Das Münchener IGT – Institut für Gebäudetechnologie gibt monatlich Tipps heraus, mit denen Mietern, Verwaltern und TGA-Verantwortlichen die Steuerung der Haustechnik leicht gemacht werden soll. Im Januar des neuen Jahres nun stellen sie zehn Gebote einer guten Smart-Home-Planung auf.
1. Anforderungen aus Nutzersicht ermitteln
Zunächst müssen die Anforderungen an die Automation ermittelt werden.
Sowohl im Smart Home als auch in Büroräumen sind diese aus Nutzersicht zu ermitteln. D.h. die Anforderungen müssen so formuliert sein, dass ein „Nicht-Fachmann“ diese versteht und entscheiden kann, ob das als hilfreich empfunden wird oder nicht.
Diese Anforderungen sind nicht nur als Grundlage für die nächsten Schritte wichtig. Auch bei späteren Nachbesserungen oder vor (erneuter) Einarbeitung in eine konkrete Programmierung ist eine allgemeine Anforderungsbeschreibung extrem hilfreich.
Als Vorlage empfehlen wir unseren „Fragebogen“, dessen Auswahl dann in eine „Checkliste“ in Excel (inkl. Ergänzung um Kommentare) überführt werden kann.
2. Komponenten auf Basis der Anforderungen ermitteln
Auf Basis der Anforderungen können die Komponenten ermittelt werden. Wer z.B. Beleuchtungsfunktionen wünscht, wird Taster und Schalt-/Dimmaktoren benötigen.
Wer Einbruchsversuche erkennen möchte, wird Fensterkontakte, Präsenzmelder sowie Aktoren zur Alarmierung (z.B. blinkendes Licht, Aktivierung der Türklingel etc.) benötigen.
Diese Komponenten sollten dann in einen Grundrissplan eingetragen und mit einer Adresse versehen werden.
Parallel kann man diese in einer Excel-Liste aufnehmen und dort weiter spezifizieren.
Diese Adresse sollte dann später auf die Komponente aufgebracht werden (Adressaufkleber oder manuelle Beschriftung).
Damit kann man alle Komponenten vor dem Einbau vorbereiten (oft müssen Komponenten eingelernt oder in einem Bus-System bekannt gemacht werden – das geht in Werkstatt/Labor einfacher als nach dem Einbau im Gebäude).
Zum anderen kommen oft funkbasierte Komponenten zum Einsatz, die ortsveränderlich sind. In solchen Fällen ist es wichtig, die Komponente identifizieren zu können. Immerhin ist es möglich, dass ähnliche Handsender in mehreren Räumen vorkommen und vertauscht werden.
3. Gewährleistung einer intuitiven Bedienung
Stellen Sie sicher, dass die Bedienung einfach und intuitiv ist. So sollten Tastenbelegungen in unterschiedlichen Räumen möglichst identisch sein.
Auch sind Taster mit 8 Tasten, wie sie gerne in „modernen Gebäuden“ zum Einsatz kommen, ganz furchtbar impraktikabel und ein Beweis für Mangel an Zeit, Muße und/oder Einfühlungsvermögen des Planers.
Empfehlenswert ist die graphische Dokumentation der Tastenbelegung wie nachfolgend abgebildet.
Dabei ist zu erkennen, dass man so auch ganze Szenarien („Panik“) bzw. Mehrfachfunktionen (Unterscheidung „normale Betätigung“ vs. „Tastendruck > 3s“) unterscheiden kann.
Diese Art der Dokumentation kann und sollte mit dem Kunden besprochen werden – damit kann dieser das so „freigeben“.
Dies vermeidet spätere Missverständnisse bei der Übergabe und schützt auch den Systemintegrator vor kostenlosen Nachbesserungsverpflichtungen.
Zusätzlich sollten Controller-basierte Funktionen (wie z.B. Zeitprogramme) ebenso textlich beschrieben und ebenso frühzeitig mit dem Kunden abgestimmt werden.
4. Planung der Funktionalität – inklusive Unterscheidung „direkt“ und „controller-basiert“
Auf Basis von Anforderungen und Komponenten muss entschieden und dokumentiert werden, welche Funktionen über einen Controller ausgeführt werden und welche Funktionen auch ohne Server möglich sind.
Hintergrund ist, dass einheitliche Technologien wie EnOcean oder KNX Funktionen auch so umgesetzt werden können, dass ein Sensor direkt auf einen Aktor wirkt.
