Besonders nah am Wasser gebaut und deswegen sensibel für Umweltbelange: Rotterdam. Foto: Torero / Wikimedia / Lizenz unter CC BY-SA 3.0

Energie-​Zukunft Rotterdam: Dampf, Dach­gärten, Windkraft

von | 1. Oktober 2015

Wie sich Groß­städte auf die ener­ge­tische Zukunft vorbe­reiten können zeigten wir gestern am Beispiel von Amsterdam. Im zweiten Teil nun wird an dieser Stelle das Rotter­damer Konzept vorge­stellt. Der Text folgt im wesent­lichen der Shell-​Studie „Städte der Zukunft“.

In Rotterdam liegen fast 80 % der Grund­fläche unter dem Meeres­spiegel, zum Teil bis zu 6 Metern. Von seinem Hafen – dem größten Europas – profi­tiert die gesamte Wirt­schaft der Nieder­lande. Die über­schwem­mungs­ge­fährdete Stadt hat eine detail­lierte Strategie zur Klima­an­passung einge­führt. Ziel ist es, bis 2025 100 % klima­sicher zu sein und die CO2-​Emissionen um 50 % gegenüber 1990 zu senken.

Dampf machen

Die Stadt und der Hafen von Rotterdam führen weiterhin diverse Maßnahmen zur Redu­zierung ihrer Emis­sionen ein. U.a. werden neue Dampf- und Wärme­netze angelegt. 2012 wurde mit dem Bau eines neuen Rohr­lei­tungs­netzes begonnen, das über­schüs­sigen Dampf aus dem Kraftwerk AVR Rozenburg zu anlie­genden Unter­nehmen leiten soll. Dadurch sinkt der Verbrauch an fossilen Kraft­stoffen zur Dampf­erzeugung vor Ort, und die CO2-​Emissionen können um schät­zungs­weise 400.000 Tonnen pro Jahr gedrosselt werden. Der Dampf soll auch zur ökolo­gisch nach­hal­tigen Beheizung von 50.000 Geschäfts- und Wohn­häusern dienen.

Betei­ligung an Windpark

Außerdem hat Rotterdam 36 Millionen Euro in den Windpark Hartelbrug II inves­tiert. 2012 hat die Stadt die Infor­ma­ti­ons­börse Nationale LNG-​Plattform einge­richtet, um Unter­nehmen und Behörden zu koor­di­nieren. Diese Online Plattform soll die Einführung von verflüs­sigtem Erdgas als alter­na­tiven Kraft­stoff in den Nieder­landen fördern.

Als eine kompakte Stadt, die unterhalb des Meeres­spiegels liegt, hat Rotterdam mehrere Projekte zum Schutz gegen Über­schwemmung durch­ge­führt. Das 12.000 Hektar große Hafen­gebiet wurde größ­ten­teils auf rund 3 bis 5 Metern höher gelegenem Land angelegt. Außerdem ist es durch die Maeslant-​Sturmflutwehr geschützt. Im Rahmen von Erho­lungs­ge­bieten wurden Schutz­deiche gebaut, die z. B. als Radwege dienen. Die Stadt plant eine Erwei­terung ihrer Wasser­spei­cher­ka­pa­zität um 75.000 m³ bis 2015. Dafür sollen u.a. Wasser-​Plazas auf Spiel‑, Innenstadt- und Sport­plätzen gebaut werden. Diese dienen bei starkem Regen als Wasser­auf­fang­becken und sind mit Pump- und Filter­sys­temen ausgestattet.

Urbane Dach­gärten

Um die Spei­cher­funktion zu unter­stützen, hat Rotterdam Dach­gärten mit einer Fläche von über 130.000 m² angelegt. Dazu gehört auch die größte urbane Dach­gar­tenfarm Europas „Dakakker“. Sie ist 1.000 m² groß und befindet sich auf dem Dach eines Büro­ge­bäudes. Kleinere Projekte sollen ein Bewusstsein für Umwelt­schutz und Nach­hal­tigkeit schaffen. So soll z. B. Die Kampagne „Tile out, green in” dazu moti­vieren, Pflas­te­rungen durch Pflanzen und Rasen­flächen zu ersetzen.

