Im Gegensatz zum recht sprunghaften Ölpreis bewegt sich der Gasmarkt eher träge. Das hängt zum einen von den internationalen Märkten ab, zum anderen von der Ölpreisbindung, die noch immer die langfristigen Lieferverträge nach Deutschland dominiert.
Doch dieser scheinbar ruhige Markt birgt für Einsteiger enorme Risiken. Deswegen sollten sich Brennstoffhändler, die sich auch dem Gasgeschäft widmen möchten – und dafür spricht so einiges – auf erfahrene Player im Gasmarkt verlassen.
Wie der Markt entsteht
Anders als beim Öl, das zwar nur zu 10 Prozent an freien Börsen gehandelt wird, der dort ermittelte Preis jedoch als Referenz für so unterschiedliche Anbieter wie die OPEC oder Russland gilt, entsteht der Gasmarkt dort, wo es verfügbar, sprich ins Netz eingespeist wird. Allein in Europa gibt es so 5 Punkte, 2 davon in Deutschland. Wer hier handeln will, braucht Profis, die nicht nur mehrsprachig agieren, sondern auch die juristischen Fallstricke in den recht komplizierten Lieferverträgen kennen. Dieses Know-how kann kaum ein mittelständischer Brennstoffhändler aufbauen.
Eine weitere Hürde ist der Konkurrenzdruck. Die wirklich lukrativen Verträge hat man mit Großkunden, also Behörden, Stadtwerken, großen Wohnungsgenossenschaften oder energieintensiven Firmen. Die schreiben in aller Regel ihren Bedarf öffentlich aus und schließen fast ausnahmslos nur 1‑Jahres-Verträge ab. Dennoch melden sich bis zu 40 Anbieter je Ausschreibung. Da Gas ein sehr vergleichbares Gut ist, spielt die Qualität schon mal nicht die erste Geige, dafür aber der Preis. Punkten kann man höchstens mit Sicherheiten. Denn die sind bei den Verträgen ebenso wichtig wie der Preis. Das ist der Ansatzpunkt, wo Mittelständler ins Spiel kommen.
Sicherheit und Wunschenergie ganz vorn
Denn wer bisher bei seinen Kunden durch Zuverlässigkeit auffiel, dem nimmt man auch ab, in Zukunft für die pünktliche und ausreichende Gaslieferung zu sorgen. Alle von uns befragten Brennstoffhändler kamen so an ihre Kunden, keiner agierte ausschließlich über den Preis. Zudem, so Dieter Bischoff, Geschäftsführer bei Bischoff, Vliex & Schöngen, Pfennings, wolle man dem Kunden die Energie liefern, die er wolle. Die Aachener verkaufen seit einem Jahr Erdgas. „Am Anfang lief es schleppend“ so Bischoff. „Doch jetzt wird es zunehmend besser.“ Man habe die TelefonverkäuferInnen geschult. Zwei Mitarbeiter kümmern sich nun fast ausschließlich um die Gaskunden.
Bischoff sieht durchaus Potenzial: „In den nächsten drei Jahren müssen wir mit Gas mindestens 10 bis 15 Prozent unseres Gesamtgewinns machen. Das ist allein schon wegen des rückläufigen Heizölmarkts nötig“. Kunden gewann man vor allem durch Cross-Selling-Effekte. Neben zahlreichen Hausbesitzern und Gewerbebetrieben im Aachener Land gehören dazu vor allem Hausverwaltungen und – ein Zeichen – Kirchen, die neben Öl- meist auch Gas-Heizungen betreiben. „Die haben meist noch Kindergärten, die ebenfalls beliefert werden müssen, und Gemeindehäuser“, rechnet Bischoff weiter. „Alles in allem ein sehr ordentliches Potential.
Plattformen kaum hilfreich
Plattformen wie check24 oder verivox hingegen halfen kaum weiter, weil das Unternehmen nur regional agiert. Man wolle dies jedoch im Auge behalten.
Das sieht auch Berthold Jehle so: „Im Moment halten wir uns mit der Präsenz auf Internet-Plattformen noch zurück“, so der Geschäftsführer der Energiehandel Süd. „Wir sind noch in der Phase, in der wir längst nicht alle bestehenden Kontakte aus unseren übrigen Geschäftsfeldern genutzt haben. Das hat zuerst einmal Vorrang und verspricht auch am meisten Erfolg. Aber selbstverständlich werden wir uns in Zukunft auch mit diesem Vertriebsweg befassen.“
Jehle schätzt, dass er mittelfristig 20 bis 30 Prozent im Gashandel erlösen kann. Wie bei vielen anderen Neu-Gasverkäufern auch spielten Überlegungen zur Marktentwicklung eine Rolle. „Fakt ist, dass der Verbrauch an Heizöl im klassischen Hausbrand zurückgeht“, so Jehle. Durch die laufende Modernisierungswelle würden andere Energieträger an Bedeutung gewinnen, wobei Erdgas noch gutes Wachstumspotenzial hätte, was hauptsächlich aus den relativ günstigen Modernisierungskosten abzuleiten sei.
