte für Vorlauftemperaturen und Drehzahlregelungen der Pumpen).
- Bei mehreren Wärme- bzw. Kälteerzeugern werden diese gemäß einer lastorientierten Prioritätensteuerung betrieben.
- In Bezug auf die Wärmerückgewinnung bei Lüftungsanlagen werden Vereisungen und Überhitzungen erkannt bzw. vermieden.
- Fehlermeldungen, Betriebsstunden und Energieverbräuche werden protokolliert und ausgewertet.
In Bezug auf weitere Mehrwertdienste entwickeln sich derzeit Anwendungsfälle wie u.a.:
- Sowohl Besprechungsräume als auch Arbeitsplätze in Großraumbüros können per Smart-phone dynamisch gebucht und wieder freigegeben werden. Dabei kann ein vorzeitiges En-de von Besprechungen bzw. Nichtbelegungen von Arbeitsplätzen erkannt werden, welches wiederum zu einer entsprechenden Freigabe führt.
- Sensoren zur Erkennung der Anwesenheit von Personen ermöglichen Nutzungsanalysen von Besprechungsräumen, Erkennung von Ressourcenauslastung/Nutzung, dem Aufzeich-nen von No-shows in Besprechungsräumen, der Verwaltung von Raumauslastungen sowie der Verwaltung von z.B. Catering- Dienste.
- Durch die Analyse von Auslastungsmustern können Mitarbeitern bestimmte Arbeitsplätze zugewiesen werden. Die ungenutzten Gebäudebereiche können anschließend in einen Energiesparmodus versetzt werden. Kosten für Heizung, Kühlung und Elektrizität werden dadurch verringert.
- Die Belegung im Gebäude kann graphisch über „Heat Maps” oder „Moving Trails” angezeigt werden. So kann ermittelt werden, wie viele Personen sich wo aufhalten. Das Verständnis dazu hilft bei der Flächenplanung (z.B. Raumgrößen, Position von Besprechungszonen etc.).
- Mitarbeiter und Gäste können durch das Gebäude navigiert werden. Das kann genutzt werden, um schneller zu einem gewünschten Besprechungsraum etc. zu finden, was bei wech-selnden Standorten hilfreich ist.
- Die Kantinenauslastung (d.h. voraussichtliche Wartezeit bei der Essensausgabe) wird erfasst und kann vom Arbeitsplatz aus eingesehen werden.
- Die Nutzungsintensität von Toiletten wird erfasst, um die Reinigungsintervalle anzupassen.
- Aufzüge, Kaffeemaschinen etc. melden Ihre Nutzungsdaten bzw. Betriebszustände, um Serviceintervalle anzupassen.
- Sensordaten in der Gebäudetechnik (wie Pumpen, Kehrmaschinen, Heizungsanlagen und Aufzüge) überwachen das Verhalten und melden Unregelmäßigkeiten. Dadurch wird die Genauigkeit bei der Fehlersuche verbessert und Störungswahrscheinlichkeiten können vor-hergesagt werden.
Entscheidungskriterien für die Eignungsbeurteilung von funkbasierten Über-tragungsprotokollen
Auf Basis der aufgeführten Anwendungsfälle lassen sich Kriterium für die funkbasierten Übertra-gungsprotokolle ableiten. Im Folgenden wird verwendet:
- Eignung des Frequenzbandes (K.O. – Kriterium): Auf Basis der Anwendungsfälle ergibt sich die Forderung nach kleinen Datenpaketen (10 bis 100 Bytes), Latenzzeiten im Bereich von 0,1 Sekunde bis 1 Sekunde und anwendungstypisch erforderlichen Reichweiten (ca. 10 m bis 100 m). Dabei ist die Eignung des Frequenzbandes ein K.O.-Kriterium – denn wenn bereits die grundlegenden Übertragungskriterien nicht oder nur eingeschränkt erfüllt werden, kann sich für die ganzzeitliche Bewertung eines Übertragungsprotokolls kein positiveres Gesamtbild ergeben.
- Herstellerabhängigkeit: Im Interesse des Nutzers sollte möglichst keine Herstellerabhängigkeit gegeben sein. Somit sollte das Übertragungsprotokoll standardisiert sein und Produkte/Komponenten von unterschiedlichen Herstellern interoperabel sein.
- Infrastruktur: Idealerweise muss keine eigene Infrastruktur aufgebaut werden. Das ist dann der Fall, wenn die Übertragungs-Reichweite des Funksignals sehr hoch ist. Diese Va-riante hat insbesondere dann Vorteile, wenn eine geringe Dichte an Sensoren installiert wird. Im Gegenzug muss eine Infrastruktur wie z.B. kabelseitig vernetzte Antennen bzw. Gateways aufgebaut oder die Bildung von vermaschter Kommunikation unterstützt werden.
- Integrationsfähigkeit: Idealerweise ist eine breite Unterstützung des Protokolls von markt-üblichen Controller-Herstellern sowie Verfügbarkeit entsprechender Gateways von mehre-ren Herstellern gegeben und nachweisliche Praxis-Referenzprojekte liegen vor.
- Marktverfügbares Angebot von konkreten Komponenten: Die für die aufgeführten An-wendungsfälle erforderlichen Sensoren sollten alle als bestellbare Komponente verfügbar sein.
- Mess- und Prüfmöglichkeiten: Zur Fehleranalyse sollten Mess- und Prüfgeräte samt Do-kumentation zur Anwendung/Bedienung verfügbar sein.
- Spannungsversorgung: Der Vorteil funkbasierter Sensoren liegt darin, diese ortsveränderlich positionieren zu können. Dazu ist eine externe kabelgebundene Spannungsversorgung hinderlich. Idealerweise sind Sensoren eigenenergieversorgt; im Falle von Batteriebetrieb ist zumindest ein geringer Eigenenergieverbrauch wichtig.
- Verschlüsselung: Datensicherheit und Integrität sollten durch die Unterstützung von Verschlüsselung gewährleistet werden.
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