Tankkraftwagen (Tkw) haben es auf deutschen Straßen (fast) gut: Die Unfälle mit ihnen nehmen von Jahr zu Jahr ab. 2010 waren nur 154 Tkw von Auffahrunfällen betroffen. Wenn mal was ausfließt, ist es meist der eigene Kraftstofftank. Der Transportbehälter jedoch bleibt so gut wie immer unversehrt. Ist die Technik ausgereizt? Können sich Hersteller und Spediteure ruhig zurücklehnen? Die Branche jedenfalls ruht sich nicht aus. Rohr Nutzfahrzeuge arbeitet gleich an mehreren Verbesserungen, die noch mehr Sicherheit bieten sollen.
Unfälle lassen sich nicht vermeiden. Diese Binsenweisheit kann zu einem gewissen Fatalismus führen. Sie kann aber auch Ansporn sein, Tkws noch sicherer zu machen. Rohr Nutzfahrzeuge aus Straubing hat sich in der Branche als Sicherheits-Innovator einen guten Namen gemacht. Derzeit forschen die Niederbayern an einem verstärkten Anfahrschutz – denn Auffahrunfälle sind mit Abstand die Nummer Eins bei Crashs mit Lkw‘s. Dabei gilt es, die Kräfte, die dabei wirken, vom Tank fernzuhalten.
„Wir setzen auf einen Absorptionskörper zwischen Rad und Unterfahrschutz“, erläutert Franz Pfeiffer, Leiter Technik Tankbau bei Rohr, das Konstruktionsprinzip. Einige Versuche hat es bereits mit der neuen Konstruktion gegeben, weitere sollen folgen. Einer der Hintergründe ist gesetzgeberischer Art. Bei Rohr rechnet man damit, dass die EU die Bestimmungen zum Unterfahrschutz verschärfen wird. Bei den derzeit diskutierten Werten würde das fast eine Verdoppelung des Schutzes bedeuten. Ziel dabei ist es, das hintere Bodenventil zu schützen, da es bei Unfällen, wenn denn der Crash dramatisch verläuft, abgerissen werden kann. Die Folge: Das Gefahrgut fließt aus. Ob ein verschärftes Gesetz kommt, ist allerdings fraglich. „Doch egal, ob es dazu neue Gesetzte gibt oder nicht, wir werden weiter an mehr Sicherheit arbeiten“, verspricht Peter Horn, seit Jahresbeginn Geschäftsführer bei Rohr.
Auch bei einem weiteren Sicherheits-Detail hat der Gesetzgeber seine Hände im Spiel – die Reifendrucküberwachung. Geplatzte Vorderreifen sind eine gar nicht so seltene Unfallursache (s. ebenfalls Interview). Deswegen baut Rohr auf Wunsch auch ein entsprechendes Tool ein, das vom Fahrer bequem im Fahrerhaus überwacht werden kann.
Geld sparen, Umwelt und Menschen schützen
Warum sich die Straubinger stark machen für mehr Sicherheit, liegt auf der Hand. „Wir wollen natürlich zuerst die Menschen schützen. Wichtig ist jedoch auch der Schutz der Umwelt“, so Horn. „Hinzu kommt, dass das verunfallte Gefahrgut nicht entsorgt werden muss, sondern geborgen wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederverwendet werden kann.“
Dabei ist Geld auch gleich Zeit. Denn falls ein Tkw auf einer vielbefahrenen Straße verunglückt, hat das meist eine Vollsperrung, selbst auf Autobahnen oft in beide Richtungen, zur Folge. Hier ist schnelles Handeln angesagt. Rohr entwickelte speziell für diesen Fall das Notfall-Entleerungssystem RETD (Rohr Emergency Tank Drainage).
„Bisher wurden entweder der Domdeckel geöffnet oder Tanks angebohrt, dabei nimmt man die Gefährdung an Leib und Leben der Feuerwehrleute in Kauf“, erläutert Technik-Experte Pfeiffer. Da die Tkw, wenn sie kippen, so gut wie immer auf die Seite fallen, wird auf der Oberseite das RETD angebracht. Es besteht aus einem Entnahmeschlauch sowie einem Zuleiter für Luft, da sich der Tank sonst nicht leeren ließe (s. Foto).
Weniger Haftpflicht bei RETD?
Das Echo der Kunden sei bisher durchweg positiv. Derzeit spreche man noch mit Versicherungen, ob sich daraus eine Reduzierung der Haftpflichtprämie für den mit einem RETD ausgerüsteten Tkw ableiten lässt. Auch von der Bundesanstalt für Materialforschung und ‑prüfung gibt es Lob. „Das ist eine sinnvolle Einrichtung, zumal auch keine zusätzliche Gefährdung für den Tank entsteht, weil die Rohre biegsam sind“, schätzt Michael Pötzsch ein. „Die Feuerwehren haben ebenfalls ein großes Interesse“, fügt Pfeiffer hinzu.
Mehr Sicherheit ohne Mehrgewicht
Bei Rohr arbeitet man noch an weiteren Details. Das generelle Problem lautet: Mehr Sicherheit bedeutet in der Regel mehr Gewicht. Deswegen fällt, so Pfeiffer, eine Verstärkung der Tankhülle über die derzeit üblichen fünf Millimeter aus. Das würde nur dann Sinn machen, wenn man die Unfall-Kräfte auf den Tank leiten könne. Doch grade das soll ja vermieden werden.
Zudem böten Verbesserungen am Unterboden den Vorteil, dass man sie gewichtsneutral installieren könnte. Ein stärkerer Rahmen mit einem ausgefeilten Konstruktionsprinzip wäre dazu durchaus in der Lage. Rohr ist sich bewusst, dass aus dem eigenen Sicherheitsdenken kaum ein Wettbewerbsvorteil entstehen kann, wenn die anderen Hersteller mitziehen. Die Niederbayern sehen sich dabei als Vorreiter. „Wir wollen in der Branche dafür eintreten, dass mehr Sicherheit am Fahrzeug realisiert wird“, resümiert Horn.
In einem vorherigen Beitrag ging es um die Wartung bei Tkw.
Geschrieben für Brennstoffspiegel und aktualisiert für diesen Blog. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 01/2012 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
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