Dabei war der Einstieg keineswegs einfach. „Die Hemmschwelle, mehrseitige Verträge zu unterschreiben, ist beim Verbraucher sicher höher, als wir es vom Heizölverkauf gewohnt sind“ erklärt der Leutkircher Unternehmer. Die Abschlüsse lägen in den ersten Monaten dennoch über den Erwartungen. Geholfen hätten dabei sicher auch die regionale Bekanntheit und der gute Ruf seiner Firma.
Ohne neues Personal ging es nicht, denn: „Es ist unseres Erachtens nicht möglich, dieses Geschäft so nebenbei zu betreiben. Und man braucht speziell geschultes Personal, um sich beispielsweise durch den Tarif-Dschungel zu kämpfen. Dieser Bereich ist sehr spezifisch und hat mit dem klassischen Heizölgeschäft wenig zu tun“, meint Jehle.
Eigene Marke von Vorteil
Einen neuen Schritt ging AGRAVIS. Seit März 2011 punkten die Genossenschaftler als Vertriebspartner der Raiffeisen Energie GmbH & Co.KG (REG) mit der Marke RGas. „Damit konnten wir unser Image als Händler für feste, flüssige und leitungsgebundene Energien gezielt transportieren“, so Marketing-Manager Michael Rosehr. Die Produkteinführung sei schnell, unkompliziert und ohne Bonusaktionen verlaufen. Die REG kann sich dabei neben der AGRAVIS auf 50 weitere Raiffeisen-Vertriebspartner stützen und arbeitet vorrangig regional. Die AGRAVIS hat ihre betroffenen Mitarbeiter im Vorfeld als Erdgaskoordinatoren geschult, daher bedurfte es keiner Anpassung der Mitarbeiterstruktur.
Doch mit Strom punkten?
Auch wenn sich fast alle der befragten Händler mit Strom schwer tun – es gibt auch Unternehmen, denen es recht gut gelingt, diesen Bereich zu entwickeln. Bei Präg in Kempten ist man damit sogar erfolgreicher als mit Gas. „Doch es war kein Kinderspiel“, weiß Geschäftsführer Marc Deisenhofer. „Man braucht einen langen Atem. Und die Wechselwilligkeit ist nicht gerade sehr ausgeprägt.“ Zu Hilfe kam der Firma in dem kleinteiligen Stromgeschäft Firma Wilkens, die in Deutschland auch mehrere Stadtwerke betreut und auf deren Software auch die Allgäuer zurückgriffen.
Wie bei den im Gasgeschäft erfolgreichen Händlern auch konnte Präg zuerst Bestandskunden überzeugen und gewinnen, und das bei Privaten und im Gewerbe. Heute hingegen überwiegen Neukunden. „ Wir sprechen potentielle Kandidaten direkt an. Dazu fahren wir parallel aufwändige Werbungen für unsere regionale Bekanntheit“, so Deisenhofer. „So kommen wieder Ex-Kunden, die unseren Namen noch von früher kennen.“ Zu Beginn nutzte man auch intensiv Vergleichsportale wie Verivox. Doch die spielen bei der Akquisition kaum noch eine Rolle.
Eine Besonderheit bei Deisenhofer: Er unterhält zahlreiche Niederlassungen in Mitteldeutschland. Hier war der Zuspruch am Anfang am größten. Inzwischen kämen Neukunden aber verstärkt aus dem Stammgebiet in Bayern. Gemeinsam in Ost und West ist jedoch eines: Ökostrom ist zwar gewünscht (und den kann Präg auch liefern). Geht es jedoch ans Portemonnaie, wird lieber auf konventionellen Strom gesetzt.
Warum er ausgerechnet mit Strom erfolgreich ist? „Als wir damit im letzten Sommer anfingen, war Strom im Gegensatz zu Gas, preislich interessant“, so Deisenhofer. „Kurzerhand haben wir auf Strom gesetzt und deswegen einen ausgewiesenen Mitarbeiter mit Stromkompetenz eingestellt.“
Original-Beitrag erschienen im Brennstoffspiegel, Ausgabe 8/2012.
Vollständiger Beitrag ist nur dort zu lesen.
Foto: Wintershall
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