Foto: Urbansky

Power-​to-​Heat: Praxistest mit 200 Häusern geplant

von | 21. April 2016

Ener­gie­ef­fi­zienz, zu der auch das Nutzen ansonsten nicht nutzbarer Energie gehört, ist ja das große Thema der Berliner Ener­gietage. Power-​to-​Heat (PtH), also die Umwandlung über­schüs­sigen Wind- und Solar­stroms in Wärme­en­ergie, ist eines.

In diesem Jahr nun stellte das IWO die Fort­führung seines seit 2015 laufenden Praxis­tests in einem Berliner Einfa­mi­li­enhaus fort. Demnach betrugen die Erlöse aus Regel­en­ergie und einge­spartem Brenn­stoff 188 Euro im Jahr,. Das ist etwas weniger als in der letzten Bilanz. Aber immerhin – es funk­tio­niert. Hier die tech­ni­schen Daten der Anlage von Buderus:

  • Modu­lie­render Öl-​Brennwertkessel, stufenlos 515 kW
  • 500 Liter Puffer­speicher zur Heizungs­un­ter­stützung und Trinkwasserbereitung
  • 9 kW Elektroheizer
  • PV Anlage
  • Nutzung von Über­schüssen der haus­ei­genen PV Anlage sowie negativer Regel­en­ergie aus dem Netz als Wärme

Was nicht funk­tio­niert, ist der poli­tische Rahmen. Denn an diesem darf nur teil­nehmen, wer mindestens 5 MW Leistung in die Waag­schale zu werfen hat – viel zu viel für ein kleines Einfa­mi­li­enhaus. IWO und Arge Netz machen aus diesem Notstand eine kleine Tugend und planen nun einen Feld­versuch. Die Idee, um in den Regel­en­er­gie­markt kommen: Ein Wärme­ver­trieb betreibt eine Power-​to-​Heat-​Anlage oder bündelt Hybrid­hei­zungen und bezieht in Zeiten von Engpass­ma­nagement Strom von einem Windpark. Zwischen Wärme­ver­trieb und dem Windpark wird ein Liefer­vertrag abgeschlossen.

Geplant ist nun eine Modell­region für Power-​to-​Heat in Hybrid­hei­zungen in Schleswig-​Holstein, also in genau jenem Bundesland, wo besonders viel Wind­energie erzeugt wird. Dabei soll die Ansteuerung der Hybrid­hei­zungen durch Inte­gration in das Erneu­er­baren Kraftwerk der Arge Netz erfolgen, um so die 5‑MW-​Grenze für den Regel­en­er­gie­markt zu knacken. Abge­re­gelte Strom­mengen könnten so sinnvoll im Wärme­markt genutzt werden

Als Projekt­ziele nennt die Arge:

  • Nachweis der Systemdienlichkeit
  • Ermittlung der inte­grier­baren Mengen EE in den Wärmemarkt
  • Erprobung von geeig­neten Geschäftsmodellen

200 Häuser für PtH

Etwa 200 PtH-​fähige Ölhei­zungs­an­lagen mit einer elek­tri­schen Leis­tungs­auf­nahme von jeweils rund 10 kW werden errichtet“, so Björn Spiegel von der Arge Netz. Dabei sei der Austausch veral­teter Ölhei­zungs­technik und die Erwei­terung von Bestands­an­lagen um PtH-​Technologie geplant, sprich: Einige Altanlagen werden einfach mit dem tauch­sie­der­ähn­lichen Heizstab ausgestattet.

Bleibt abzu­warten, was der Test ergibt. Zwischen­zeitlich wird zudem gefordert, einige poli­tische Rahmen­be­diungen zu ändern. Die Arge Netz fordert deshalb;

  • Öffnung der Märkte: Markt­in­te­gration heißt, dass erneu­erbare Energien jetzt in die Märkte gehen dürfen und Geschäfts­mo­delle entwi­ckeln können
  • Anpassung des Strom­mark­ge­setzes /​EEG 2016: Inte­gration einer Option, um Strom, der nicht in das Stromnetz abgegeben werden kann (Engpass­ma­nagement) oder soll (Spit­zen­kappung), wirt­schaftlich nutzbar zu machen. Härte­fall­re­gelung und Inves­ti­ti­ons­schutz bleiben davon unberührt
  • Letztverbraucher-​Pflichten für Speicher auflösen: Zuschaltbare Lasten aus Power-​to-​X-​Lösungen sind keine Letzt­ver­braucher und müssen von Steuern und Abgaben befreit werden

Wissen­schaft fordert Marktöffnung

Rücken­de­ckung erhalten IWO und Arge Netz bei ihrem Vorhaben von der Stiftung Umwelt­ener­gie­recht und dem Fraun­hofer ISI. Die haben im März 2016 ein Gutachten zu zuschalt­baren Lasten vorge­stellt. Sie empfehlen:

  • Ausschrei­bungen von zuschalt­baren Lasten zur Nutzung von ansonsten abge­re­geltem Strom einführen
  • Pflicht zur Ausschreibung zuschalt­barer Lasten durch ÜNB/​ggf. VNB (also die Netzbetreiber)
  • Pflicht zum Einsatz kontra­hierter Lasten vor Abre­gelung EE – damit dürfte auch die 5‑MW-​Grenze fällig sein
  • Dafür Privi­le­gie­rungen bei staatlich indu­zierten Strompreisbestandteilen
  • Alter­native: rück­wir­kende Kostenerstattung

Alle Vorträge zu dem PtH-​Test finden sich hier.

Ein Beitrag zu den Chancen von Smart Home, letztlich auch eine Voraus­setzung von Power-​to-​Heat im Eigenheim, findet sich hier von Energieblogger-​Kollege Martin Schlobach auf Strom­aus­kunft.

Frank Urbansky

Freier Jour­na­list und Fach­au­tor, unter anderem für die Fach­ma­ga­zine und Portale Brenn­stoff­spie­gel, Uniti; DW Die Woh­nungs­wirt­schaft und Immo­bi­li­en­wirt­schaft; Haufe-Lexware; Energie&Management; IVV, Huss Medien; Motor­tech­ni­sche Zeit­schrift und Sprin­ger­Pro­fes­sio­nal; Sprin­ger Fachverlag; SHK Profi und tab, Bau­ver­lag; stadt+werk, k21

1 Kommentar

  1. jogi54

    Zwar ist es löblich, alte Öl-​Heizwertkessel zu Brenn­wert­kesseln aufzu­rüsten und sowieso mit sonst nicht genutztem Strom ein wenig Öl ersetzen zu lassen, aber so wird nichts draus, am Ende (2050) nur mit EEN Strom zu heizen.

    Ziel­führend wäre, den Verbrauch auf max. ~ 5kW zu redu­zieren, eine WP mit großem Wärme­speicher zu instal­lieren und dann die Strom­über­schüsse zum Laden des Speichers zu nutzen.

    Bei max 5kW ist der Tages­bedarf die aller­meiste Zeit ca 50kWh/​Tag. Diese 50kWh lassen sich z.B. in 2000l Speicher mit einem Tempe­ra­turhub von 21,5K einspei­chern. Zwar wird der COP in einem solchen Fall nicht mehr optimal sein, aber immer noch deutlich besser, als bei einer Direktheizung.

    Mit dem Praxistest wird wenigstens ange­gangen, ansonsten abge­re­gelten Strom zu nutzen und da endlich in die staat­lichen Rege­lungen etwas Bewegung zu bringen.

    LG jogi

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