Pläne, Zahlungen ab 5000 Euro in Zukunft bargeldfrei zu machen, sind derzeit in der Diskussion. Tankstellen waren schon immer Vorreiter beim bargeldlosen Zahlen. Dennoch fällt auch heir eine Menge Bargeld an. Deswegen sind sie täglich das Ziel von Überfällen.
Meist haben es die Räuber auf Bargeld abgesehen. Doch werden sie in Zukunft diese Beute überhaupt noch vorfinden? Vordenker der Branche sagen: Nein! Bezahlt wird dann nur noch bargeld- und kontaktlos – so, wie sich das Politiker heute schon wünschen.
Bargeld ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko. So absurd das klingen mag: Es ist recht teuer. Im Rahmen der EU-weiten Payment Service Directive (PSD) wird sich die Beschaffung von Münzen und Scheinen verteuern. Ganz zu schweigen von steigenden Gebühren für Wertpapiertransporte. Neben dem Sicherheitsaspekt sollten dies genug Gründe sein, über Wege abseits vom Bargeld nachzudenken.
Beim Zukunftsforum Tankstelle wurde nicht nur laut über Alternativen zum Cash nachgedacht, sondern handfeste Lösungen gezeigt. Eine besonders gebräuchliche ist die girocard, die landläufig noch immer unter dem Namen EC-Karte bekannt ist. An der Tankstelle ist dies mit Abstand die beliebteste Zahlungsart, weiß Jens Stolte. Der Unternehmensberater verwies darauf, dass gut 68 Prozent aller Tankstellenkunden regelmäßig ihr Geld auf diese Weise an der Tankstelle lassen. Verglichen mit dem Einzelhandel ist dies ein sehr hoher Wert, denn dort zahlen noch gut 60 Prozent bar.
Bis 20 Euro wird bar gezahlt
Aufgeladene Geldkarten sowie Kredit- und Kundenkarten spielen an der Tankstelle kaum eine Rolle. Bargeld nutzen hingegen 37Prozent aller Kunden regelmäßig. Bezahlt werden damit meist Beträge bis zu 20 Euro, und zwar von 95Prozent der Kunden. Davon will die Branche weg – hin zu unbaren Systemen. „Die Mineralölbranche wird auch hier ihrem Ruf als Trendsetter gerecht“, so Stolte. Denn schließlich sei das bargeldlose Bezahlen in Deutschland ganz eng mit den Tankstellen verbunden.
Die Zukunft ist kontaktlos
Soll dies auch weiter so bleiben, wird die Branche aber auch den nächsten Schritt gehen müssen – den Weg zum kontaktlosen Bezahlen. Im März 2012 wagte Esso mit einer Tankstelle in Hannover den Schritt nach vorn. Gemeinsam mit der Sparkasse führte der Öl-Multi das am Markt bereits erprobte System girogo ein.
Mangelnde Kundenakzeptanz musste dabei niemand fürchten. „43 Prozent aller Kunden könnten es sich auf jeden Fall vorstellen, in Zukunft kontaktlos zu bezahlen, 57 Prozent unter bestimmten Umständen“, so Stolte. Faktisch niemand könne es sich nicht vorstellen. Wunschträger-Medium Nummer 1 ist die jetzt schon beliebte girocard, gefolgt von Smartphone und Kreditkarte. Letztere ist jedoch in Deutschland, im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, nicht sehr verbreitet.
In einem seit April letzten Jahres laufenden Versuch im Großraum Hannover, in den die schon erwähnte Esso-Tankstelle eingebunden ist, nutzen gut 1,3 Millionen Inhaber von Girokarten der dortigen Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken das System. Ein neues Trägermedium ist nicht nötig, eine entsprechend ausgestattete Karte tut es auch. Und darauf läuft es hinaus. Denn die girocard hat schon jetzt eine Marktverbreitung von deutlich über 90 Millionen Exemplaren, während Kreditkarten von Mastercard und Visa deutlich unter 20 Prozent stagnieren.
