Für Verbraucher ab 6.000 kWh schon jetzt Pflicht: Smart Meter für den Stromverbrauch. Foto: innogy

Vergleich der Funk­pro­to­kolle im Umfeld von Smart Buildings

von | 27. Oktober 2020

Das Mün­che­ner IGT – Insti­tut für Gebäu­de­tech­no­lo­gie gibt monat­lich Tipps heraus, mit denen Mietern, Ver­wal­tern und TGA-Ver­ant­wort­li­chen die Steue­rung der Haus­tech­nik leicht gemacht werden soll. Im Oktober nun geht es um den Vergleich der Funk­pro­to­kolle im Umfeld von Smart Buildings.

Im Umfeld der Raum­au­to­mation kommen zunehmend funk­ba­sierte Über-​tragungsprotokolle zum Einsatz. Dabei steht eine Vielzahl an Proto­kollen zur Auswahl und es drängt sich die Frage nach einem Eignungs­ver­gleich auf. D.h. wie gut oder schlecht ist ein Funk­pro­tokoll im Vergleich zu den anderen?

Dabei ist es für den Vergleich ausge­sprochen wichtig, die Anwendungs-​fälle vorab zu klären, welche für die funk­ba­sierten Proto­kolle einge­setzt werden. Nur so lassen sich die Anfor­de­rungen fest­schreiben, gegen die die Eigen­schaften der Proto­kolle verglichen werden.

Anwen­dungs­fälle in modernen Gebäuden

Grundlage für die Eignungs­be­wertung von funk­ba­sierten Über­tra­gungs­pro­to­kollen sind die abzu­de­ckenden Anwen­dungs­fälle (use cases). Denn erst, wenn man festlegt, was zu auto­ma­ti­sieren ist, kann bewertet werden, wie ange­messen oder nicht die möglichen Proto­kolle sind.

Im Bereich der klas­si­schen Raum- und Anla­gen­au­to­mation sind das u.a. die Folgenden:

  • Die Raum­tem­pe­ratur wird raum­in­di­vi­duell unter Berück­sich­tigung von Präsenz sowie Fens-​terzuständen geregelt.
  • Die Lüftung und Kühlung wird raum­in­di­vi­duell unter Berück­sich­tigung von Luft­tem­pe­ratur, Luft­qua­lität (CO2 und/​oder VOC) und Luft­feuchte geregelt.
  • Die Beleuchtung wird raum­in­di­vi­duell gedimmt. Taster zur Bedienung steuern je nach Be-​darf einzelne Leuchten oder komplette Licht­szenen für mehrere Leuchten. Zusätzlich kann für die Beleuch­tungs­stärke die Präsenz bzw. die vorhandene Tages­licht­hel­ligkeit berück-​sichtigt werden.
  • Die Rollläden/​Jalousien fahren in Abhän­gigkeit der Raum­tem­pe­ratur (sommer­licher Wär-meschutz).
  • Die Position von Tastern für die Beleuchtung und Verschattung ist orts­ver­än­derlich, um die-​se bei Verän­de­rungen von z.B. Trenn­wänden oder Möbeln entspre­chend anpassen zu können. Zudem sind einige Taster auch als Hand­sender verfügbar.
  • Die Wärme­ver­sorgung der Heiz­kreise bzw. Kälte­ver­sorgung der Kälte­kreise erfolgt bedarfs­ab­hängig und unter Berück­sich­tigung zukünf­tiger Lasten (inklusive Aspekte für Vorlauf­tem­pe­ra­turen und Dreh­zahl­re­ge­lungen der Pumpen).
  • Bei mehreren Wärme- bzw. Kälte­er­zeugern werden diese gemäß einer last­ori­en­tierten Prio­ri­tä­ten­steuerung betrieben.
  • In Bezug auf die Wärme­rück­ge­winnung bei Lüftungs­an­lagen werden Verei­sungen und Über­hit­zungen erkannt bzw. vermieden.
  • Fehler­mel­dungen, Betriebs­stunden und Ener­gie­ver­bräuche werden proto­kol­liert und ausgewertet.

In Bezug auf weitere Mehr­wert­dienste entwi­ckeln sich derzeit Anwen­dungs­fälle wie u.a.:

