Der Wärmemarkt ist im Umbruch. Können die klassischen Energieversorungsunternehmen (EVU) davon profitieren? Ein Interview mit Birgit Arnold, geschäftsführende Vizepräsidentin des Verbandes für Wärmelieferung (VfW).
Gibt es bei Ihnen Mitglieder, die aus den Reihen der klassischen EVU kommen und Wärmecontracting auch außerhalb des Fernwärmemarktes betreiben?
Die Mitglieder des VfW kommen aus allen Bereichen der Betriebe, die sich mit Energieversorgung und effizientem Energieeinsatz beschäftigen. Darunter befinden sich auch viele große und kleine Stadtwerke (19% der Mitglieder), die sich mit Contracting neben dem Fernwärmemarkt ein zweites Standbein in der Energielieferung aufgebaut haben oder mit diesem Thema in den Wärmemarkt einsteigen, ohne über eigene Fernwärmenetze zu verfügen. Hierzu zählen insbesondere ländliche EVUs, die Contracting äußerst erfolgreich praktizieren.
Besonders im kommunalen Bereich werden Einspar-Contracting-Projekte ausgeschrieben. Dies ist eine besondere Form des Contractings, die aufgrund des hohen Planungsaufwandes i.d.R. durch große Firmen, häufig aus dem Anlagenbau kommend, angeboten wird. Hier geht es um ein Rundum-Angebot, das sich nicht auf die Versorgung mit Energie beschränkt. Diese Contractoren sind im Arbeitskreis Einspar-Contracting aktiv.
Wenn ja, in welchen Märkten sind diese aktiv und wie sehen die Modelle aus?
Contracting, wie der VfW es versteht, ist immer die Lieferung von Energie: Wärme, Kälte, Strom, Druckluft bedarfsgerecht und individuell aus einer dezentralen Anlage, die dem Contractor gehört. Nur auf speziellen Wunsch des Kunden werden auch Pacht oder Betrieb einer Anlage angeboten.
Sehen Sie aus dem aktuellen Umbruch im Wärmemarkt durch EnEV und Altkessel-Labeling neue Geschäftschancen für das Contracting?
Da die Aufgaben von Bauherrn und Eigentümer immer komplexer beim Neubau und der Gebäudesanierung werden, ist die Einschaltung eines Energiedienstleisters zunehmend der Fall. Parallel zur Energieeinsparverordnung (EnEV 2014) muss häufig auch das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG 2011) erfüllt werden. Die EnEV fordert energieeffiziente Gebäude durch Beschränkung des Primärenergiebedarfs sowie des Wärmeverlustes der Gebäude. Das EEWärmeG fordert parallel dazu, dass einen Teil der benötigten Wärme oder Kälte über erneuerbare Energiequellen oder anerkannte Ersatzmaßnahmen gedeckt werden muss. Zusätzlich soll die Einführung eines Effizienzlabels für Heizungsaltanlagen die Motivation des Eigentümers fördern, alte ineffiziente Heizungsanlage auszutauschen. Der Energiedienstleister kann diese komplexen Aufgaben optimal erfüllen und praktisch umsetzen.
Bereiten Sie Ihre Mitglieder darauf vor?
Hier gilt es, mit einem Missverständnis aufzuräumen. Gebäudeeigentümer, besonders Vermieter haben kein Interesse an der Sanierung der Heizungsanlage, da der Mieter die Zeche zahlt. Deshalb gibt es seitens der Politik immer wieder Anreize, Pflichten und andere phantasievolle Vorgaben, die die Vermieter dazu bringen sollen, ihre Heizung zu sanieren, obwohl sie noch funktioniert.
Ein Contractor hat eine ganz andere Intention: Er baut seine eigene dezentrale Erzeugungsanlage für Wärme, Strom, Kälte oder Druckluft. Im Regelfall liefert er diese Energie aus hochmodernen und hocheffizienten Anlagen zum gleichen Preis, wie bei der früheren Versorgung an das Gebäude (Siehe WärmeLV). Er bekommt einen festgelegten Preis, der sich nach den Marktvorgaben über die Vertragslaufzeit verändert. Wenn der Contractor die Energie günstiger erzeugen kann, als vorher kalkuliert generiert er Gewinne, die vorher durch den Schornstein jagten, ohne die Mieter zu belasten. Er verdient also am Energiesparen, am Optimieren der Energieerzeugungsanlage und an der Ertüchtigung der Anlage, sofern sie nicht mehr wirtschaftlich arbeitet. Strafen und Grenzwerte sind hier nicht der Antrieb Die wirtschaftliche Effizienz der Anlage ist der Antrieb: Das Energiesparen!
Selbstverständlich bereitet der VfW darüber hinaus seine Contractoren darauf vor, wichtige Neuerungen und Meldeverfahren zu beachten. Darüber hinaus steht der VfW im Dialog mit wichtigen politischen und technischen Entscheidern und hält engen Kontakt zu Forschung und Lehre, um für seine Mitglieder immer auf dem neusten Stand zu sein. Ein Fortbildungsangebot rund um alle Contracting relevanten Themen findet der Interessierte in der Contracting Akademie des VfW.
