Die Ankündigung der Allianz, in Zukunft nicht mehr in Geschäfte mit Braunkohle zu investieren, schaffte es bis in die Tagesthemen. Der Versicherungskonzern scheint damit einen Nerv getroffen zu haben. Der Rockefeller-Clan zieht sich gar aus dem Geschäft mit allen Fossilen, auch Öl, zurück – obwohl er einst dadurch reich wurde. Gerade dieses Beispiel beweist, dass von diesem Disinvestment auch die Mineralölbranche betroffen sein kann. Doch was droht schlimmstenfalls?
Vorerst scheint vor allem die Braunkohlewirtschaft betroffen. Der Ausstieg von Norwegens Staatsfond aus der kohleverstromenden RWE passt ebenso ins Bild wie die Pläne Vattenfalls, seine ostdeutsche Braunkohlensparte abzustoßen. Und auch die Bundesregierung gießt noch Öl ins Feuer, mahnt sie doch Banken zur Vorsicht bei Investitionen in Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft, die unter den Folgen politischer Entscheidungen leiden könnten. Sprich: Erst zündeln und dann warnen.
Immerhin schränkt die Regierung ein, dass eine plötzliche Börsenkorrektur von überbewerteten Öl- und Energiekonzernen die Finanzmärkte nicht gefährden müssten. Genau diese Finanzmärkte sorgen für Liquididät eben auch in der Energiewirtschaft, der fossilen wie der erneuerbaren – auch wenn letztere sich zusätzlich noch über einige Subventionen freuen darf.
Klimaschutz? Nimmt man mit.
Der Grund für Allianz und Co. ist ein ganz einfacher: Er liegt nicht etwa im Klimaschutz, auch wenn man das gern so verkauft, sondern in den so genannten Carbon Bubbles. Damit werden in der Finanzwelt Kohlen- und Kohlenwasserstofflagerstätten bezeichnet, deren Abbau geplant ist und die als Firmenwerte eingebucht sind, jedoch wohl nicht mehr genutzt werden können.
Als Beispiel kann der Braunkoheltagebau Nochten II von Vattenfall dienen, auch wenn dessen Firmenanteile nicht an der Börse gehandelt werden. (Eine Analyse zum derzeit von Vattenfall angestrebten Verkauf der Kohlesparte hat mein Energieblogger-Kollege Thorsten Zoerner hier in seinem Blog Stromhaltig verfasst.) Hier liegen 300 Millionen Tonnen Braunkohle, deren Abbau zwar bereits genehmigt wurde, der jedoch keineswegs gewiss ist. Zu groß ist der Protest in der Lausitz, so dass auch Politiker aller Parteien den Abbau in Frage stellen. Der Wert der dort lagernden Braunkohle, geschätzte drei Milliarden Euro, müsste dann in der Firmenbilanz bis auf Null gesetzt und entsprechend abgeschrieben werden. Ähnliches erlebte RWE mit der politisch gewollten Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II, die ein Minus von 400 Millionen Tonnen Braunkohle oder etwa vier Milliarden Euro bedeutete.
Reine Investments verlieren an Wert
Für Anleger wie die Allianz ist dies ein tatsächliches finanzielles Risiko, weil ihr Investment dadurch an Wert verliert. Wie das ausgehen kann, zeigt ein Blick über den Atlantik. Der Aktienkurs des größten US-Braunkohleförderers Peabody rutschte seit 2011 von 1091 US-Dollar auf 12 Dollar derzeit. Das entspricht einem sagenhaften Verlust von 99 Prozent. Aktuell mach das Gerücht von seiner Insolvenz die Runde.
Der Londoner ThinkTank Carbon Tracker Initiative schätzt, dass bis 2025 rund 2 Billionen US-Dollar an Unternehmenswerten verloren gehen könnten – gerechnet bei einem 2‑Grad-Ziel der Weltklimakonferenz in Paris. Dort wurden sogar 1,5 Grad maximale Erderwärmung bis zum Jahr 2100 angestrebt. Das dürfte die Lage zusätzlich verschärfen. Immerhin – eine extreme Dekarbonisierungsstrategie beschlossen die Delegierten dort nicht.
Geschrieben für Brennstoffspiegel. Der vollständige Beitrag ist nur in der Ausgabe 03/2016 zu lesen. Zum kostenfreien Probeabo geht es hier.
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