  • Sowohl Bespre­chungs­räume als auch Arbeits­plätze in Groß­raum­büros können per Smart-​phone dynamisch gebucht und wieder frei­ge­geben werden. Dabei kann ein vorzei­tiges En-​de von Bespre­chungen bzw. Nicht­be­le­gungen von Arbeits­plätzen erkannt werden, welches wiederum zu einer entspre­chenden Freigabe führt.
  • Sensoren zur Erkennung der Anwe­senheit von Personen ermög­lichen Nutzungs­ana­lysen von Bespre­chungs­räumen, Erkennung von Ressourcenauslastung/​Nutzung, dem Aufzeich-​nen von No-​shows in Bespre­chungs­räumen, der Verwaltung von Raum­aus­las­tungen sowie der Verwaltung von z.B. Catering- Dienste.
  • Durch die Analyse von Auslas­tungs­mustern können Mitar­beitern bestimmte Arbeits­plätze zuge­wiesen werden. Die unge­nutzten Gebäu­de­be­reiche können anschließend in einen Ener­gie­spar­modus versetzt werden. Kosten für Heizung, Kühlung und Elek­tri­zität werden dadurch verringert.
  • Die Belegung im Gebäude kann graphisch über „Heat Maps” oder „Moving Trails” angezeigt werden. So kann ermittelt werden, wie viele Personen sich wo aufhalten. Das Verständnis dazu hilft bei der Flächen­planung (z.B. Raum­größen, Position von Bespre­chungs­zonen etc.).
  • Mitar­beiter und Gäste können durch das Gebäude navigiert werden. Das kann genutzt werden, um schneller zu einem gewünschten Bespre­chungsraum etc. zu finden, was bei wech-​selnden Stand­orten hilfreich ist.
  • Die Kanti­nen­aus­lastung (d.h. voraus­sicht­liche Wartezeit bei der Essens­ausgabe) wird erfasst und kann vom Arbeits­platz aus einge­sehen werden.
  • Die Nutzungs­in­ten­sität von Toiletten wird erfasst, um die Reini­gungs­in­ter­valle anzupassen.
  • Aufzüge, Kaffee­ma­schinen etc. melden Ihre Nutzungs­daten bzw. Betriebs­zu­stände, um Service­in­ter­valle anzupassen.
  • Sensor­daten in der Gebäu­de­technik (wie Pumpen, Kehr­ma­schinen, Heizungs­an­lagen und Aufzüge) über­wachen das Verhalten und melden Unre­gel­mä­ßig­keiten. Dadurch wird die Genau­igkeit bei der Fehler­suche verbessert und Störungs­wahr­schein­lich­keiten können vor-​hergesagt werden.
    Entschei­dungs­kri­terien für die Eignungs­be­ur­teilung von funk­ba­sierten Über-tragungsprotokollen

Auf Basis der aufge­führten Anwen­dungs­fälle lassen sich Kriterium für die funk­ba­sierten Übertra-​gungsprotokolle ableiten. Im Folgenden wird verwendet:

  • Eignung des Frequenz­bandes (K.O. – Kriterium): Auf Basis der Anwen­dungs­fälle ergibt sich die Forderung nach kleinen Daten­pa­keten (10 bis 100 Bytes), Latenz­zeiten im Bereich von 0,1 Sekunde bis 1 Sekunde und anwen­dungs­ty­pisch erfor­der­lichen Reich­weiten (ca. 10 m bis 100 m). Dabei ist die Eignung des Frequenz­bandes ein K.O.-Kriterium – denn wenn bereits die grund­le­genden Über­tra­gungs­kri­terien nicht oder nur einge­schränkt erfüllt werden, kann sich für die ganz­zeit­liche Bewertung eines Über­tra­gungs­pro­to­kolls kein posi­ti­veres Gesamtbild ergeben.
  • Herstel­ler­ab­hän­gigkeit: Im Interesse des Nutzers sollte möglichst keine Herstel­ler­ab­hän­gigkeit gegeben sein. Somit sollte das Über­tra­gungs­pro­tokoll stan­dar­di­siert sein und Produkte/​Komponenten von unter­schied­lichen Herstellern inter­ope­rabel sein.
  • Infra­struktur: Idea­ler­weise muss keine eigene Infra­struktur aufgebaut werden. Das ist dann der Fall, wenn die Übertragungs-​Reichweite des Funk­si­gnals sehr hoch ist. Diese Va-​riante hat insbe­sondere dann Vorteile, wenn eine geringe Dichte an Sensoren instal­liert wird. Im Gegenzug muss eine Infra­struktur wie z.B. kabel­seitig vernetzte Antennen bzw. Gateways aufgebaut oder die Bildung von vermaschter Kommu­ni­kation unter­stützt werden.
  • Inte­gra­ti­ons­fä­higkeit: Idea­ler­weise ist eine breite Unter­stützung des Proto­kolls von markt-​üblichen Controller-​Herstellern sowie Verfüg­barkeit entspre­chender Gateways von mehre-​ren Herstellern gegeben und nach­weis­liche Praxis-​Referenzprojekte liegen vor.
  • Markt­ver­füg­bares Angebot von konkreten Kompo­nenten: Die für die aufge­führten An-​wendungsfälle erfor­der­lichen Sensoren sollten alle als bestellbare Kompo­nente verfügbar sein.
  • Mess- und Prüf­mög­lich­keiten: Zur Fehler­analyse sollten Mess- und Prüf­geräte samt Do-​kumentation zur Anwendung/​Bedienung verfügbar sein.
  • Span­nungs­ver­sorgung: Der Vorteil funk­ba­sierter Sensoren liegt darin, diese orts­ver­än­derlich posi­tio­nieren zu können. Dazu ist eine externe kabel­ge­bundene Span­nungs­ver­sorgung hinderlich. Idea­ler­weise sind Sensoren eigen­ener­gie­ver­sorgt; im Falle von Batte­rie­be­trieb ist zumindest ein geringer Eigen­ener­gie­ver­brauch wichtig.
  • Verschlüs­selung: Daten­si­cherheit und Inte­grität sollten durch die Unter­stützung von Verschlüs­selung gewähr­leistet werden.

Eine ausführ­li­chere Beschreibung (Steck­briefe der unter­suchten Proto­kolle; genauere Beschreibung der Herleitung der Kriterien sowie Durch­führung der Bewertung) ist in einem umfang­reichen 44-​seitigen White­paper beschrieben und hier kostenlos verfügbar.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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