Foto: Urbansky

Deutsches Netz kann 4x mehr PV-​Strom verkraften

von | 29. Oktober 2015

Der aktuelle Preis­verfall bei den Spei­cher­preisen lässt den Thinktank Agora vermuten, dass das deutsche Strom­system mit viermal so viel PV-​Strom wie derzeit zurecht­kommen würde. Voraus­setzung sind eben jene batte­rie­ge­stützten Spei­cher­systeme. Die Spanne der Kosten wird dabei von 20 Eurcent je kWh in einem Spei­cher­zyklus nach oben und 5 Eurocent nach unten ange­nommen. Grundlage für die Schät­zungen sind Teslas Ankün­di­gungen des Powerwall. 

Zu diesen Kosten kämen noch die Strom­ge­ste­hungs­kosten, derzeit bei etwa 10 Eurcent je kWh. Das würde bei einem Lade­zyklus von 20 Eurocent auf einen Eigenverbrauchs-​Strompreis von 30 Eurocent hinaus­laufen – etwas über dem derzei­tigen Markt­durch­schnitt. Nimmt man jedoch den unteren Preis für den Lade­zyklus und den zukünftig durch leis­tungs­fä­higere Module auf 5 Eurocent fallenden Preis für die Strom­ge­stehung, läge man bei 10 Eurocent für eigen­erzeugten, ‑gespei­cherten und ‑verb­tauchten Strom. Unschlagbar.

Diese Entwicklung nun veran­lasst die Agora-​Wissenschaftler zu der Aussage, dass Szenarien mit 150 oder 200 Gigawatt Photo­voltaik in Deutschland, die bis vor kurzem noch von vielen für voll­kommen unrea­lis­tisch gehalten wurden, technisch und ökono­misch möglich seien. Ange­nehmer Neben­effekt, falls sich dieser Spei­cher­trend in dieser Größen­ordnung fort­setzen sollte: der Bau von weiteren Hoch­span­nungs­lei­tungen über den aktuellen Netz­ent­wick­lungsplan hinaus nach 2025 wäre überflüssig.

Für die Ener­gie­wirt­schaft bedeutet dies zudem, nicht so sehr den Verkauf von Strom in den Vorder­grund zu stellen, sondern vielmehr mit anderen Produkten zum Partner von Kunden zu werden, die selbst Solar­strom herstellen und speichern würden.

Diese Dienst­leis­tungen könnten der Verkauf von Strom­spei­chern, deren Wartung oder das Management von kombi­nierten Solarstrom- und Stromspeicher-​Anlagen als Teil eines größeren Pools sein. 

Vorschaubild: Urbansky

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

3 Kommentare

  1. Rainer

    Sehr schön die virtu­ellen Speicher – doch ohne entspre­chende Ände­rungen der 20Jahre Verträge sind mindestens 800.000 PV-​Anlagen (vor 2009) „außen vor“ für diese nicht gerade kleine Anzahl ist ein heimi­scher Batte­rie­speicher von der „Beschi­ckungs­seite“ her recht unsinnig. Müssten doch all diese „Voll­ein­speiser“ erst teuren Bezugs­strom „zurück­kaufen“ um ihn dann zu speichern und so einen „virtu­ellen Gesamt­speicher“ abzu­bilden. Das tun sie (meist noch unwis­sentlich mit dem Eigen­ver­brauch von 20 bis 30 % jährlich) sowieso. Kaum anzu­nehmen, das diese recht große Anzahl von Einspeisern sich eigene häusliche Batte­rie­systeme zulegt.

    So bleibt nur der örtliche Netz­ausbau um zusätz­liche PV-​Kleinanlagen (bis 10 kWp) zu etablieren oder eben die preis­güns­tigere Variante „RONT“. Vermutlich werden – wie schon in Schwerin (5 MW) – „größere“ kommer­zielle Batte­rie­speicher „einspringen“ müssen. Auch hier haben uns längst die Chinesen überholt. Die Förderung von privaten Klein­spei­chern endet im Dezember 2015. Woher kommen also die „vielen“ kleinen Speicher die nur mit einem gewissen Idea­lismus und nur für neu Inbe­trieb­setzung von PV-​Anlagen quasi „Pflicht“ sind, weil die heutigen Eisspei­se­tarife in der Zwischenzeit etwa bei der Hälfte der Bezugs­tarife angelangt sind. Der Rückgang privater PV- Klein­an­la­gen­in­stal­la­tionen ist erheblich. Dort – nur dort – sind private Batte­rie­speicher noch sinnvoll – jeden­falls, wenn eine gewisse Autonomie das Ziel des privaten Investors ist. Einfach einen möglichst großen Teil des Eigen­be­darfs abdecken. Wo ist da noch „Kapazität“ für eine virtu­elles Spei­cherwerk übrig ? 