Kann zukünftiges Contracting auch unterhalb der Ebene der Wohnungsbauunternehmen und Großvermieter vonstattengehen – also bis hinunter zur Ebene der Eigenheimbesitzer mit Ein- oder Zweifamilienhäusern?
Aber ja, die Bauträger, Verbände für Verwalter, Haus und Grundeigentümer, BFW Bundesverband Freier Immobilien und Stadtwerke führen schon heute
Contractinglösungen durch. Der Markt ist aber erst zu ca. 8 % erschlossen. Am Rande möchte ich erwähnen, dass alle zu beheizende Gebäude in Deutschland von den Energiedienstleistern aus deren eigenen Anlagen versorgt werden können. Es ist dabei unerheblich, um welche Größe oder Nutzungsart des Gebäudes es sich handelt. Im Miet-Wohnbereich sind Standardisierungen möglich und es gibt das besondere Konstrukt, dass der Vermieter die Nebenkosten umlegen kann. Im Gewerbe- und Industriebereich ist das steuerlich anders, so dass der finanzielle Anreiz – gerade bei sinkenden Energiekosten – für Energieeffizienz nicht gegeben ist.
Wenn ja, was würde ein solches Contracting-Modell von bisherigen Modellen unterscheiden und welche Unternehmen kämen auf Contractor-Seite dafür in Frage?
Mehr Verwaltungsaufwand, weil kleiner für Eigenheime. Mehrfamilienhäuser sind schon im Contracting. Evtl. Stadtwerke, die ohnehin den Verwaltungsaufwand für Kleinkunden schon haben? Die Stadtwerke rechnen schon immer relativ kleine Beträge (Haushaltsstrom, Gas) mit Mietern ab. Die Logistik steht dort!
Wen sehen Sie für das Wärme-Contracting der Zukunft am besten aufgestellt – kleinere Wärmeanbieter oder die klassischen EVU, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Krise bei den großen EVU?
Contracting ist rechtlich komplex und erfordert gutes technisches Knowhow, um korrekt durchgeführt zu werden. Erfolgreiche Contractoren müssen gut vorbereitet sein. Hier spielt nicht die Branche oder die Größe eine Rolle, sondern die Innovationskraft. Contracting ist nur dann interessant, wenn es wirtschaftlich betrieben wird. Hier muss jedes Objekt individuell betrachtet werden, auch die vertraglichen Bedingungen müssen pro Projekt individuell angepasst werden. Dies erfordert anfangs einen hohen Aufwand. Allerdings fährt man die Ernte über die Vertragslaufzeit von 10 und mehr Jahren ein. Diesen Aufwand zu Beginn zu stemmen, das ist die Leistung, die das Unternehmen erbringen muss. Es braucht interessierte, aufgeschlossene und überzeugungsfähige Mitarbeiter. Sofern der Betrieb dies bietet, spielt es keine Rolle, aus welcher Branche er kommt und wie groß oder klein er ist.
Zukünftig werden für Wohnungsbaugesellschaften die Anforderungen aus den umweltpolitischen, gesetzlichen und technischen Anforderungen so komplex, dass sie externe Energiedienstleister einschalten müssen.
Optimal für den deutschen Markt wäre, wenn das Mix aus mittelständischen Contractoren, aber auch großen Versorgern weiterhin erhalten bliebe. Nur aus diesem Miteinander heraus können die Bedürfnisse der unterschiedlichen Marktteilnehmer befriedigt werden, soziale Aspekte berücksichtigt und das demokratische Prinzip aufrechterhalten werden.
Welche Bedingungen muss ein Unternehmen erfüllen, um erfolgreiches Contracting zu betreiben? Ist etwa dazu eine eigene Wärmeerzeugung notwendig?
Da der Contractor als Profi diese Anlagen in der Regel wesentlich effizienter betreibt als ein Eigentümer, muss die Bundesregierung endlich dazu übergehen, die bürokratischen Hürden zu senken und das Contracting dem Eigenbetrieb gleichstellen. So dürfen Modernisierungsmaßnahmen, die vom Grundstückseigentümer durchgeführt werden, auf die Kaltmiete umgelegt werden, während für den Contractor, für eine in der Regel weitergehende Modernisierung als der Eigentümer sie leisten würde, strikte Kostenneutralität gefordert wird.
Der im Rahmen der Harmonisierung des Strommarktes zu beobachtende Trend, alles und jedes zu erfassen und regeln zu wollen führt dazu, dass KMUs langfristig sowohl finanziell als auch organisatorisch mit dem Betrieb kleinerer Anlagen überfordert sein werden. Wenn es aber politisch gewollt ist, dass Energie gespart und damit die CO2-Emission reduziert wird und KMUs weiterhin die lebhafte Landschaft der bundesrepublikanischen Wirtschaft prägen, dann muss Bürokratie abgebaut werden. Bagatellgrenzen sind immer zu berücksichtigen!
Unter diesen Voraussetzungen haben sowohl die Energieeffizienz als auch der deutsche Mittelstand, EVUs und Europaweit agierende Contractoren eine gute Chance, die deutsche Wirtschaft auf Jahrzehnte hinaus positiv zu prägen.
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