Die Digitalisierungsluft war auf der ISH 2017 zum Schneiden dick. Jeder Heiztechnikhersteller hat sich für die Frankfurter Branchenschau das Digi-Thema auf die Fahnen geschrieben.
Was auffällt: Ähnliche Technik bedingt ähnliche Lösungen. So ist die Digitalisierung nicht nur auf den Heizkessel selbst beschränkt, sondern umfasst den ganzen Vermarktungskreislauf – angefangen von der Akquise über die konkrete Angebotserstellung bis hin zur Installation beim Kunden, dessen Anlage dann in Zukunft intelligent überwacht werden kann, ohne dass der Handwerker gleich anrücken muss.
Probleme programmiert
So weit, so gut. Was aber ebenfalls auffällt, ist, dass jeder Hersteller einen eigenen Standard entwickelt. Aus Gründen etwa des Know-how-Schutzes mag dies verständlich sein. Da die Lösungen von Viessmann, Buderus oder Vaillant und Co. tatsächlich sehr ähnlich sind, kann es mit dem Know-how-Schutz aber wiederum auch nicht so dolle sein. Programmiert sind durch diese verschiedenen Standards aber diverse Probleme für die Zukunft.
Deswegen ein Blick in einen ganz anderen Bereich – der E‑Mobilität. Die hat es – neben vielen anderen Gründen – auch deswegen so schwer, weil für die Ladeinfrastruktur mehre Standards existieren. Zwar wurde in der EU der Meneckes- oder Typ-2-Stecker als Ladestandard für Wechselstrom festgelegt. Dennoch finden sich an vielen Zapfsäulen noch der asiatische Standard CHAdeMo und andere. Für Wechselstrom finden sich 6 Standards inklusive der 230-Volt-haushaltssteckdose, die für das Laden in Frage kommen und auch angewendet werden. Der Typ-2-Stecker ist also noch längst nicht alleiniger Standard. Hinzu kommen noch die Standards beim Schnellladen wie CCS oder das komplett eigenständige System von Tesla.
Gerade beim Wechselstrom wurde – ebenso wie jetzt in der Heizungsindustrie – jahrelang von den Autoherstellern nebeneinander hergewerkelt. Jeder entwickelte fast einen eigenen Standard. Im Endeffekt müsste ein E‑Mobil-Besitzer einen ganzen Sack voll Adapter mit sich führen, um auch ja sicher an der nächsten Zapfsäule tanken zu können. Und selbst das muss nicht immer funktionieren.
Zwar ist es mit der Haustechnik etwas anders. Die digitalisierten Heizungen lassen sich natürlich per SGReady-Schnittstelle oder auch in einen KNX-Standard einpassen. Das wiederum zielt jedoch nur auf die Lösung vor Ort, nicht auf eine volkswirtschaftliche Betrachtungsweise, die eben auch bei der Ladeinfrastruktur fehlte.
Für VKW wird es schwer
Ein Beispiel: Heute eingebaute Heizkessel lassen sich für Power-to-Heat ausrüsten. Würden alle auf einem einheitlichen Standard fußen (übrigens hat Pumpenspezialist auch digitalisiert und – welch Wunder – der Standard ist mit keinem der Heizungshersteller, für die ja Wilo die Pumpen baut, kompatibel), kann man diese Heizungen einfacher zur virtuellen Kraftwerken (VKW) zusammenkoppeln.
Das wiederum ermöglicht eine Teilnahme am Regelenergiemarkt (auch wenn der aktuell finanziell kaum attraktiv ist) und könnte die Kessel mit überschüssigem Wind- oder PV-Strom aufheizen. Denn auch ein Trend der ISH 2017 ist: Gas- und Ölkessel bleiben weiterhin dominant im Wärmemarkt. Genau für die wäre ein gemeinsamer Standard zur Einkopplung Erneuerbarer Energien wie gemacht. Er würde das Prozedere deutlich vereinfachen.
Sinnvoll wäre es, wenn unter dem Dach des Branchenverbandes BDH ein gemeinsamer Standard für alle Heizungstypen in der Digitalisierung entwickelt würde. Vorbilder gibt es ja genug, etwa eben die Ladeinfrastruktur, bei der sich die Branche letztlich auch auf einen Steckertypen geeinigt hat, oder der schon erwähnte KNX-Standard, der unter Leitung von 9 führenden europäischen Elektronik-Unternehmen seit 1999 entwickelt wurde und dem sich inzwischen 400 Firmen weltweit angeschlossen haben.
Meine Energieblogger-Kollegen haben hier schon ihre Beiträge zur ISH 2017 gepostet:
- Andreas Kühl – Energynet: Wo war die Wärmewende auf der ISH 2017?
- Katja Reisswig – Technewable: Kommt die Wärmewende oder kommt sie nicht?
- Kerstin Bruns – Kesselheld: ISH 2017: Verändern Digitalisierung und Energiewende den Heizungsmarkt?
- Martin Schlobach – Haustechnik verstehen: ISH 2017 – Wie die Digitalisierung als Ausrede herhalten muss
- Sebastian Zahn – Energieheld: ISH 2017 – Die Digitalisierung der kleinen Schritte
- Mareike Köster – Stiebel-Eltron-Blog: MitWärmepumpen sanieren
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