Das hat den Vorteil, dass diese Funktion auch dann ausgeführt werden kann, falls der Controller einmal ausfallen oder aus anderen Gründen nicht zur Verfügung stehen sollte. Dieses Szenario ist zum Glück sehr selten – aber nicht ganz unwahrscheinlich. (Mehr dazu in Punkt 5)
Hier geht es nun um die Notwendigkeit, die Unterscheidung zwischen direkten und controllerbasierten Funktionen schon in den Planungsdokumenten zu hinterlegen.
Dazu gibt es zwei Empfehlungen:
1. Man kann in den bisherigen Dokumenten ergänzend beschreiben, welche Funktionen auf jeden Fall auch direkt ausführbar sind. Entweder kann man dies in der Checkliste in der Spalte „Kommentar“ eintragen oder auch bei den Tastenbelegungen alle „direkten“ Funktionen in einer gesonderten Farbe markieren.
2. Eine bessere Variante ist die in Punkt 2 angedeutete Komponentenliste um eine Spalte „Funktionen“ zu ergänzen. Um zu kennzeichnen, dass z.B. ein Taster auf einen Aktor wirkt, wird in diese Spalte sowohl beim Taster als auch beim Aktor eine identische Funktionsbezeichnung geschrieben. Wenn eine Funktion über den Controller läuft oder vom Controller ausgelöst wird, wird die Funktionsbezeichnung besonders markiert (z.B. durch Voranstellen eines ‚#‘).
5. Vorbereitung auf einen Totalausfall des Controllers
Wie bereits beim vorigen Punkt beschrieben, sind Smarthome-Controller grundsätzlich zuverlässig. Dabei gibt es Unterschiede je nach Hersteller. Doch selbst bei „guten“ Herstellern ist es grundsätzlich möglich, dass ein Controller ausfällt, „hängen bleibt“ oder anderweitig nicht funktionsbereit ist.
In diesem Fällen ist es wichtig, einen grundlegenden Gebäudebetrieb zu ermöglichen. D.h. Licht muss ein-/ausschaltbar sein, Rollläden müssen herauf-/herabgefahren werden können und im Winter muss eine Raumheizung möglich sein.
Sehr hilfreich ist es, wenn man eine Technologie verwendet, die auch direkte Verknüpfungen zwischen Sensoren (u.a. Taster) und Aktoren ermöglicht. Die dadurch umgesetzten Funktionen stehen somit auch bei Ausfall des Controllers zur Verfügung.
Andererseits kann man auch Aktoren mit Handbedienung einsetzen. Oft haben Zwischenstecker und Stellantriebe die Möglichkeit einer manuellen Bedienung. An Unterputz-Aktoren lassen sich oft binäre Taster zur direkten Bedienung anschließen (somit montieren und davorsetzen). Bei Aktoren im Verteilerkasten sollte man Komponenten/Relais mit Handbedienung wählen. Bei Stellantrieben für Heizkörper ohne Handbedienung ist es ratsam, den einen oder anderen Heizkörperthermostat im Haus griffbereit zu haben – im Problemfall kann dann der automatisierte Antrieb durch den Heizkörperthermostat mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden
Man braucht das nicht übertreiben und für jeden Aktor einen Handbetrieb oder eine Austausch-Möglichkeit vorsehen. Es ist aber ratsam, das für die wesentlichen Aktoren vorzusehen, die im Falle eines Controller-Ausfalls für die Nutzbarkeit des Gebäudes erforderlich sind.
Wer das ignoriert handelt ähnlich fahrlässig wie beim PC auf Sicherheitsbackups zu verzichten oder beim Auto bewusst ABS, Airbag etc. auszuschalten – quasi nach dem Motto „da wird schon nix passieren“!
6. Geeignete Technologien auswählen
Ein wichtiger Aspekt ist die konkrete Wahl der Technologie bzw. des konkreten Herstellers. Gemäß Marketing-Prospekten der Hersteller kann jeder alles. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich sehr schnell große Unterschiede. Ein paar Beispiele dazu:
Einfache, App-basierte Systeme haben den Vorteil, dass diese schnell und einfach in Betrieb genommen werden können. Dabei stößt man sehr schnell an Grenzen, wenn man etwas mehr wie ganz einfache Anforderungen umsetzen möchte. In diesem Fällen sind Controller, die über ein Programmiertool am PC programmiert werden müssen, von Vorteil.
