Erdgas, hier ein Gasspeicher in Etzel, ist der Gewinner der Halbjahres-Enrgiebilanz. Foto: Gazprom Germania

Gasbranche: Modell zur Versor­gungs­si­cherheit wenig praxistauglich

von | 12. November 2015

Wie sicher ist Deutschlands Gasversorgung? Diese Frage ist so sicher wie der Beginn der Heizperiode. Zwar hat es von kleineren Engpässen abgesehen hierzulande noch nie wirklich einen Lieferausfall gegeben. Aber Der Streit zwischen Russland und dem Gastransitland Ukraine sowie ein denkbarer Ausfalle von Infrastruktur haben die Marktteilnehmer sensibilisiert.

Eine staatliche Reserve scheint zwar vom Tisch. Dennoch hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) heute für die Branche ein Modell vorgelegt, das aus zwei Komponenten besteht, einer systemnahen Flexibilitätsreserve und der Speicherkontrahierung durch die Netzbetreiber.

Dem Reservemodell liegt folgende Annahme zugrunde: Ein Extremwinters in Kombination mit dem Ausfall einer wichtigen Infrastruktur, etwa einem Grenzübergangspunkt, für einen Zeitraum von sieben Tagen.

Für die Flexibilitätsreserve wird zunächst die Höhe des Absicherungsbedarfs ermittelt - unter anderem anhand der Minimalfüllstände der deutschen Erdgasspeicher der vergangenen Jahre für den Betrachtungszeitraum Februar. Der Bedarf wird regelmäßig überprüft. Im Auftrag der Fernleitungsnetzbetreiber wird anschließend eine jährliche Ausschreibung durchgeführt, um den ermittelten Bedarf zu gewährleisten. Dabei sind unterschiedliche Produkte möglich, mit denen Anbieter teilnehmen können. Wesentliches Kriterium ist die Gewährleistung der physischen Erfüllung.

Das zweite Element sieht vor, dass die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) zeitlich und mengenmäßig begrenzt Erdgas-Speicherkapazitäten zusammenziehen. Ein Erwerb von Eigentum an Speichern ist hierbei ausgeschlossen. Diese "FNB-Speicherkontrahierung" soll Restrisiken ausräumen. Damit werden auch die als gesichert angenommenen Speicherfüllstände gewährleistet, die für Berechnung der systemnahen Flexibilitätsreserve angelegt werden. Auch der erforderliche Umfang dieses zweiten Elements soll regelmäßig überprüft werden. Zum Einsatz soll sie erst dann kommen, wenn das erste Element des Modells nicht ausreicht, um die Gasversorgung in der Extremsituation stabil zu halten. Die Finanzierung des Reserve-Modells soll im Einklang mit der gesetzlich vorgesehenen Rollen- und Risikoverteilung über die Netznutzungsentgelte erfolgen.

Da der Staat hier, trotz gegenteiliger Meinung der Wissenschaft, voraussichtlich nicht eingreifen wird, bleibt es der Branche vorbehalten, für die nötige Sicherheit zu sorgen. Das war bisher bereits mit der freiwilligen Selbstverpflichtung so, über 90 Tage hinweg die Erdgasversorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten. Warum das Speichermodell nur vom Zeitraum einer Woche im Falle eines Ausfalls ausgeht, bleibt schleierhaft. Bei einem Konflikt kann ein Grenzübergangspunkt deutlich länger blockiert sein. Die Versorgungssicherheit wäre dann dahin oder müsste aus den dann aktuellen Speicherständen erfolgen. Doch das wird, bei den derzeitigen Rekordniedrigständen zu Beginn der Heizperiode, kaum möglich sein. Zudem sind ein Großteil der Speicher nach Branchenangaben schon mit Einkäufen gefüllt, die keineswegs für eine Reserve zur Verfügung stünden.

Bleibt zu hoffen, dass dieses Modell sie nie in der Praxis bewähren muss.

Vorschaubild: Gasspeicher, wie hier der in Etzel, sind das Rückgrat der deutschen Gaswirtschaft und potenzielle Träger des neuenReservemodells der Branche. Foto: Gazprom Germania

 

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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