Aktuelle Entwicklungen in der (Energie-)Politik, wie die Auswirkungen der Golf-Krise auf die Öl- und Gasmärkte oder der kürzliche Rücktritt der USA aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen lenken Europas Aufmerksamkeit im Moment nach außen. Wenn das Versprechen der EU, bis 2030 die Treibhausgasemissionen (verglichen mit 1990) um 40% zu senken, jedoch eingehalten werden soll, muss Europa den Blick aber bald nach innen wenden, um die eigenen Schwachstellen in der Energiepolitik auszubessern.
Die interaktive Karte 19 europäischer Hauptstädte erklärt Gründe für die teilweise sehr unterschiedlichen Werte im Energieverbrauch und der CO2-Emissionen und welche Maßnahmen die Regierungen schon ergreifen, um zum Umweltschutz beizutragen.
Ein offensichtlicher, aber wichtiger Faktor beim Energieverbrauch ist das Klima. Paradebeispiel dafür sind die skandinavischen Länder Europas. Islands Hauptstadt Reykjavik hat mit 204.490,29 kWh den mit Abstand höchsten Energieverbrauch-Pro-Kopf in Europa. Zur besseren Vorstellung: den Median bildet in diesem Vergleich der 19 Hauptstädte Brüssel, mit 24.132,25 kWh.
Reykjavik braucht am meisten
Der extrem hohe Energieverbrauch Reykjaviks kommt zustande, weil die Stadt auf Grund des sehr kalten Klimas (die Durchschnittstemperatur im wärmsten Monat Juli beträgt 11°C) und den wenigen Sonnenstunden im Winter viel Strom verbraucht. Heizungen sind also fast das ganze Jahr über unverzichtbar.
Allerdings kann die isländische Hauptstadt Treibhausgasemissionen trotz allem gering halten, denn 81% der produzierten Energie des Landes ist erneuerbar und 90% der Heizenergie wird aus Erdwärme gewonnen, wodurch Island einen relativ kleinen Anteil des CO2-Fußabdrucks der EU verantworten muss.
Versmogtes Europa?
Auf Platz zwei im Ranking der europäischen Hauptstädte mit dem höchsten Pro-Kopf-Energieverbrauch folgt Dublin. Der stattliche Verbrauch von 43.449,68 kWh pro Einwohner hat jedoch ganz andere Ursachen, als im Fall Reykjaviks. Das gemäßigte Klima Irlands gibt hier nämlich keinen Anlass zur Sorge, sondern das starke Verkehrsaufkommen und der damit verbundene hohe Benzinimport der Iren. Das hat zur Folge, dass Dublin die höchsten Treibhausgas-Emissionen-pro-Kopf in Europa erzeugt.
Ähnlich sieht es in Brüssel oder Rom aus. 63% der Belgier fahren täglich mit dem Auto zur Arbeit, in der italienischen Hauptstadt sind es 56%. Städte wie Paris oder Budapest versuchen die Zahl der Autofahrer zu senken, in dem sie strenge Auflagen einführen, die ältere Fahrzeuge im Stadtkern verbieten. In Budapest fahren auf Grund einer hohen Maut zum Beispiel nur noch ca. 31% Auto.
Ein weiteres Vorbild für die Senkung von CO2-Emissionen ist Kopenhagen: nur 29% der Einwohner besitzen überhaupt ein Auto. Bis 2025 soll die dänische Stadt sogar als erste der Welt CO2-neutral werden. Dafür sollen der öffentliche Nahverkehr, so wie Fahrrad- und Fußgängerwege ausgebaut und der CO2-Ausstoß von Bussen, Zügen und Bahnen durch umweltfreundliche Technologien weiter gesenkt werden.
Momentan wird 17% des gesamten Energieverbrauchs und 27% der elektrischen Energie durch grüne Energiequellen gedeckt. Das Ziel der Kopenhagener von 2005, die CO2-Bilanz bis 2015 um 20% zu senken, wurde bereits 2011 erreicht.
CO2-Schleuder Deutschland
Berlin befindet sich im Vergleich, mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 24.225,29 kWh, auf Platz 9. Es wird erwartet, dass sich im Laufe dieses Jahres der Stromverbrauch um ca. 0,7% gegenüber 2016 erhöhen wird, was sich mit der guten Konjunktur und der verstärkten Zuwanderung seit 2015 erklären lässt.
Innerhalb der EU führt Deutschland mit Abstand die Spitze der Treibhausgas-Schuldiger an und scheint in diesem Jahr schon im April das CO2-Jahresbudget verbraucht zu haben, welches sich laut des Pariser Klimaabkommens auf durchschnittlich 220 Millionen Tonnen pro Jahr belaufen sollte. Das Ziel, bis 2020 den Treibhausgas-Ausstoß um 40% im Vergleich zu 1990 zu senken, scheint demnach unwahrscheinlich. Mögliche Ansätze, wie zum Beispiel die diskutierte CO2-Steuer, könnten Veränderung bringen.
