Feldtestanlage mit dem Dachs.

Nur größer ausge­legte KWK garan­tiert Flexibiliät

von | 29. September 2017

Interview mit Prof. Bernd Thomas, Hoch­schule Reutlingen

Prof. Bernd Thomas. Fotos: Hochschule Reutlingen

Prof. Bernd Thomas. Fotos: Hoch­schule Reutlingen

Ohne Speicher keine Ener­gie­wende. Dabei sind ther­mische Speicher deutlich günstiger als solche für elek­tri­schen Strom. Deshalb sollten ther­mi­schen Speicher durch eine intel­li­gente Einbindung prinmär selbst genutzt und darauf aufbauend für das verblei­bende Delta Batte­rie­speicher einge­setzt werden. Komplett ohne Batte­rie­speicher wird man, so Bernd Thomas von der Hoch­schule Reut­lingen, nicht auskommen. Jedoch könnten durch die best­mög­liche Nutzung des Poten­tials der ther­mi­schen Speicher die Batte­rie­speicher kleiner und kosten­güns­tiger ausfallen.

Im Interview erklärt der Hoch­schul­lehrer und Spezialist für Tech­nische Ther­mo­dy­namik sowie Wärme­über­tragung zudem, wie ein flexibles System von Wärme­er­zeugern und Speichern netz­dienlich funk­tio­nieren könnte.

Welche Kompo­nenten lassen sich in einem solcherart opti­mierten Syxstem steuern und welche nicht?

Nicht steuerbar sind Photo­voltaik und Solar­thermie, steuerbar hingegen sind Wärme­pumpe und Block­heiz­kraftwerk. Wenn man Speicher inte­griert, gelingt die Steuerung um so besser. Man muss sich das als eine Art Baukas­ten­system vorstellen, zu dem auch ein Spit­zen­last­kessel auf der steu­er­baren und eine Solar­ther­mie­anlage auf der nicht steu­er­baren Seite gehören könnten. Dann muss man genau messen und danach das Sytem opti­mieren. Unsere Methode ist eine heuris­tische. Wir können eine Prognose der Verbrauchs­daten abgeben und daraus den Wärme­bedarf einstellen.

Welche Speicher kämen dabei zum Einsatz?

Das sind ther­mische Puffer­speicher auf Wasser­basis, die vom BHKW gespeist werden. In den letzten Monaten versuchen wir auch, dieses Modell auf Wärme­pumpen zu über­tragen. Aller­dings ist der Wasserpeicher hier eher ungünstig, da er von einer hohen Tempe­ra­tur­dif­ferenz lebt. Und das mag wiederum die Wärme­pumpe nicht. Funk­tio­nieren würde es da, wo ich eine Beton­kern­ak­ti­vierung nutzen kann. Auf elek­tri­scher Seite setzen wir auf Lithium-Ionen-Batterien.

Wurde das schon praktisch erprobt?

Ja, in zwei Feld­te­st­an­lagen. Ein BHKW von 1 kW in einem Einfa­mi­li­enhaus war aus wissen­schaft­licher Sicht lang­weilig, weil das BHKW zu klein und damit voll ausge­lastet war. Es ist im September ange­sprungen und bis zum Frühjahr durch­ge­laufen. Da war kein Platz für Flexi­bi­li­täten. In einem Einfa­mi­li­enhaus mit Gewer­be­einheit hatten wir hingegen einen Dachs (Mini-​BHKW von Markt­führer SenerTec, d. Red.) instal­liert, der nur auf 3.500 Betriebs­stunden jährlich kam. Da ließen sich deutlich besser die Flexi­bi­li­täten nutzen. An diesem Beispiel zeigt sich auch, dass man für die Flexi­bi­li­täten solche Anlagen über­di­men­sio­nieren muss. Letztlich geht es dann auch darum, den KWK-​Strom solch großer Anlagen selbst zu verbrauchen und nicht nur einzuspeisen.

Hierfür brauchen wir einen Para­dig­men­wechsel. Wir müssen bei der KWK weg von den 8000-​Stunden-​Dauerläufern. Sie sind kontra­pro­duktiv, da sie die Flexi­bi­li­sierung behindern. Wir brauchen Anlagen, die größer bemessen sind und geringere Lauf­leistung haben. Im kleinen KWK-​Bereich wird die lange Laufzeit sogar noch gefördert. Das muss sich ändern, wenn man in Flexi­bi­lität will. Die Leis­tungs­über­höhung muss also honoriert werden

Gibt es überhaupt einen Markt für die ausge­steuerte Mengen an Strom oder Wärme?

Sagen wir es so: Durch die Eigen­strom­nutzung auch beim BHKW sind die Nutzer ein bißchen verwöhnt. Das rela­ti­viert sich derzeit. Als wir mit dem Projekt 2013 begonnen haben, wurde propa­giert, dass die Eigen­trom­nutzung ja zu Lasten der Soli­dar­systeme ginge, weil die Infra­struktur ja dennoch aufrecht erhalten werden muss. Das hat sich mitt­ler­weile ein wenig rela­ti­viert. Trotzdem erfolgt die Eigen­strom­nutzung ohne Rück­kopplung zum umge­benden Energiesystem.

Um dies aufzu­brechen, bräuchten wir variable Strom­preise. Bisher ist die Eigen­nutzung nur dadurch getrieben, um hohen Strom­be­zugs­preis zu vermeiden. Man müsste die Ener­gie­ver­sorger dazu bringen, dass sie variable Strom­tarife anbieten. Darauf könnten wir mit unserer Steuerung reagieren. In einem Versor­gungs­gebiet könnte man das so steuern, dass für Kommune oder Quartier ebenfalls ein Nutzen entsteht. Bisher jedoch reagieren wir nur auf Eigenbedarf.

————

Das Thema wird auch disku­tiert auf der VDI-​Konferenz „Smart-​Energy: Prosumer im Umfeld von Markt, Technik und gesetz­lichem Rahmen“ am 15. und 16. November 2017. Dazu gehören die folgenden Punkte:

· Heuris­ti­sches Opti­mie­rungs­ver­fahren zur Steuerung von dezen­tralen Energiesystemen
· Strom­op­ti­mierter Betrieb von BHKW durch intel­li­gentes Management des Wärmespeichers
· Eigen­strom­op­ti­mierung von BHKW-PV-Batterie-Systemen
· Strom­preis­op­ti­mierter BHKW-​Betrieb mit voll­stän­diger Nutzung der BHKW-Wärme

Das Programm der Veran­staltung findet sich hier.

Ange­meldet werden kann sich hier.

enwipo​.de wird umfang­reich von der Konferenz berichten.


Was beim Zapfen aus einem Warmwasserkombi-​Speicher pas­siert, beschrei­ben die Energieblogger-​Kollegen von Ecoquent Positions hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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