Controller, die lediglich funkbasierte Komponenten unterstützen, haben oft ein ansprechendes Design und können in der Wohnung einfach ins Regal gelegt oder auf das Sideboard gestellt werden. Meist genügt das Einstecken in die Steckdose und das Einrichten einer LAN-/WLAN-Verbindung. Mit steigenden Anforderungen kommen aber schnell Forderungen nach Anschluss von binären oder analogen Signalkabeln von/zu entsprechenden Komponenten hinzu. Hier sind Controller im Vorteil, die entsprechende Ein-/Ausgänge haben. Diese sind aber optisch weniger ansprechend und werden somit üblicherweise in einem Verteilerkasten etc. positioniert. Dabei sind diese dort besser geschützt als ein Controller, der an beliebiger Stelle in der Wohnung positioniert ist.
Proprietäre Systeme, also Systeme, bei denen Controller, Aktoren und Sensoren nur von einem Hersteller angeboten werden, haben den Nachteil, dass man auf diesen Hersteller angewiesen ist. D.h. auch bei einem Nachkauf in fünf oder zehn Jahren ist es erforderlich, dass dieser Herstelle dann auch immer noch existiert und dieses System weiter pflegt und unterstützt. Im sich derzeit sehr schnell verändernden Markt der Smarthome-Systeme ist das keine Selbstverständlichkeit. Bei Wahl einer standardisierten Technologie ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese auch in einigen Jahren noch verfügbar ist. Das ist deshalb wichtig, da die Kosten für die Sensoren und Aktoren im Gebäude meist deutlich höher sind, als die Kosten eines Controllers. Sollte ein Controller in einigen Jahren ausfallen und nicht mehr ersetzt werden können, ist es von Vorteil, die existenten Sensoren und Aktoren an einen anderen Controller anbinden zu können.
In Bezug auf die umsetzbaren Anforderungen gibt es bei proprietären Systemen elementare Unterschiede. Viele Smarthome-Systeme bieten z.B. keinen Außen-Bewegungsmelder an – ein „Muss“ bei Anspruch an Einbruchsvermeidung/‑erkennung. Oder auch die Anbindung von Fußbodenheizungs-Stellantrieben fehlt oft bei proprietären Systemen –für Nutzer einer entsprechenden Immobilie somit ein Ausschlusskriterium. Daher muss man sich vor der Wahl des Systems/Herstellers vergewissern, ob ALLE gewünschten Anforderungen (siehe Schritt 1) vom entsprechenden System unterstützt werden.
Dazu ein Tipp: Eine einfache Bewertung von Smarthome-Systemen kann über unser kostenloses Online-Tool unter durchgeführt werden.
7. Unautorisierte Fernzugriffe vermeiden (Schutz vor Hacking)
Ein Fernzugriff ist für viele eine komfortable Sache. Dabei sollte man im Blick haben: Wenn Sie einen Fernzugriff haben, haben das andere womöglich auch.
Somit sollte zunächst geklärt werden, ob ein Fernzugriff tatsächlich erforderlich ist. Idealerweise ist das Haus schlau genug, selber zu wissen, wann es was wann machen soll. Ein echtes Smart Home braucht keinen Fernzugriff. Im Falle einer Alarmierung etc. kann auch in solchen Fällen vom Smart Home eine Nachricht versandt werden.
Sollte doch ein Fernzugriff gewünscht sein, muss dieser sicher eingerichtet werden. Komplett fahrlässig ist die vermeintlich einfache Variante über Einrichtung einer DynDNS-Adresse samt Port Forwarding beim Router (für Details dazu wird auf einschlägige Webseiten verwiesen). In dieser Variante ist der Controller ungeschützt IT-Angriffen ausgesetzt.
Besser ist die Einrichtung einer verschlüsselten Verbindung zu einem Cloud-Dienst. Viele Hersteller von Smarthome-Systemen bieten dies inzwischen an. Über diese Varianten erfolgt die Legitimierung beim Cloud-Dienst. Dieser läuft auf Servern, die IT-Attacken erkennen und unterbinden. Erst über diesen Cloud-Dienst erfolgt der Zugriff auf den heimischen Controller.
