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Energie-​Mittelständler mischen im Gasmarkt mit

von | 14. Februar 2014

Im Gegensatz zum recht sprung­haften Ölpreis bewegt sich der Gasmarkt eher träge. Das hängt zum einen von den inter­na­tio­nalen Märkten ab, zum anderen von der Ölpreis­bindung, die noch immer die lang­fris­tigen Liefer­ver­träge nach Deutschland dominiert.

Doch dieser scheinbar ruhige Markt birgt für Einsteiger enorme Risiken. Deswegen sollten sich Brenn­stoff­händler, die sich auch dem Gasge­schäft widmen möchten – und dafür spricht so einiges – auf erfahrene Player im Gasmarkt verlassen.

Wie der Markt entsteht

Anders als beim Öl, das zwar nur zu 10 Prozent an freien Börsen gehandelt wird, der dort ermit­telte Preis jedoch als Referenz für so unter­schied­liche Anbieter wie die OPEC oder Russland gilt, entsteht der Gasmarkt dort, wo es verfügbar, sprich ins Netz einge­speist wird. Allein in Europa gibt es so 5 Punkte, 2 davon in Deutschland. Wer hier handeln will, braucht Profis, die nicht nur mehr­sprachig agieren, sondern auch die juris­ti­schen Fall­stricke in den recht kompli­zierten Liefer­ver­trägen kennen. Dieses Know-​how kann kaum ein mittel­stän­di­scher Brenn­stoff­händler aufbauen.

Eine weitere Hürde ist der Konkur­renz­druck. Die wirklich lukra­tiven Verträge hat man mit Groß­kunden, also Behörden, Stadt­werken, großen Wohnungs­ge­nos­sen­schaften oder ener­gie­in­ten­siven Firmen. Die schreiben in aller Regel ihren Bedarf öffentlich aus und schließen fast ausnahmslos nur 1‑Jahres-​Verträge ab. Dennoch melden sich bis zu 40 Anbieter je Ausschreibung. Da Gas ein sehr vergleich­bares Gut ist, spielt die Qualität schon mal nicht die erste Geige, dafür aber der Preis. Punkten kann man höchstens mit Sicher­heiten. Denn die sind bei den Verträgen ebenso wichtig wie der Preis. Das ist der Ansatz­punkt, wo Mittel­ständler ins Spiel kommen.

Sicherheit und Wunsch­energie ganz vorn

Denn wer bisher bei seinen Kunden durch Zuver­läs­sigkeit auffiel, dem nimmt man auch ab, in Zukunft für die pünkt­liche und ausrei­chende Gaslie­ferung zu sorgen. Alle von uns befragten Brenn­stoff­händler kamen so an ihre Kunden, keiner agierte ausschließlich über den Preis. Zudem, so Dieter Bischoff, Geschäfts­führer bei Bischoff, Vliex & Schöngen, Pfennings, wolle man dem Kunden die Energie liefern, die er wolle. Die Aachener verkaufen seit einem Jahr Erdgas. „Am Anfang lief es schleppend“ so Bischoff. „Doch jetzt wird es zunehmend besser.“ Man habe die Tele­fon­ver­käu­fe­rInnen geschult. Zwei Mitar­beiter kümmern sich nun fast ausschließlich um die Gaskunden.

Bischoff sieht durchaus Potenzial: „In den nächsten drei Jahren müssen wir mit Gas mindestens 10 bis 15 Prozent unseres Gesamt­ge­winns machen. Das ist allein schon wegen des rück­läu­figen Heiz­öl­markts nötig“. Kunden gewann man vor allem durch Cross-​Selling-​Effekte. Neben zahl­reichen Haus­be­sitzern und Gewer­be­be­trieben im Aachener Land gehören dazu vor allem Haus­ver­wal­tungen und – ein Zeichen – Kirchen, die neben Öl- meist auch Gas-​Heizungen betreiben. „Die haben meist noch Kinder­gärten, die ebenfalls beliefert werden müssen, und Gemein­de­häuser“, rechnet Bischoff weiter. „Alles in allem ein sehr ordent­liches Potential.

Platt­formen kaum hilfreich

Platt­formen wie check24 oder verivox hingegen halfen kaum weiter, weil das Unter­nehmen nur regional agiert. Man wolle dies jedoch im Auge behalten.

Das sieht auch Berthold Jehle so: „Im Moment halten wir uns mit der Präsenz auf Internet-​Plattformen noch zurück“, so der Geschäfts­führer der Ener­gie­handel Süd. „Wir sind noch in der Phase, in der wir längst nicht alle bestehenden Kontakte aus unseren übrigen Geschäfts­feldern genutzt haben. Das hat zuerst einmal Vorrang und verspricht auch am meisten Erfolg. Aber selbst­ver­ständlich werden wir uns in Zukunft auch mit diesem Vertriebsweg befassen.“

Jehle schätzt, dass er mittel­fristig 20 bis 30 Prozent im Gashandel erlösen kann. Wie bei vielen anderen Neu-​Gasverkäufern auch spielten Über­le­gungen zur Markt­ent­wicklung eine Rolle. „Fakt ist, dass der Verbrauch an Heizöl im klas­si­schen Hausbrand zurückgeht“, so Jehle. Durch die laufende Moder­ni­sie­rungs­welle würden andere Ener­gie­träger an Bedeutung gewinnen, wobei Erdgas noch gutes Wachs­tums­po­tenzial hätte, was haupt­sächlich aus den relativ günstigen Moder­ni­sie­rungs­kosten abzu­leiten sei.

