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Handel im Wandel: Wie Mine­ral­öl­händler erfolg­reich Gas verkaufen

von | 12. Februar 2016

Der Mine­ral­öl­markt ist ein schrump­fender, so wie es in den 50er und 60er Jahren der Brikett­markt war. Damals orien­tierten sich viele Brenn­stoff­händler um, nahmen Heizöl ins Sortiment und eröff­neten ein völlig neues Geschäftsfeld. Doch die Zeiten ändern sich. Nun stehen dank der Libe­ra­li­sierung Strom und Gas auf der Agenda des Mittel­standes. Wie funk­tio­nieren die Konzepte? Und: Kann man damit erfolg­reich sein?

Der stärkste Wett­be­werber des Heiz­öl­händlers ist das Gas. Seit den 70er Jahren schnappt die leitungs­ge­bundene Ener­gieform dem Heizöl Markt­an­teile weg und liegt inzwi­schen unan­ge­fochten auf Platz eins. Doch diese Gegner­schaft muss keine bleiben. Seit rund zwei Jahren bieten immer mehr mittel­stän­dische Brenn­stoff­händler Erdgas an. Einige haben sogar Strom im Portfolio. Zeit also nach­zu­fragen, wie der Vertrieb orga­ni­siert wurde und ob das Geschäft ein erfolg­reiches ist.

Einer der Trend­setter war und ist AVIA Mineralöl GmbH, München. Die AVIA bietet seinen Partnern und Gesell­schaftern maßge­schnei­derte Konzepte an, mit denen sie AVIA my gas und Avia my strom vertreiben können. Von den Partnern wurde das gern ange­nommen. „AVIA bündelt den Einkauf von Erdgas und Strom der einzelnen Gesell­schafter. Dadurch wird ein Syner­gie­effekt für jeden einzelnen AVIA Partner bei der Beschaffung erzielt“, beschreibt Lothar Böhm vom Ener­gie­ver­trieb beim AVIA-​Gesellschafter Hermann Bantleon GmbH in Ulm, den daraus entste­henden Preis­vorteil, der das Modell erst markt­fähig macht.

Ähnlich funk­tio­niert der Gashandel bei AGRAVIS. Hier hat sich die eigens gegründete Raiff­eisen Energie GmbH & Co KG, an der zahl­reiche Genos­sen­schaften in Nieder­sachsen beteiligt sind, für einen gebün­delten Einkauf entschieden. Einen anderen Weg geht MONTANA. Die Bayern, die als erster Mine­ral­öl­händler ins Gasge­schäft einge­stiegen sind, haben sich mitt­ler­weilen eine eigene Beschaf­fungs­ab­teilung aufgebaut und beziehen ihr Gas von inter­na­tio­nalen Gaspro­du­zenten. „Dies ermög­licht uns eine flexible und marktnahe Beschaffung, die bei der Tarif­ge­staltung eine wesent­liche Rolle spielt“ so Stefan Koburger, Geschäfts­führer der MONTANA Erdgas GmbH & Co. KG.
Qualität der Mitar­beiter entscheidend

Einfach ein fertiges Konzept abzu­greifen, funk­tio­niert jedoch nicht. Die Arbeit vor Ort ist entscheidend, weiß Christine Keslar-​Tunder, Geschäfts­füh­rerin von KESLAR in Kempten: „Unsere Kunden werden von uns halt gut betreut und beraten. Wir kennen den Wett­bewerb und den Service sowie die Bera­tungs­qua­lität der Mitbe­werber.“ Zudem biete man trans­pa­rente Preise und eine klare Abrechnung. Lock­vo­gel­an­gebot und Boni seien mit ihr nicht zu machen.

Wichtig ist die Qualität der Mitar­beiter. Bei AVIA-​Partner KESLAR hat man aus der Not (dem schwachen Heiz­öl­ge­schäft) eine Tugend (Mitarbeiter-​Umschulung) gemacht. Ange­stellte mit freien Kapa­zi­täten wurden auf Gas- und Strom­ver­trieb umge­schult. MONTANA dagegen baute in den letzten drei Jahren seinen Erdgas­be­reich intensiv aus und beschäftigt mitt­ler­weile ein neues Team von über 20 Mitar­beitern für den Vertrieb und die Betreuung der Privat und Geschäftskunden.

