Treibstoffgewinnung aus Pflanzenresten wäre bei der EU wohlgelitten. Foto: Karlsruhe Institut für Technologie

Biokraft­stoffe in der EU-Klemme

von | 24. Januar 2017

Biokraft­stoffe haben es derzeit nicht leicht. Die Tank-​Teller-​Diskussion, so unsinnig sie in euro­päi­schen Breiten auch sein mag, setzt ihr ebenso zu wie die Diskussion um die indirekte Land­nutzung (iLuc).

Letztere hat die EU-​Kommission sogar zur Entschei­dungs­grundlage genommen, um die Quote von Biokraft­stoffen der 1. Gene­ration, also all jenen, die aus Nahrungs­mitteln wie Raps oder Getreide herge­stellt werden, von 7 %, die euro­paweit 2020 erwartet werden, auf 3,8 % im Jahr 2030 abzu­senken. Auf dem gerade in Berlin tagenden Kongress Kraft­stoffe der Zukunft machte Bernd Kuepker von der Gene­ral­di­rektion Energie der Kommission, also quasi dem euro­päi­schen Ener­gie­mi­nis­terium, daran auch keine Abstriche.

Wider­stand aus dem Bundestag

Liegen beim Thema Biokraftstoffe meilenweit auseinander: Bernd Kuepker von der EU (links) und MdB Norbert Schindler. Foto: Urbansky Biokraftstoff, iLuc, EU, Bundestag

Liegen beim Thema Biokraft­stoffe meilenweit ausein­ander: Bernd Kuepker von der EU (links) und MdB Norbert Schindler. Foto: Urbansky

Seitens der deutschen Verbände, aber auch aus der Politik und hier insbe­sondere von den Bundes­tags­mit­gliedern Artur Auern­hammer (CSU) und Norbert Schindler (CDU), beide übrigens Landwirte, wurde heftigster Wider­stand gegen die Kommis­si­ons­pläne ange­kündigt. Schindler gab der Kommission sogar indirekt die Schuld an den Wahl­er­folgen von Rechts­po­pu­listen, weil sie eine Politik fern der Reali­täten in den EU-​Mitgliedsländern verfolge. Sein Trost: Die Pläne müssten noch vom EU-​Rat abge­segnet werden, und das sei keines­falls sicher. Allrdings: Auch die Bundes­re­gierung führt ähnliches im Schilde, nämlich die Verbannung der Biokraft­stoffe aus dem Stra­ßen­verkehr.

Dabei ist gerade die Nahrungs­kon­kurrenz und die iLuc selbst bei Orga­ni­sa­tionen umstritten, wo man es gemeinhin nicht erwartet hätte. Oliver Dubois von der Welt­ernäh­rungs­or­ga­ni­sation FAO sieht den Einfluss der Biokraft­stoffe auf Nahrungs­mit­tel­preise und damit auf den Hunger der Welt nur gering und als einen von unter vielen Faktoren für Preis­stei­ge­rungen. An den 75 % Teue­rungs­raten der Nahrungs­mitteln in den letzten Jahren hätten die Biokraft­stoffe gerade mal einen Anteil von 3 %. Gleich­zeitig msüse man konkret sehen, wo Biokraft­stoffe angebaut würden. Würde Land in den Entwick­lungs­ländern für Mono­kul­turen verschwendet, um damit den euro­päi­schen Kraft­stoff­bedarf zu befrie­digen, sei das schlecht. Würde das in Europa geschehen, gäbe es keine Nahrungsmittelkonkurrenz.

iluc als Grundlage fragwürdig

Das bestä­tigte auch Klaus-​Dieter-​Schumacher von AgriConsult, der auf der Veran­staltung die Agrar­märkte analy­sierte. Zwar sei die Anbau­fläche weltweit leicht gestiegen, aber die Ernten seien seit Jahren sehr gut und wüchsen stetig. Er bezeichnete das Vorgehen der EU, iLuc als Ausgangs­punkt zu nehmen, als frag­würdig, zumal die zugrunde gelegten Studien längst vergangene Zeiträume abbil­deten und nicht die aktuellen.

Die letzte Schlacht für die Biokraft­stoffe der 1. Gene­ration ist also noch nicht geschlagen, noch ist sie schon verloren. Und ihre Vertei­diger haben noch ein gewich­tiges Argument auf ihrer Seite: Wer sollte denn die Biokraft­stoffe der 2. Gene­ration zur Markt­reife führen wenn nicht die Produ­zenten von Biodiesel und Bioethanol? Drehe man denen jetzt mit frag­wür­digen poli­ti­schen Entschei­dungen den Geldhahn zu, werde es auch mit HVO, Biobu­tanol und anderen nichts.


Über die aktu­el­len Möglich­keiten von Power to Gas und damit über mögliche alter­native Kraft­stoffe der 2. Gene­ration schrei­ben die Energieblogger-​Kollegen Max Fuhrmann und Christian Sperling von next­kraft­werke hier.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

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