Dabei war der Einstieg keineswegs einfach. „Die Hemm­schwelle, mehr­seitige Verträge zu unter­schreiben, ist beim Verbraucher sicher höher, als wir es vom Heiz­öl­verkauf gewohnt sind“ erklärt der Leut­kircher Unter­nehmer. Die Abschlüsse lägen in den ersten Monaten dennoch über den Erwar­tungen. Geholfen hätten dabei sicher auch die regionale Bekanntheit und der gute Ruf seiner Firma.

Ohne neues Personal ging es nicht, denn: „Es ist unseres Erachtens nicht möglich, dieses Geschäft so nebenbei zu betreiben. Und man braucht speziell geschultes Personal, um sich beispiels­weise durch den Tarif-​Dschungel zu kämpfen. Dieser Bereich ist sehr spezi­fisch und hat mit dem klas­si­schen Heiz­öl­ge­schäft wenig zu tun“, meint Jehle.

Eigene Marke von Vorteil
Einen neuen Schritt ging AGRAVIS. Seit März 2011 punkten die Genos­sen­schaftler als Vertriebs­partner der Raiff­eisen Energie GmbH & Co​.KG (REG) mit der Marke RGas. „Damit konnten wir unser Image als Händler für feste, flüssige und leitungs­ge­bundene Energien gezielt trans­por­tieren“, so Marketing-​Manager Michael Rosehr. Die Produkt­ein­führung sei schnell, unkom­pli­ziert und ohne Bonus­ak­tionen verlaufen. Die REG kann sich dabei neben der AGRAVIS auf 50 weitere Raiffeisen-​Vertriebspartner stützen und arbeitet vorrangig regional. Die AGRAVIS hat ihre betrof­fenen Mitar­beiter im Vorfeld als Erdgas­ko­or­di­na­toren geschult, daher bedurfte es keiner Anpassung der Mitarbeiterstruktur.

Doch mit Strom punkten?

Auch wenn sich fast alle der befragten Händler mit Strom schwer tun – es gibt auch Unter­nehmen, denen es recht gut gelingt, diesen Bereich zu entwi­ckeln. Bei Präg in Kempten ist man damit sogar erfolg­reicher als mit Gas. „Doch es war kein Kinder­spiel“, weiß Geschäfts­führer Marc Deisen­hofer. „Man braucht einen langen Atem. Und die Wech­sel­wil­ligkeit ist nicht gerade sehr ausge­prägt.“ Zu Hilfe kam der Firma in dem klein­tei­ligen Strom­ge­schäft Firma Wilkens, die in Deutschland auch mehrere Stadt­werke betreut und auf deren Software auch die Allgäuer zurückgriffen.

Wie bei den im Gasge­schäft erfolg­reichen Händlern auch konnte Präg zuerst Bestands­kunden über­zeugen und gewinnen, und das bei Privaten und im Gewerbe. Heute hingegen über­wiegen Neukunden. „ Wir sprechen poten­tielle Kandi­daten direkt an. Dazu fahren wir parallel aufwändige Werbungen für unsere regionale Bekanntheit“, so Deisen­hofer. „So kommen wieder Ex-​Kunden, die unseren Namen noch von früher kennen.“ Zu Beginn nutzte man auch intensiv Vergleichs­portale wie Verivox. Doch die spielen bei der Akqui­sition kaum noch eine Rolle.

Eine Beson­derheit bei Deisen­hofer: Er unterhält zahl­reiche Nieder­las­sungen in Mittel­deutschland. Hier war der Zuspruch am Anfang am größten. Inzwi­schen kämen Neukunden aber verstärkt aus dem Stamm­gebiet in Bayern. Gemeinsam in Ost und West ist jedoch eines: Ökostrom ist zwar gewünscht (und den kann Präg auch liefern). Geht es jedoch ans Porte­monnaie, wird lieber auf konven­tio­nellen Strom gesetzt.

Warum er ausge­rechnet mit Strom erfolg­reich ist? „Als wir damit im letzten Sommer anfingen, war Strom im Gegensatz zu Gas, preislich inter­essant“, so Deisen­hofer. „Kurzerhand haben wir auf Strom gesetzt und deswegen einen ausge­wie­senen Mitar­beiter mit Strom­kom­petenz eingestellt.“

Original-​Beitrag erschienen im Brenn­stoff­spiegel, Ausgabe 8/​2012.

Voll­stän­diger Beitrag ist nur dort zu lesen.

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Gas

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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