Auch bei Scharr in Stuttgart stellte man zusätz­liches Personal ein, bei OTTO FRICKE in Gütersloh ebenso. Hier kümmern sich ein Mitar­beiter und eine Auszu­bil­dende ausschließlich um Gas- und Strom­kunden. „Es bewährt sich, Spezia­listen für diesen Bereich auszu­bilden“, bringt es Bernhard Austermann, Geschäfts­führer beim AVIA-​Partner auf den Punkt.
Rainer Janz, Produkt- und Quali­täts­ma­nager beim Ulmer Schmier­stoff­pro­du­zenten und Ener­gie­händler BANTLEON erachtet noch etwas anderes als wichtig: „Insgesamt muss solch ein Stra­te­gie­wandel natürlich intern entspre­chend kommu­ni­ziert werden, um durch­gängige Akzeptanz zu schaffen. Das bedeutet für viele ein stra­te­gi­sches Umdenken. Man sollte spezi­ellen Wert auf die Kundennähe und die indi­vi­duelle Beratung legen. Nur dann kann das neue Geschäftsfeld funktionieren.“

Welche Kunden kommen?

Ein funk­tio­nie­render Gashandel erfordert auch bereit­willige und für das Angebot offene Kunden. Hier haben die meisten Einsteiger sehr gute Erfah­rungen gemacht. „Wir stellen eine deutlich positive Entwicklung fest“, so Markus König, Prokurist bei SCHARR. „Wir verzeichnen einen konti­nu­ier­lichen Kunden­zu­wachs bei allen von uns ange­bo­tenen Tarifen. Die Zugriffs­zahlen im Internet und die tele­fo­ni­schen Anfragen zu unseren Produkten belegen den positiven Trend der letzten zwölf Monate.“

Valeria Dingler von MONTANA kann bereits auf über 40.000 Gaskunden verweisen. „Wir bieten unseren Kunden günstige und flexible Tarif­mo­delle mit kurzen Kündi­gungs­fristen an.“ so die Marke­ting­ex­pertin der MONTANA Gruppe. Zudem profi­tierten die Kunden von dem ganz­heit­lichen Konzept „Energie und Technik – Alles aus einer Hand“.

OTTO FRICKE setzt auf unpro­ble­ma­tische Verträge. „Wir bieten unseren Kunden immer einen Vertrag für ein Jahr mit einem ebenso lange gültigen Festpreis. Die Verträge laufen auto­ma­tisch aus, ohne Anpassungs- oder Verlän­ge­rungs­klauseln. Das halten nicht nur wir für eine faire Vertrags­ge­staltung, sondern ebenso unsere Kunden, für die das ein wichtiges Argument ist, uns als Anbieter zu wählen“, berichtet Bernhard Austermann. Außerdem ist das Unter­nehmen so gezwungen, regel­mäßig mit seinen Kunden in Kontakt zu treten und über die Vertrags­ver­län­gerung zu sprechen.

Ein großer Vorteil für jeden ins Geschäft einstei­genden Mittel­ständler ist die regionale Verbun­denheit. „Der Schlüssel des Erfolges unseres neuen Gasge­schäftes liegt in der guten regio­nalen Verbreitung und der ausge­prägten Service­men­ta­lität der Mitar­beiter. Mit üblichen Werbe­maß­nahmen oder preis­lichen Lock­an­ge­boten wäre dieser struk­tu­relle Erfolg nicht zu bewerk­stel­ligen gewesen“, konsta­tiert Michael Rosehr von AGRAVIS.

Intensive Werbung

Keiner der Brenn­stoff­händler setzt auf Billig-​Angebote. Statt­dessen gewinnen sie ihre Kunden über trans­pa­rente Preise und die regionale Nähe. Man kennt sich halt, wie es ein Händler formu­lierte. Von allein kamen die Kunden jedoch nicht. Dafür sorgten ausge­feilte Werbe­kam­pagnen. Auch in Medien, in denen die Firmen bisher noch nicht präsent waren. MONTANA wurde sogar im regio­nalen Fernsehen aktiv und setzt verstärkt auf Direkt­mai­lings, die AVIA unter­stützte ihre Partner bei viel­fäl­tigen Maßnahmen – bis hin zu Funkspots. Bei KESLAR fuhr man die Heiz­öl­werbung zurück und inves­tierte in ein altbe­währtes Rezept: Kunden werben Kunden. SCHARR und AGRAVIS hingegen setzen ganz auf klas­sische Print­werbung via Anzeigen und Direkt-Mailings.


Geschrieben für Brenn­stoff­spiegel und für diesen Blog aktua­li­siert. Der voll­ständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 10/​2011 zu lesen. Zum kosten­freien Probeabo geht es hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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