Erfolg­reich mit E‑Mobilen

Rotterdam ist mit 1.100 Elek­tro­autos auf den Straßen und geplanten 1.000 Lade­sta­tionen die erfolg­reichste Stadt für Elek­tro­fahr­zeuge in Europa. Sie hat auch die meisten Elek­tro­fahr­zeuge im Verhältnis zu benzin­be­trie­benen Fahr­zeugen weltweit. Auf 100.000 zuge­lassene Fahrzeuge kommen 532 Elek­tro­fahr­zeuge. Sowohl Amsterdam als auch Rotterdam planen, ihre Elek­tro­fahr­zeug­flotten in den kommenden Jahren noch zu vergrößern.

Wie Amsterdam berät sich Rotterdam mit anderen Städten und ist Mitglied der C40. Dies ist eine Gruppe von Groß­städten, die sich dem Ziel verschrieben haben, Treibhausgas-​Emissionen und Klima­ri­siken zu reduzieren.

Netzwerk gegen Flut

Darüber hinaus hat Rotterdam das Netzwerk „Connecting Delta Cities” gegründet. Städte, die einem stei­genden Meeres­spiegel ausge­setzt sind, können sich hierüber zu bewährten Anpas­sungs­stra­tegien austau­schen. Rotterdam unter­stützt Städte wie New Orleans und Ho Chi Minh City auch direkt. Dabei bindet es orts­an­sässige Forschungs­in­stitute und Bera­tungs­un­ter­nehmen im Rahmen des Klima­pro­gramms „Rotterdam Climate Proof“ mit ein. Im Jahr 2012 hat die EU-​Kommission die Stadt Rotterdam zu einer „EU Peer City“ benannt. Damit hat sie ihr eine führende Rolle im EU-​Schulungsprogramm zur Unter­stützung anderer Städte bei ihrer Klima­an­passung zuerkannt.

Vorschaubild: Besonders nah am Wasser gebaut und deswegen sensibel für Umwelt­be­lange: Rotterdam. Foto: Torero /​Wikimedia /​Lizenz unter CC BY-​SA 3.0

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

0 Kommentare

EnWiPo
EnWiPo
Gebäude mit alten Handys intel­ligent steuern

Gebäude mit alten Handys intel­ligent steuern

Die Energiewende findet auch in der Steuerzentrale jedes einzelnen Gebäudes statt – und vielleicht schon bald im Inneren eines alten Smartphones. Daran arbeiten Forschende des empa. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien wie Solar- und Windkraft steigen nicht nur die...

Schneller und günstiger mit dem neuen Gebäu­detyp E

Schneller und günstiger mit dem neuen Gebäu­detyp E

Angesichts explodierender Baukosten, steigender Zinsen und strengerer Bauvorschriften gerät der Wohnungsbau in Deutschland zunehmend unter Druck. Die Zahl der Baugenehmigungen ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen. Vor allem bezahlbarer Wohnraum wird immer...

Wie läuft die Wärme­planung in Nieder­sachsen und Bremen?

Wie läuft die Wärme­planung in Nieder­sachsen und Bremen?

Mit dem Gesetz zur Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG) hat sich schon die alte Bundesregierung ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2045 soll die Bereitstellung von Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in Deutschland klimaneutral erfolgen. Erste...

Platte wird zum weit­gehend ener­gie­aut­arken Wohnhaus

Platte wird zum weit­gehend ener­gie­aut­arken Wohnhaus

Plattenbau und Energieeffizienz – das beißt sich. Doch in Aschersleben wird gerade der Beweis angetreten, dass beides gut zusammen geht. Dafür mussten die Wohnungsgesellschaft AGW und Energieexperte Timo Leukefeld allerdings um die Ecke denken. Die Lösung lag in...