Es ist immer noch eines der großen Probleme der Energiewende: Was tun mit einmal produzierten, aber nicht zu gebrauchenden überschüssigen Strom aus Wind und PV? Speicher ist die eine Lösung, intelligente Anwendungen wie Smart Meter eine andere. Doch auch der Wärmemarkt ist in der Lage, den Strom aufzunehmen und in Wärme umzuwandeln. Das ist zwar nicht sehr effizient, aber immer noch besser, als Windräder abzuschalten oder eine Netzüberlastung zu riskieren.
In einem Modellversuch im badischen Boxberg (Main-Tauber-Kreis) testet die EnBW, inwieweit Wärmestrom-Anlagen eingesetzt werden können, um den überschüssigen Strom sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig die Netze zu stabilisieren. Erste Ergebnisse liegen vor. 2016 nun soll das Prjekt weitergeführt werden.
Gemeinsam mit der Gemeinde Boxberg fand die EnBW im Boxberger Ortsteil Oberschüpf die ersten 15 Wärmestrom-Kunden, die in der Heizperiode vor zwei Jahren den Start des Forschungsprojekts begleiteten. Bei einem Teil der Gruppe wurde ein Zusatzgerät installiert, das es ermöglichte, die Anlage bei Bedarf anzusteuern und zu regeln. Kosten entstanden den Kunden dafür nicht. Eine kleine Vergütung belohnte hingegen ihren Pioniergeist. Mit der Heizperiode 2014/15 hat die EnBW die Forschungsgruppe auf 150 Wärmestrom-Kunden ausgeweitet.
Der Versuch hob und hebt auf kleinere Verbraucher in Privathaushalten, Kleingewerbe und kommunalen Liegenschaften ab. Die Gemeinden zeichnen sich durch eine Kombination aus hoher und steigender Anzahl an Wind- und PV-Anlagen in Verbindung mit einer hohen Dichte von Wärmestromanlagen, also Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen, aus.
Die Ziele waren folgende:
- Die Lastspitzen durch den Überschuss erneuerbarer Energien im Stromnetz werden reduziert. Das Stromnetz kann dadurch effizienter betrieben werden.
- Im Stromnetz werden zukunftsträchtige Techniken wie intelligente Ortsnetzstationen eingesetzt, die auch bei stark schwankender Energieerzeugung eine hohe Versorgungssicherheit garantieren.
- Die Erfahrungen fließen in die Überlegungen für mögliche Kundenangebote ein.
Nun liegen die ersten Ergebnisse aus der letzten Heizperiode vor. Die EnBW dazu:
Der Modellversuch zeigt, wie das Zusammenspiel von Smart Market und Smart Grid aussehen könnte. Mit der Umsetzung des Freigabequotenprinzips im Modellversuch ist es gelungen, ein effizientes System zur Bewirtschaftung beziehungsweise verlässlichen Vermeidung von potentiellen Netzengpässen für die Nieder- und Mittelspannungsebene aufzubauen.
Die Freigabequoten lassen dabei auf der Marktseite ein Größtmaß an Freiheiten für vertriebliche Aktivitäten zu. Das Prinzip lässt sich diskriminierungsfrei auch für mehrere Lieferanten in einem Netzgebiet aufbauen.
Für eine Realisierung, etwa als eigenständigen Tarif, bedarf es aber nach Ansicht von EnBW noch der folgenden politischen und rechtlichen Änderungen:
- Die Einführung von intelligenten Messsystemen (Smart Meter): Messsysteme bilden das zentrale Element zur Nutzbarmachung von Flexibilitäten. Es ist daher sicherzustellen, dass diese neue Infrastruktur die Anforderungen neuer Produkte erfüllt und von diesen genutzt werden können.
- Die Umsetzung neuer Bilanzierungsverfahren: Um flexible Tarife anbieten zu können, muss das bisherige Bilanzierungsverfahren (auf Basis von Standardlastprofilen) durch ein neuartiges Bilanzierungsverfahren abgelöst werden. In diesem Zusammenhang sind geringfüge Anpassungen bei den Marktprozessen erforderlich.
- Die Bestimmung der Freiheitsgrade im Verteilnetz (Gleichzeitigkeitsfaktoren): Um die Systemstabilität in den Verteilnetzen nicht zu gefährden, müssen die Freiheitsgrade bzw. freien Kapazitäten einzelner Netzabschnitte bekannt sein. Die Bestimmung und Überwachung der Freiheitsgrade ist mit einem nicht vernachlässigbaren Aufwand verbunden. Dies setzt eine Anerkennung der Kosten im Rahmen der Anreizregulierung voraus.
- Die Ausgestaltung des §14a EnWG: Das aktuelle Energiewirtschaftsgesetz beinhaltet eine Verordnungsermächtigung, die für unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen bei einem netzdienlichen Verhalten ein gesondertes Netzentgelt vorsieht. Die EnBW sieht den vorgestellten Ansatz als mögliche Weiterentwicklung des bisherigen Systems der Freigabe- und Sperrzeiten.
Vorschaubild: Der Solarpark Leibertingen der EnBW. Foto: EnBW /Uli Deck
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