Karten bleiben passiv
Technisch gesehen werden die Karten mit einer eigenen Software sowie einer Antenne ausgerüstet. So werden sie bei einem entsprechenden Lesegerät automatisch erkannt. „Die Karte selbst bleibt dabei passiv“, erklärt Stolte. Es sei ein weitverbreiteter Irrtum, dass die Karte die Kunden-Daten dauernd aussende, die dann auch missbraucht werden könnten. Sicherheitslücken sind während der Testphase nicht aufgefallen.
Letztlich funktioniere die Karte nur, wenn sie aktiv in das Nahfeld, etwa im Abstand von 2 bis 3 Zentimeter vor das Terminal gehalten wird. Daher kommt auch der Name der Technologie, die so genannte Near Field Communication, kurz NFC. Die wiederum ist auch nicht an die Form einer Karte gebunden, sie kann sich auch in einer Gürtelschnalle oder anderen Accessoires befinden.
Die girogo-Nutzer müssen ihren Chip auf der Karte vorher aufladen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine nutzt einen Terminal mit PIN-Eingabe (hier ist eine ebenfalls kontaktfreie Variante in einer zweiten Testphase angedacht). Angeboten wird dabei ein Betrag von 35 Euro, in der erwähnten Testphase sind es auch jene magischen 20 Euro, die an der Tankstelle bisher überwiegend bar bezahlt werden (siehe Brennstoffspiegel 2/12, Seite 36). Die andere ist ebenfalls „kontaktlos“ im Abo-Verfahren. Dabei erfolgt das Aufladen bis zu einer Maximalgrenze von 200 Euro automatisch.
Die Akzeptanz bei den Probanden ist ordentlich, belegt die nun in Düsseldorf vorgestellte Auswertung. 67 Prozent sehen girogo tatsächlich als Alternative zum Bargeld, insgesamt 89 Prozent bezahlen damit jetzt schon häufig bis gelegentlich. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass vor allem jüngere Kunden das System annehmen.
Doch allein die Akzeptanz durch jüngere Tankstellen-Kunden ist kaum ausreichend für eine flächendeckende Einführung des Systems – es geht eben auch ums Geld: „Gerade für die Mineralölbranche ist es wichtig, dass girogo gegenüber Barzahlung und anderen Kartensystemen Einsparungen mit sich bringt“, weiß Stolte. Das Händlerentgelt beträgt bei Zahlungen bis 5 Euro 1 Cent, bis 10 Euro werden 2 Cent fällig und bis 20 Euro 3 Cent je Transaktion. Das ist deutlich weniger als bei anderen Bezahlsystemen.
Ohne Karte und Kontakt geht auch
Vorteile gibt es noch mehr. So spart man schlichtweg Zeit beim Bezahlen. Stolte rechne mit effektiv einer Sekunde Bezahlvorgang, da das Eingeben von PIN sowie Unterschriften wegfallen. Die Kosten für das Bargeldhandling entfallen (vom eingangs erwähnten Sicherheitsaspekt ganz zu schweigen) und girogo ist für Mobile Payment, also fürs Bezahlen von unterwegs gut geeignet. Dafür ist dann nicht mal mehr eine Karte nötig, denn die wird als App wie eine digitale Geldbörse, vergleichbar mit den schon gängigen Wallets, ins Handy integriert. Ob sich das durchsetzt, wird vor allem von den Fähigkeiten und Attraktivität der damit ausgerüsteten Handys abhängen. Und von den jugendlichen Nutzern, die diese karten- und kontaktfreie Zahlungsmethode dann nutzen.
Keine dreckigen Geldscheine ‑ bessere Hygiene
Daraus resultiert ein deutlich höherer Service: Ein schnellerer Check-Out erhöht die Kundenzufriedenheit. Weil in der gleichen Zeit wie zuvor mehr Kunden bedient werden können, kann ein Umsatzplus die Folge sein. Doch dies setzt natürlich einen höheren Kundenstrom voraus. Dieser wiederum könnte sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda einstellen, „weil es ja in dieser Tankstelle besonders schnell geht“, so Stolte. Und schließlich: Kontaktlos ist immer hygienischer als Bargeld. Denn jeder zehnte Geldschein, so Londoner Forscher bei einer Vorführung im Oktober letzten Jahres, ist bakteriell regelrecht verseucht.
Geschrieben für Brennstoffspiegel und für diesen Blog aktualisiert. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 01/2013 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
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