    Offen­sichtlich ist „Politik“ eher daran inter­es­siert Uralt­braun­koh­le­kraft­werke auf Kosten der privaten Strom­kunden massiv zu subven­tio­nieren, um „gege­be­nen­falls“ Versor­gungs­lücken nach mindestens ca. 24h Vorlaufzeit zu füllen. 

    Die Chinesen“ (BYD) gehen mit Größen­ord­nungen die das zehnfache der in D betrie­benen „Groß­speicher“ ausmachen wie üblich voran. Selbst die Amis haben inzwi­schen begriffen um was es da geht. Mir ist rätselhaft wo die vielen kleinen Speicher die das virtuell zusam­men­ge­schaltet werden sollen in D herkommen sollen – und ich bin ganz gewiss für die clevere Lösung…

    Tatsächlich sollte so viel wie möglich „Über­schuss“ produ­ziert werden – selbst 100% Strom aus EE bedeutet für D gerade mal ~22% des Primär­ener­gie­be­darfs Stand aktuell. Da wird wohl erst massiver PtG Einsatz hilfreich sein – ergo ein Mix der schon bekannten Tech­no­logien die Lösung sein.

  2. Helen Steiniger

    Batte­rie­ge­stützte Spei­cher­systeme im Zusam­menhang mit lokaler Solar­strom­pro­duktion sind eine sehr inter­es­sante Flexi­bi­li­täts­option für die Zukunft! 

    Die verblei­benden Leis­tungs­gra­di­enten, die sich aus der Solar­strom­ein­speisung ergeben, können zusätzlich über Demand Side Management, also Anpas­sungen auf Strom­ver­brauchs­seite, abge­federt werden. So wird ein großer Teil des Strom­ver­brauchs auf die Stunden verlagert, in denen besonders viel Solar­strom ins Netz strömt. In den Stunden, in denen wenig Solar­strom da ist, geht die Strom­nach­frage entspre­chend zurück und wird teils von eben solchen Solar­strom­spei­chern und teils von flexiblen Strom­pro­du­zenten wie Biogas­an­lagen gedeckt.

    Diese Maßnahmen zur Nach­fra­ge­an­pas­sungen machen wir bei Next Kraft­werke heute schon mit gewerb­lichen und indus­tri­ellen Strom­ver­brau­chern: Über variable Strom­tarife (https://​www​.next​-kraft​werke​.de/​s​t​r​o​m​v​e​r​b​r​a​u​c​h​e​r​/​v​a​r​i​a​b​l​e​r​-​s​t​r​o​mtarif) wird der Strom­ver­brauch auf Zeiten niedriger Preise (also mit hoher Strom­ein­speisung) gelegt. Bei hohen Preisen (und niedriger Einspeisung) wird der Strom­ver­brauch flexibler Prozesse gedrosselt.

    Mit einem ausge­wo­genen Mix solcher flexibler Tech­no­logien – da sind wir uns mit Agora einig – sind 100% Erneu­erbare in Deutschland machbar.

  3. Rainer

    Ist das wirklich „alter­na­tivlos” ?

    Warum kein „RONT im O‑Netz” ‑also Regelbare Orts­netz­trafos: Die Alter­native zum Netzausbau.

    Nicht das ich etwas gegen jede menge dezen­traler Speicher hätte – doch warum nicht wie überall, ein „Mix” aus allen möglichen Komponenten ?

    Einfach mal „Rainer” klicken – dort habe ich bereits einige Infor­ma­tionen zu „RONT” gesammelt.

EnWiPo
EnWiPo
„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

„Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Wir ziehen immer häufiger Abwärme oder Abwasser in Betracht“

Seit diesem Jahr gilt das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze. Bis 2028 müssen alle Kommunen eine solche Planung vorlegen. Im Interview erklärt Jannik Hartfil, Fachgebietsleiter Kommunale Wärmeplanung bei dem Energienetzbetreiber EWE...

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Smart Meter Rollout: Noch rollt wenig

Der Smart Meter Rollout soll helfen Strom zu sparen und Lasten zu kappen. Das könnte Mietern und Verwaltern deutliche finanzielle Vorteile bringen. Doch der Ausbau geht nur schleppend voran. Zudem wären bei einer Einbindung der Wärmeversorgung in den Rollout die...