Selbst das modernsten Kohlekraftwerk, wie hier Lippendorf, stößt massenhaft CO2 aus. Aber auch rein ökonomische Gründe sprechen gegen Braunkohl als Partner der Energiewende. Foto: High Contrast / Wikimedia / Lizenz unter CC BY 3.0 de

Ener­gie­wende: Deutschland Klas­sen­bester ohne Klasse?

von | 1. September 2017

Das 6. Ostdeutsche Ener­gie­forum ist Geschichte. Wie immer standen die Netz­ent­gelte im Mittel­punkt und die Unge­rech­tigkeit, dass diese im Osten – obwohl der seine Haus­auf­gaben bei der Ener­gie­wende machte – höher sind als im Westen. Das Netz­ent­geld­mo­der­ni­sie­rungs­gesetz hat hier für einige Gerech­tigkeit gesorgt. Doch das geht einigen der Teil­nehmer nicht weit genug. Und: Braun­kohle bleibt innig gebliebt bei dieser Veranstaltung.

Hier eine kleine Sammlung an Zitaten der Protagonisten.

Helmar Rendez, Vorstands­vor­sit­zender der Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraft­werke AG:

Nach der Bundes­tagswahl muss eine ehrliche Bestands­auf­nahme der Ener­giewend eher. Denn so gut wie keines der Ziele wurde erreicht.

Ulf Heit­müller, Vorstands­vor­sit­zender der VNG – Verbundnetz Gas AG:

CO2 sollte die Leit­währung für Ener­gie­wende sein.
Die Voll­elek­tri­fi­zierung der Ener­gie­wende ist fehlgeleitet.

Hartmut Bunsen, Sprecher der Inter­es­sen­ge­mein­schaft der Unter­neh­mer­ver­bände Ostdeutsch­lands und Berlin:

Als Unter­nehmer ist es mir egal, wo der Strom herkommt.

Reiner Haseloff, Minis­ter­prä­sident des Landes Sachsen-Anhalt :

Heseloff

Fotos: Urbansky

Der Westen ist zu unfle­xibel, deswegen muss die Phalanx der neuen Länder bei den Netz­ent­gelten aufrecht erhalten werden.
Braun­kohle gehört in 1. Hälfte des 21. Jahrhunderts.
Wir sollten nicht versuchen Klas­sen­bester zu sein, ohne hinter uns zu schauen, ob da noch einer sitzt.
Die Bundes­re­publik will so bleiben, wie sie ist. Strom wird aber da erzeugt, wo er nicht gebraucht wird. Wir sollen uns im Norden die Land­schaft zupflastern lassen?
Wir müssen und verab­schieden von der Ideologie, dass es schmut­zigen und dreckigen oder ethisch einwand­freien Strom gibt.

Wolfgang Tiefensee, Minister für Wirt­schaft, Wissen­schaft und Digitaler Gesell­schaft des Frei­staates Thüringen:

Die Ener­gie­wende darf keine Umfi­nan­zierung von unten nach oben bringen. Deswegen brauchen wir Bürger­en­ergie und Mieterstrommodelle.

Tim Hartmann, Vorstands­vor­sit­zender enviaM:

Die Ener­gie­wende findet im Verteilnetz statt.
Die Bürger stehen hinter Ener­gie­wende, halten sie aber für schlecht gemanaged.
Die Über­tra­gungs­netz­be­treiber maßen sich eine Rolle an, die ihnen zuküntig nicht zusteht. Die Poten­ziale liegen auf dezen­traler Ebene, wo wir Verbraucher und Einspeiser mitein­ander verbinden, um so nicht den Netz­ausbau voranzutreiben.

Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäfts­führung der 50Hertz Trans­mission GmbH:

Die Wärme- und Verkehrs­wende hinkt seit 1990 hinterher. Wir befürchten, dass deren Einspar­ziele noch der Strom­wirt­schaft aufge­bürdet werden.
Wir können nicht durch Thüringen noch 5 bis 6 mal mit neuen Strom­lei­tungen durchkommen.

Dietmar Woidke, Minis­ter­prä­sident des Landes Brandenburg :

WoidkeInves­ti­ti­onsi­cherheit in konven­tio­nelle Kraft­werke gibt es nicht, deswegen laufen die alten Schätzchen weiter, die 30, 40 Jahre oder noch älter sind.
Das EEG bestraft Zuver­läs­sigkeit. Wer Strom speichert und wieder ins Netz gibt, bekommt keine Erstattung.
Erneu­erbare Energien müssen aus dem Bundes­haushalt finan­ziert werden. Sonst droht die größte Umver­teilung in Deuschland seit 1945.

Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende:

Braun­kohle ist nunmal der größte CO2-​Produzent, mehr als gesamter Verkehrssektor.
Das Scheitern der Ener­gie­wende wird im Jahrestakt angekündigt.
Kommunen sollten für Windstrom in ihren Gebieten eine Konzes­si­ons­abgabe bekommen.

Hubert Weiger, Bundes­vor­sit­zender BUND:

Ich kann nicht in Paris enspe­chende Verträge auf den Weg bringen, um dann im eigenen Land zu sagen, so ernst haben wir es offen­sichtlich nicht gemeint.
Eine Maßnahme würde der Verkehrs­wende helfen: Tempolimit!
Was wir jetzt nicht inves­tieren, werden wir bitter zu bezahlen haben.

Norbert Menke, Sprecher der Geschäfts­führung der Leipziger Stadtholding:

Alle lokalen Versorger sind ange­halten, in die Ener­gie­wende zu investieren.
Aller­dings gibt es wenig Anreize zu investieren.
Die Ausschrei­bungs­er­geb­nisse bei Wind und Solar sind nicht das, was wir erwarten.

Klaus-​Dieter Barb­knecht, Rektor der Berg­aka­demie Freiberg:

Nicht mehr Erneu­erbare sind das Ziel, sondern weniger CO2.
Bei einer Dunkel­flaute muss man einmal den Bodensee hoch- und runter­pumpen. So viel Pump­speicher hätte man gebraucht.

Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung:

2022 haben wir keine Über­ka­pa­zi­täten mehr bei der Strom­pro­duktion in Deutschland.
Speicher müssen besser gestellt werden.

Peter Altmaier, Chef des Bundes­kanz­ler­amtes und Bundes­mi­nister für besondere Aufgaben:

AltmaierWarum machen wir den Umbau zu Erneu­er­baren Energien? Wir wollen die Welt retten. Das gelingt aber nur, wenn das auch in anderen Ländern umgesetzt wird.
Wenn wir eine Ener­gie­wende machen, die unkon­trol­liert und unstruk­tu­riert vonstatten geht, so dass die Volks­wirt­schaft an Wett­be­werbs­fä­higkeit einbüßt, dann wird uns niemand diese Ener­gie­wende abnehmen.
Jürgen Trittin hat einst gesagt, die Ener­gie­wende kostet jeden eine Eiskugel. Das wurde später ein Eisbecher. Und heute kommt noch ein kleiner Kühl­schrank dazu.

Mit den Zielen der Ener­gie­wende beschäf­tigt sich Energieblogger-​Kollege Björn Katz hier auf sei­nem Blog Strom­aus­kunft.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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