Die beste Variante ist die, eine eigene Firewall zu betreiben. Dabei ist das ein Stück Hardware zwischen Router und den Switchen. Idealerweise sind das dann „managed“ Switche, die auch das Einrichten von VLAN (virtuellen LAN’s) ermöglichen. Bei VLAN’s kann genau vorgegeben werden, welcher Netzwerkteilnehmer mit welchem anderen Teilnehmer wie kommunizieren kann und welche Art der Kommunikation nicht gesperrt ist.
In allen Fällen sollte geprüft werden, ob ungenutzte Ports am Controller geschlossen werden können. Sollte z.B. kein unverschlüsselter http-Verkehr zugelassen werden, sollte der Port 80 geschlossen werden. Dabei sorgfältig vorgehen – sonst sperrt man sich selber aus!
8. Nachbetreuung vereinbaren
Jedes Smart Home braucht Nachbetreuung. So genial ein Smart Home auch ist – es ist unüblich, dass es über Jahre fehlerfrei läuft. Somit muss zwischen Kunde und Systemintegrator vereinbart werden, wie eine Nachbetreuung aussieht.
Diese Nachbetreuung sollte zum einen Notrufnummern sowie eine Vereinbarung zu Reaktionszeiten umfassen. Parallel sollten Notfallszenarien für die wichtigsten Funktionen zusammengestellt werden, damit der Notfall kein Notfall mehr ist: Der Kunde hockt nicht auf glühenden Kohlen und der Servicetechniker kann den Servicetermin stressfreier planen.
Aber auch ohne sichtlichen Fehler ist es sinnvoll, z.B. wichtige Funktionen regelmäßig zu prüfen. Wenn der Ausfall einer Wetterstation nicht bemerkt wird, fahren im Sturmfall womöglich die Jalousien nicht ein und werden beschädigt. Und wenn Leckage-Sensoren oder Fensterkontakte defekt sind, wird im Falle von Rohrbruch oder Einbruch keine Alarmierung ausgelöst. Somit sollten insbesondere sicherheitsrelevante Funktionen in regelmäßigen Abständen geprüft werden.
Wenn das beidseitig verstanden wird, ist ein Kunde bereit, dafür einen Servicevertrag abzuschließen und der Systemintegrator hat eine konstante Einnahmequelle.
9. Zukünftige Erweiterbarkeit vorbereiten
„Der Appetit kommt beim Essen.“ Oft fangen Kunden zunächst mit einen geringen Umfang an Smarthome-Anforderungen an. Wenn das stabil und zuverlässig läuft und somit „gar nicht so kompliziert“ ist, kommen schnell Erweiterungswünsche auf.
Sinnvoll ist es somit, Erweiterungsmöglichkeiten von vornherein zu berücksichtigen – sowohl bei der Auswahl der Technologie als im Fall von Verkabelungsarbeiten.
In Bezug auf Verkabelungsarbeiten: In unserem Tipp des Monats „Smart Home Ready“ vom August 2018 hatten wir wesentliche Anforderungen aufgenommen, die grundsätzlich bei einer Renovierung berücksichtigt werden sollten. Je mehr davon beachtet wird, desto mehr ist die Installation „Expansion Ready“.
10. Kein funkbasiertes System ohne Reichweitenplanung und Vor-Ort-Messungen.
10. Kein funkbasiertes System ohne Reichweitenplanung und Vor-Ort-Messungen
Im Umfeld von Smart Home und Raumautomation gewinnen funkbasierte Komponenten zunehmend an Bedeutung. Im Falle von Bestandsgebäuden entfällt das Verlegen von Kabeln und selbst bei Neubauten haben funkbasierte Sensoren den Vorteil, dass diese beliebig umpositioniert werden können.
Bitte diesbezüglich keine Angst vor Elektrosmog. Die Komponenten senden immer nur kurze, schwache Funkimpulse und sind nicht mit den Dauersendern wie WLAN-Router, Handy, Netzteile etc. vergleichbar (siehe auch unseren Tipp des Monats „Elektrosmog“ vom Juli 2019).
Aber bei Einsatz von funkbasierten Komponenten müssen Reichweiten beachtet werden. Und diese sind leider je nach Gebäude bzw. Möblierung sehr unterschiedlich. Besonders hilfreich ist es, wenn man zur gewählten Funktechnologie Messgeräte (für Signalstärke und Dateninhalt) sowie Repeater (zur testweisen oder dauerhaften Installation) verfügbar hat. Wenn das nicht der Fall ist, tappt man bei Funktionsstörungen komplett im Dunkeln!
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