Momentan importiert Deutschland mehr als die Hälfte seiner Energien, darunter insbesondere fossile Energien und (1÷3 der Gesamtenergie) saubere Energien aus näherer Umgebung. Um die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, soll der Anteil erneuerbarer Energien bis 2050 auf 80% erhöht werden.
Die grünen Städte Europas
Als Vorbild dafür könnte Wien gelten. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtverbrauch liegt dort momentan bei 14%, das ist doppelt so hoch wie der europäische Durchschnitt. Durch die günstige Lage an den Alpen, können die Österreicher enorm von ihren Wasserressourcen profitieren. Verglichen mit dem Anteil der Wasserkraft an der Bruttostromerzeugung in Deutschland (3,3% im Jahr 2016), wird klar, dass Österreich mit fast 70% seine natürlichen Ressourcen bestens nutzt. Zusätzlich fördern Projekte, wie der Innsbrucker Passivhauskomplex, eine Senkung des Energieverbrauchs und damit auch der Nebenkosten.
Auch Stockholm und Oslo können von ihrer geografischen Lage Gebrauch machen.
In Stockholm wird zum Beispiel die Energie für den Bahnverkehr ausschließlich aus Wind- und Wasserenergie gewonnen und 80% des Wärmebedarfs werden mit aus Abfall gewonnenen Energien gedeckt. Ab 2050 soll sogar komplett auf fossile Brennstoffe verzichtet werden.
In der norwegischen Hauptstadt hingegen wird Abfall aus England importiert und für die Heizenergiegewinnung genutzt.Oslos niedriger CO2-Ausstoß pro-Kopf, der mit weniger als der Hälfte des europäischen Durchschnitts der niedrigste in Europa ist, hängt unter anderem mit den zahlreichen lokalen natürlichen Rohstoffen, als auch mit den Anstrengungen der Regierung zusammen: der hohe Gebrauch erneuerbarer Energien, insbesondere im öffentlichen Transport, und die oft gelobte Energieeffizienz machen Oslo zur umweltfreundlichsten Stadt Europas.
Die drei Hauptstädte mit dem geringsten Energieverbrauch? Prag, Warschau und Lissabon.
Obwohl Prag mit einem Energieverbrauch von 18.654,52 kWh pro Einwohner im Europa-Ranking auf Platz 17 kommt, also am dritt-wenigsten verbraucht, haben die Polen einen der höchsten CO2-Verbrauchswerte im europäischen Raum, da Energie aus Kohlekraftwerken gewonnen wird, die zum Teil älter als 60 Jahre sind.
In Warschau, Polen, sieht es ähnlich aus. Zwar wird versucht Kohlekraftwerke durch Energiegewinnung aus Abfall zu ersetzen und so die CO2-Emissionen zu reduzieren, aber Steinkohle deckt noch immer einen Großteil des polnischen Energiebedarfs ab.
Die daraus resultierende schlechte Luft in Polens Hauptstadt ist gesundheitlich und umwelttechnisch stark bedenklich, doch gelten erneuerbare Energien noch als zu teuer und unzuverlässig, was dazu führt, dass Strom- und Wärmeenergieerzeugung in der Hauptstadt für 78% der gesamten Treibhausgasemissionen im Land verantwortlich sind.
Der Gewinner im Energieverbrauchs-Ranking heißt Lissabon. Der Verbrauch der portugiesischen Hauptstadt liegt bei gerade mal 13.502,43 kWh. Trotz hohem Autoverkehr in der Stadt, gelang es die CO2-Emissionen zwischen 2002 und 2016 insbesondere durch Gebäudesanierungen zu halbieren. 67% des Stromverbrauchs des Landes werden über erneuerbare Energien gedeckt (Stand 2015).
Für die Zukunft heißt das…?
Dass selbst mit Vereinbarungen wie dem Kyoto-Protokoll oder jetzt dem Übereinkommen von Paris, nicht alle Staaten gleichermaßen um die Energiewende bemüht sind – und vielleicht geht das auch gar nicht.
Sowohl wirtschaftliche, als auch geographische Faktoren bedingen die Möglichkeiten eines Landes den Energieverbrauch und den CO2-Fußabdruck zu verringern. Darunter zeigt gerade Skandinavien auf, dass klimatische und geographische Bedingungen die Energiepolitik eines Landes maßgeblich lenken. Andernorts, wie in Osteuropa, hat spätes wirtschaftliches Wachstum zur Folge, dass Kohlekraftwerke noch nicht ersetzt werden konnten.
Es bleibt nur abzuwarten, wie sich der Energiesektor in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird und welche Lösungen dann eventuell vorhanden sein werden, um jeder Stadt die notwendigen Mittel bereitzustellen, die benötigt werden, um der Klimaerwärmung und der Rohstoffknappheit entgegenzuwirken.
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