PV-Anlage in einem Berliner Wohnquartier. Foto: Frank Urbansky

Autarker Betrieb der Photovoltaik-​Anlage auch bei Netzausfall?

von | 2. Mai 2022

Das Münchener IGT – Institut für Gebäu­de­tech­no­logie gibt monatlich Tipps heraus, mit denen Mietern, Verwaltern und TGA-Verant­wort­lichen die Steuerung der Haus­technik leicht gemacht werden soll. Im April nun ging es um den autarken Betrieb der Photovoltaik-​Anlage auch bei Netzausfall.

Photovoltaik-​Anlagen erfreuen sich stei­gender Nachfrage. Zum einen werden sie finan­ziell gefördert und zum anderen erhöhen Sie den Autar­kiegrad – ein großer Vorteil in Zeiten von stei­genden Strom­preisen. Was aber, wenn die öffent­liche Strom­ver­sorgung ausfällt – ist dann die eigene PV-​Anlage weiter betriebsbereit?

Hohe Versor­gungs­qua­lität

Zunächst vorweg: In Deutschland haben wir eine hohe Versor­gungs­qua­lität in vielerlei Hinsicht und das gilt auch für die elek­trische Ener­gie­ver­sorgung. Gemäß offi­zi­ellen Kenn­zahlen der Bundes­netz­agentur [1] betrug die elek­trische Versor­gungs­un­ter­bre­chung in Deutschland 10,73 Minuten im Jahr 2020 bzw. 13,62 Minuten pro Jahr in den letzten 10 Jahren.

Dabei sind das die durch­schnitt­lichen Zahlen– einzelne Teil­nehmer waren inten­siver betroffen. So sind auf der Webseite der ange­ge­benen Quelle alle Ausfälle im Detail aufge­führt mit z.B. fünf unge­planten Ausfällen von mehr als einer Woche Dauer. Deshalb sind die Zahlen im Durch­schnitt sehr gut aber für den einen oder anderen betrof­fenen Teil­nehmer beeinträchtigend.

Betrieb der PV-​Anlage „netz­ge­führt“ oder „insel­fähig“?

Für Besitzer einer Photo­voltaik Anlage stellt sich die Frage, ob die eigene PV-​Anlage helfen kann, den Zeitraum eines Ausfalls zu über­brücken. Immerhin lassen sich ohne Strom weder motor­be­triebene Rollläden hoch­fahren noch Öl-​Brenner, geschweige denn Wärme­pumpe betreiben. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass die meisten Wech­sel­richter „netz­ge­führt“ sind – d.h. das elek­trische Versor­gungsnetz muss quasi als Puls­schlag vorhanden sein. Im Fall eines Ausfalls der externen Versorgung liefert auch die haus­eigene PV-​Anlage keinen Strom. Anders würde es sich verhalten, wenn der Wech­sel­richter „insel­fähig“ wäre. Dann wäre ein Betrieb auch bei Ausfall des externen Netzes gegeben.

Bei Neu-​Installationen muss jeder selber entscheiden, ob diese zusätz­liche Funk­tio­na­lität von Bedeutung ist. Immerhin ist ein insel­fä­higer Wech­sel­richter hoch­prei­siger und bei derzeit extrem langen Liefer­zeiten ist die Auswahl sehr einge­schränkt. Daher ist es ratsam, bei Angeboten nach der Zusatz­option „Insel­fä­higkeit“ zu fragen, um dann nach Kenntnis von Mehr­kosten und Liefer­zeiten eine indi­vi­duelle Entscheidung zu treffen.

Bei Bestands-​Installation ist die Wahr­schein­lichkeit sehr hoch, dass der Wech­sel­richter netz­ge­führt ist, denn das sind die üblichen Ausfüh­rungen. Sofern gewünscht, lässt sich dieser gegen einen insel­fä­higen Wech­sel­richter austau­schen. Dazu müssen lediglich die wesent­lichen Kenndaten wie Leistung und Strang­an­schlüsse beachtet werden.

Ebenso muss geklärt werden, was passieren soll, wenn ein Netz­ausfall erkannt wird. D.h. sollen womöglich einige Verbraucher- oder Strom­kreise im Gebäude abge­schaltet werden, um den Verbrauch an die „Notsi­tuation“ anzu­passen? Wenn das gewünscht ist, sollte der Wech­sel­richter kommu­ni­ka­ti­ons­fähig sein. Idea­ler­weise sind das ein Ethernet-​Anschluss sowie entspre­chendes Kommunikations-​Protokoll, über das nicht nur der Ausfall, sondern auch der Batte­rie­status gemeldet werden kann. Im Mindestfall sollte der Wech­sel­richter einen binären Signal­ausgang haben, über den zumindest der Eintritt der Notsi­tuation gemeldet werden kann. In Summe sollte darauf geachtet werden, dass der Wech­sel­richter mit z.B. der Gebäu­de­au­to­mation kommu­ni­zieren kann, damit diese gemäß einer vorher fest­zu­le­genden Priorität einzelne Verbraucher abschaltet.

Keine Insel­anlage ohne Batteriespeicher

Sofern man sich für das Konzept einer „Insel­fä­higkeit“ entscheidet, erfordert das einen Batte­rie­speicher. Denn ohne diesen ist ein Insel­be­trieb nicht bzw. nicht sinnvoll möglich. In dieser Beziehung stellt sich die Frage, wie groß dieser dimen­sio­niert werden sollte.

Zum einen bemisst sich eine sinnvolle Größe am indi­vi­du­ellen Ener­gie­bedarf während der „Notsi­tuation“ unter Berück­sich­tigung einer maximalen Über­brü­ckungszeit (d.h. Dauer einer womöglich einge­schränkten PV-​Ertragslage aufgrund von schlechtem Wetter).

Auf der anderen Seite wird diese Notsi­tuation wohl selten oder womöglich nie eintreten. Deshalb erscheint es sinn­voller, die Größe des PV-​Speichers so auszu­legen, dass auch zu normalen Versor­gungs­zeiten eine möglichst hohe Autarkie gegeben ist. Denn in diesem Fall profi­tiert man durch­gehend von gerin­geren Strom­rech­nungen. In dieser Beziehung verweisen wir auf unseren „Tipp des Monats“ vom Februar 2018, in dem wir eine Bachelor-​Arbeit vorge­stellt haben, die genau dieser Aufga­ben­stellung nachging (siehe https://www.igt-institut.de/tipp-des-monats-0218/)

Fazit

Normale PV-​Anlagen sind nicht insel­fähig – d.h. liefern bei Ausfall des öffent­lichen Versor­gungs­netzes keine Energie. Im Detail liegt dies am Wech­sel­richter, der „insel­fähig“ sein müsste. Wem diese Eigen­schaft wichtig ist, sollte beim Kauf einer PV-​Anlage auf diese Eigen­schaft achten oder im Notfall Bestands­an­lagen umrüsten.

Mehr dazu hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Der Smart Meter Rollout soll helfen Strom zu sparen und Lasten zu kappen. Das könnte Mietern und Verwaltern deutliche finanzielle Vorteile bringen. Doch der Ausbau geht nur schleppend voran. Zudem wären bei einer Einbindung der Wärmeversorgung in den Rollout die...