Dr. Matthias Schulz. Foto IKTS

EAST: Ener­gie­infra­struktur muss sich zu dezen­traler Land­schaft aus Erzeugung und Verbrauch wandeln

von | 14. August 2019

Interview mit Dr. Matthias Schulz vom Fraun­hofer IKTS in Hermsdorf

Dabei werden neben Batterien auch andere Tech­no­logien von Nöten sein, um diese Mammut­aufgabe auf dem Weg zur 0CO2 Gesell­schaft zu meistern.

Am 16./17. September 2019 startet die erste EAST Energy And Storage Tech­no­logies exhi­bition & confe­rence im Congress­Center der Erfurter Messe. In loser Folge inter­viewt im Vorfeld AKTUELLES Redner, die in den verschie­denen Workshops mit ihren Themen zum Gelingen der EAST beitragen. Heute gelten die Fragen Dr. Matthias Schulz, der im Workshop Tech­no­logien über kera­mische Natrium-​Batterien als kosten­günstige stationäre Strom­speicher mit einhei­mi­scher Wert­schöpfung berichtet.

Sie leiten die Arbeits­gruppe „Stationäre Ener­gie­speicher“ in der Abteilung „System­in­te­gration und Tech­no­lo­gie­transfer“ des Fraun­hofer IKTS in Hermsdorf. Welche Schwer­punkte verfolgt ihre Arbeitsgruppe?

Schulz: Meine Arbeits­gruppe setzt sich aus 10 Wissen­schaftlern, Dokto­randen und Tech­nikern zusammen. Wir befassen uns mit verschie­denen Tech­no­logien zur Ener­gie­spei­cherung, wobei „Kera­mische“ Batterien im Moment einen großen Schwer­punkt darstellen. Unser Fokus liegt bei allen Akti­vi­täten auf der Entwicklung von nicht Lithium basierten Tech­no­logien für die stationäre Spei­cherung. Ausgehend von Werk­stoff­ent­wick­lungen befassen wir uns mit Zell­ent­wick­lungen und elek­tro­che­mi­schen Methoden zur Bewertung der Werk­stoffe und Zell­kon­zepte. Mit Hilfe von Kollegen aus anderen Arbeits­gruppen bear­beiten wir die gesamte Wert­schöp­fungs­kette bis hin zum Batterie-Prototypen.

Gemeinsam mit den Fraunhofer-​Forschern Prof. Michael Stelter, Dr. Roland Weidl, Heidi Dohndorf, Lutz Kiesel, Martin Hofacker und Benjamin Schüssler haben Sie eine kera­mische Batterie entwi­ckelt, die voll­ständig aus unkri­ti­schen und einhei­mi­schen Rohstoffen herge­stellt wird. Worin liegen weitere Beson­der­heiten dieser Batterie?

Bei hoher Ener­gie­dichte von 110 Wh/​kg ist der Batte­rietyp extrem sicher und sehr robust. Die „Chemie“ der Zelle ist verglichen mit Li-​Ion Batterien nicht anfällig gegen Über­ladung. Kritische Zustände die zum Brand oder gar zur Explosion führen, können nicht auftreten. Auch ist das Entweichen gefähr­licher Gase ausge­schlossen. Die Batterien können somit ohne weitere Sicher­heits­maß­nahmen in Gebäuden instal­liert werden. Aufgrund der Historie der Tech­no­logie sind prin­zi­piell Lebens­dauern von über 10 Jahren mit über 4500 Voll­zyklen nach­ge­wiesen. Auch das Recycling der Batterien ist kein Problem. Die Zellen werden als wert­voller Sekun­där­roh­stoff von der Stahl­in­dustrie gekauft, was ökono­misch äußerst vorteilhaft ist.

Am 8. April 2019 haben Sie hierfür den Thüringer Forschungs­preis in der Kategorie „Ange­wandte Forschung“ erhalten. Können Sie diese Ehrung noch einmal Revue passieren lassen?

Die Auszeichnung mit dem Thüringer Forschungs­preis ist für mich und das Team eine große Ehre. Die Arbeiten an diesem Batte­rietyp haben 2012 mit der Finan­zierung eines Grund­la­gen­pro­jektes durch das Land Thüringen (Forscher­gruppe) begonnen. Im Lauf der Jahre wurde das Thema syste­ma­tisch weiter bear­beitet, so dass im Januar diesen Jahres der Tech­no­lo­gie­transfer an ein Indus­trie­un­ter­nehmen gestartet ist. Diesen Entwick­lungs­zyklus in Gänze mitzu­er­leben und durch einen Preis gewürdigt zu werden, ist sicher etwas Einma­liges im Leben eines Wissenschaftlers.

Defi­nieren Sie die Rolle von Ener­gie­spei­chern im Gesamt­kontext der Energiewende.

Ohne Ener­gie­speicher wird es nicht gehen! Das zeigen so ziemlich alle Prognosen. Die Ener­gie­infra­struktur wird sich zu einer dezen­tralen Land­schaft aus Erzeugung und Verbrauch wandeln müssen. Ohne Speicher im Netz funk­tio­niert das nicht. Dabei werden neben Batterien auch andere Tech­no­logien von Nöten sein um diese Mammut­aufgabe auf dem Weg zur 0CO2 Gesell­schaft zu meistern.

Nennen Sie abschließend Heraus­for­de­rungen, die, ihrer Ansicht nach, zum positiven Gelingen der Ener­gie­wende noch bevorstehen.

Aus meiner Sicht müssen insbe­sondere die poli­ti­schen und gesell­schaft­lichen Rahmen­be­din­gungen geschaffen werden. Es muss ökono­misch sinnvoll werden erneu­erbare Energien zu nutzen. Dies kann am besten durch Schaffung von Anreizen für die „Erneu­er­baren“ und Abschaffung von Subven­tionen für die „Fossilen“ erfolgen. Verbote halte ich nur begrenzt für ziel­führend. Tech­no­lo­gisch ist alles schon jetzt möglich. Weiterhin ist es an uns Verzicht zu üben. D.h. Ener­gie­sparen, wo es nur geht.


Gekürzt. Das kom­plette Inter­view ist hier auf der Seite vom Verlag VI-​Strategie nachzulesen.

Alle Infor­ma­tio­nen zur EAST finden sich hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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